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© Marcos Paulo Prado / unsplash.com

11.06.2021 / Andacht / Lesezeit: ~ 9 min

Autor/-in: Steffen Brack

Solidarisch, praktisch, gut (1)

Warum die Nächstenliebe unverzichtbar ist – für mich selbst und für den anderen.

 

 
Für viele gehört sie untrennbar zum Glauben an Jesus Christus: die Nächstenliebe. Jesus hat dieses grundlegende Gebot aus dem Alten Testament aufgegriffen. Und er hat ganz neu betont: Meinen Mitmenschen lieben – das ist ebenso wichtig wie meine Liebe zu Gott.
 

Ganz spontan – und ganz praktisch

Der Berufsverkehr wurde immer dichter. Genauso wie das Schneetreiben. Die Schneedecke auf der Straße schloss sich allmählich. Das letzte Licht des Wintertages verabschiedete sich langsam. Ich fuhr etwas vorsichtiger. Geduldig wälzte sich die Blechlawine vorwärts. - Das Auto vor mir blinkt nach rechts. Doch es biegt nicht ab, sondern fährt ganz dicht an die rechte Leitplanke heran – setzt den Warnblinker und bleibt stehen. Eine ziemlich ungünstige Stelle. Unmittelbar vor der rechten Abbiegespur in einer Kreuzung. Das sieht ganz nach einer Panne aus.

Ich folge der Kreuzung nach rechts. Und halte an, sobald ich neben der Fahrspur stehen bleiben kann und niemanden behindere. Schnell laufe ich zu dem liegengebliebenen Fahrzeug. Der kalte Wind ist ungemütlich. Der Fahrer des defekten Wagens ist schon ausgestiegen. Und ich frage: „Brauchen Sie Hilfe?“ Er schüttelt den Kopf: „Nein, danke dass sie angehalten haben. Ich habe schon meinen Schwager angerufen. Der ist gleich da und schleppt mich ab.“
 

Eine Geschichte – genial einfach

Zurück im warmen Auto wundere ich mich. Und zwar über mich selbst. Ich kann zwar auch mal ganz spontan sein, aber lieber wäge ich ganz sorgfältig ab, bevor ich etwas mache. Dass ich hier im Winter und im dichten Feierabendverkehr aussteige, um jemandem zu helfen – das verwundert mich. Zumal ich tatsächlich auch nicht einen Moment lang gezögert habe. Das ist schon untypisch für mich. Aber ich weiß ganz genau, warum ich so reagiert habe.

Das liegt an der Geschichte, die mir schon seit ein paar Wochen nicht mehr aus dem Kopf geht. Es ist eine alte Geschichte. Und vermutlich auch eine ziemlich bekannte. Erzählt hat sie Jesus. Vor ziemlich genau 2.000 Jahren. Aufgeschrieben wurde sie von dem griechischen Arzt Lukas. In seinem ersten Bericht, den er über Jesus geschrieben hat. Diesen ersten Bericht über Jesus kennen vielleicht einige unter dem Namen „Das Lukasevangelium“.

Die Geschichte, die mich damals dazu gebracht hat, dass ich ganz spontan meine Hilfe angeboten habe, die Geschichte finden Sie bei Lukas. Im Kapitel 10, ab Vers 30. Und wenn Sie die Geschichte hören, dann werden Sie vermutlich auch sehr schnell erkennen, warum ich an jenem Abend durch das Schneetreiben gelaufen bin.

Jesus … erzählte die folgende Geschichte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Unterwegs überfielen ihn Räuber. Sie nahmen ihm alles weg, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halb tot liegen. Nun kam zufällig ein Priester denselben Weg. Er sah den Mann liegen und ging vorbei. Genauso machte es ein Levit, als er an die Stelle kam: Er sah ihn liegen und ging vorbei. Schließlich kam ein Reisender aus Samarien. Als er den Überfallenen sah, ergriff ihn das Mitleid. Er ging zu ihm hin, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier und brachte ihn in das nächste Gasthaus, wo er sich weiter um ihn kümmerte. Am anderen Tag zog er seinen Geldbeutel heraus, gab dem Wirt zwei Silberstücke und sagte: ›Pflege ihn! Wenn du noch mehr brauchst, will ich es dir bezahlen, wenn ich zurückkomme.‹« (Lukas 10,30-35).

Viele kennen diese Erzählung von Jesus unter dem Namen „Die Geschichte vom barmherzigen Samariter“. Und sie ist so einfach, dass auch ein Kind sofort versteht, worum es Jesus geht. Gerade weil sie so einfach ist, ist sie auch so genial. Um die Erzählung jedoch auch in ihrer ganzen Tragweite zu verstehen – und auch die Sprengkraft zu erkennen, die sie hat, will ich nun auch die Vorgeschichte betrachten. Den Grund, warum Jesus die Geschichte damals erzählt hat. Und die ganz konkreten Fragen an Sie und an mich, die sich aus der Geschichte ergeben. Es ist nämlich keineswegs eine Geschichte, die nur noch für Kinderohren gültig ist. Nein. Sie ist viel mehr. Viel, viel mehr.
 

Ich habe da mal eine Frage

Alles beginnt damals mit einer Frage. Und was für eine Frage ist das, die da einer an Jesus hat. Ich wollte, auch heute würden viel mehr Menschen diese Frage stellen. Denn ich meine, letzten Endes läuft alles im Leben auf diese eine Frage hinaus. Und wenn wir darauf auch noch eine vernünftige Antwort finden, dann haben wir den Schlüssel zu allem gefunden, nach dem sich die Menschheit sehnt. Vor 2.000 Jahren genauso wie heute. Wenn ich mir jetzt selbst zuhöre, wie ich das sage, müsste ich eigentlich hellhörig werden und zugeben: solche vollmundigen Ankündigungen können doch nur enttäuscht werden.

Wie oft gab es schon Versprechungen dieser Art. Aber es sind doch immer leere Versprechungen geblieben. Ja, so müsste ich eigentlich denken. Aber ich weiß in diesem Fall, dass ich ihnen nicht zu viel verspreche. Warum ich davon so überzeugt bin? Hören sie selbst. Ich lese aus dem Bericht des Lukas, Kapitel 10, Vers 25: „Da kam ein Gesetzeslehrer und wollte überprüfen, was Jesus lehrte; er fragte ihn: »Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?«“ (Lukas 10,25).

Der Mann, der hier zu Jesus kommt, ist ein „Gesetzeslehrer“. Das waren damals in der jüdischen Gesellschaft diejenigen Spezialisten, die die Aussagen der hebräischen Bibel für die alltägliche Lebenspraxis ausgelegt haben. Und sie waren die theologischen Anführer der Pharisäer. Einer besonders streng-religiösen jüdischen Gruppierung. Dabei ist die Übersetzung mit „Gesetzeslehrer“ ziemlich verwirrend. Denn das Wort, das in den allermeisten Übersetzungen mit „Gesetz“ wiedergegeben wird, bezieht sich eigentlich auf den hebräischen Begriff „Tora“. Und der kommt von einem Tätigkeitswort, das so viel bedeutet wie „lehren, weisen, unterweisen, zeigen, aufzeigen.“ Im engeren Sinn meint die Tora die ersten fünf Bücher der Bibel, die fünf Bücher Mose.

Aber im Neuen Testament wird „Tora“ dann auch für das gesamte Alte Testament gebraucht. Also für die gesamte Hebräische Bibel (vgl. z.B. Römerbrief 3,19). Wenn in deutschen Übersetzungen das Wort „Gesetz“ auftaucht, dann ist damit i.d.R. das Alte Testament gemeint. Und das ist weitestgehend gar kein Gesetz. Sondern vielmehr unterweist Gott damit sein Volk Israel, wie sein Leben gelingt. Mit den Worten des Alten Testaments zeigt Gott seinen Leuten den guten Weg zum Leben. Deshalb kommt ein Theologe zu dem Schluss: Der Begriff „Gesetz“ sollte am besten gar nicht verwendet werden. Es ist viel sinnvoller, stattdessen von „Unterweisung, Anleitung oder Wegweisung“ zu sprechen.

So ein Experte für die Hebräische Bibel, für das Alte Testament, kommt also nun zu Jesus. Und Lukas hält in seinem Bericht fest: „er … wollte überprüfen, was Jesus lehrte“. Das griechische Wort für „überprüfen“ heißt so viel wie „versuchen, auf die Probe stellen“. Manche Bibelausleger meinen deshalb, der jüdische Gelehrte will Jesus eine Falle stellen. Doch ich meine, der ganze Zusammenhang deutet nicht darauf hin.

Vielmehr sieht es für mich danach aus, dass der ausgewiesene jüdische Fachmann für die Hebräische Bibel einfach überprüfen will, ob Jesus die heiligen Schriften Israels voll und ganz anerkennt. Ob das, was Jesus lehrt mit dem übereinstimmt, was Gott in der jüdischen Bibel offenbart hat. Denn der Experte für die Schriften des Alten Testaments ist gewissermaßen eine staatlich anerkannte Autorität für das religiöse Leben in Israel. Und in dieser Funktion tritt er hier auf und überprüft den Lehrer Jesus, der keinen offiziellen Abschluss für das Auslegen der Bibel vorweisen kann. Was jener Spezialist für Fragen des religiösen Lebens hier macht, das gehört zu den Aufgaben seines Amtes. Und es steckt wohl keine böse Absicht hinter seiner Frage.
 

Vollkommenes Leben – ohne Ende

Und diese Frage hat es in sich: „Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?“ Ganz offensichtlich meint der Mann seine Frage an Jesus ernst. Denn damit greift er ein Thema auf, das für die Menschen in Israel damals sehr wichtig gewesen ist. So wurden die Rabbis, wie die religiösen Lehrer damals respektvoll genannt – die Rabbis wurden von ihren jüdischen Volksgenossen gebeten: „Zeige uns wie wir leben sollen, damit wir das Leben in der kommenden Welt erhalten.“ Der Spezialist für die Auslegung der jüdischen Bibel leitet das Thema mit den Worten ein: „Was soll ich tun ...?“

Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass er glaubt, er kann sich das ewige Leben verdienen. Oder er muss es sich verdienen. Das zeigt sich zum Beispiel bei einer anderen Gelegenheit. Da kommen auch Menschen zu Jesus und fragen ihn: „Was sollen wir denn tun, um Gottes Willen zu erfüllen?“ Und darauf antwortet Jesus: „Das ist der Wille Gottes: Ihr sollt an den glauben, den er gesandt hat.“ (Johannes 6,28-29) Und das bedeutet natürlich: an Jesus glauben. Denn er ist es, den Gott in die Welt gesandt hat. Wenn Menschen also fragen, was sie tun sollen, um so zu leben, wie Gott sich das vorstellt - dann ist das allererste immer: an Jesus glauben. An den Sohn Gottes.

Wie bekomme ich das ewige Leben? Das hat die Menschen in Israel damals beschäftigt. Sie wussten offensichtlich, dass Gott in der Zukunft eine neue Welt errichten wird. Und dort wollten sie dabei sein. Denn die wussten aus den Schilderungen des Alten Testaments auch, dass diese kommende, neue Welt viel besser sein wird als die, in der wir heute leben (vgl. z.B. Jesaja 2,1-5; 8,23; 11; 65,17-25).

Ich wünschte, die Menschen heute würden wieder die gleiche Frage stellen: Wie bekomme ich das ewige Leben. Was kann ich tun, um in der neuen Welt Gottes dabei zu sein? In jener Welt, von der es im zweiten Teil der Bibel, im Neuen Testament, heißt: „Gott wird alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben und kein Leid, keine Klage und keine Schmerzen mehr. Was einmal war, ist für immer vorbei.« Dann sagte Gott, der auf dem Thron saß: »Gebt Acht, jetzt mache ich alles neu!« Zu mir (das ist Johannes) sagte er: »Schreib diese Worte auf, denn sie sind wahr und zuverlässig.«“

Das ist aus meiner Sicht im Grunde die tiefste Sehnsucht von Menschen: ein Leben, in dem es kein Leid mehr gibt. In dem Gott, voller Güte und Barmherzigkeit, mit seinen Menschen lebt. Sichtbar, erlebbar, fühlbar – für jeden, auch für Sie und für mich. Aber ich meine, der Blick der Menschen wird heute ganz extrem nur noch auf diese Welt gerichtet. Was ja sicher auch wichtig ist. Aber wenn es die Hoffnung auf eine neue Welt nicht mehr gibt – wenn diese Welt das letzte ist, das uns bleibt, dann ist das am Ende doch zu wenig.

Ich bete, dass Gott das doch wieder vielen Menschen ins Herz gibt: Wie kann ich dazugehören, zu der neuen Welt Gottes? Zu der kommenden Welt, die um so vieles besser ist als Alles, was diese Welt uns bieten kann. Und die Antwort von Jesus darauf heißt: „Ich versichere euch: Alle, die auf mein Wort hören und dem glauben, der mich gesandt hat, die haben das ewige Leben. Sie kommen nicht mehr vor Gottes Gericht; sie haben den Tod schon hinter sich gelassen und das unvergängliche Leben erreicht.“ (Johannes 5,24).


DIeser Artikel wird in Teil 2 fortgesetzt. 

 

 Steffen Brack

Steffen Brack

  |  Coach Evangelisation & Follow-Up

Theologe und Redakteur, verheiratet, drei Kinder. Begeistert von Gottes unerschütterlicher Liebe.

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