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© Montecruz Foto zugeschnitten und gespiegelt / flickr.com CC BY SA 2.0

01.09.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Timo König

„Widerstand gegen Polizei gehört mittlerweile zum guten Ton"

Der Polizisten-Alltag ist kein Zuckerschlecken. Warum es sich trotzdem lohnt.

Wenn Pflastersteine und Molotowcocktails durch die Luft fliegen, haben Polizisten oft kaum Möglichkeiten, sich zu wehren. Axel Schneider ist seit 42 Jahren als Polizist im Dienst, seit 2000 bei der Kriminalpolizei. Der langjährige Kriminalbeamte nimmt die Kollegen vom G20 Gipfel-Einsatz in Schutz und macht deutlich, welche grundsätzlichen Probleme die Krawalle offenbart haben. Im ersten Teil des Interviews haben wir mit ihm über das Einbrecherparadies Deutschland, Personalmangel und seinen Burn-Out gesprochen.

ERF: Was verstehen Sie als Polizist unter Gerechtigkeit?

Axel Schneider: Gerechtigkeit ist etwas Relatives und vielleicht auch ein bisschen subjektiv. Verschiedene Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen, was sie als Gerechtigkeit ansehen. Zum Beispiel beim G20

Axel Schneider (Foto: privat)
Axel Schneider. Foto: Privat.

Gipfel: Da gab es Linksautonome, die es gerecht finden, Steine auf Polizeibeamte zu werfen, weil die aus ihrer Sicht den Staat mit seinen falschen Ansichten vertreten. Das verstehen ich und andere Menschen sicher nicht unter Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit Gottes ist im Gegensatz zu unserer menschlichen aber nicht subjektiv. Gottes Gerechtigkeit kann man in der Bibel nachlesen. Was versteht Gott unter Gerechtigkeit? Den Glauben an Jesus Christus.

Schwarzer Block gegen Polizei

ERF: Apropos Linksextremismus. Sagen Sie doch bitte ein Wort zu den G20-Krawallen in Hamburg.

Axel Schneider: Hamburg hat gezeigt, dass Linksextremismus in Deutschland ein großer Faktor ist. Linksextremismus sollte man nicht nur auf die 1.000 Leute des sogenannten Schwarzen Blocks beziehen. Tausende andere Demonstranten haben gutgeheißen, was dieser Schwarze Block gemacht hat. Die Gewalt gegenüber Polizisten und Gegen­ständen oder das Plündern. Tausende andere Demonstranten haben dafür gesorgt, dass der Schwarze Block überhaupt agieren konnte. Das gehört alles zur linksautonomen Szene. Das darf man nicht verharmlosen. Zumindest in den letzten Jahren haben wir in Deutschland den Blick immer nur nach rechts gehabt und dabei vergessen, dass es links auch noch etwas gibt.

ERF: Linke prangern ihrerseits oft an, die Polizei verhalte sich auf Demonstrationen gewalttätig.

Axel Schneider: Der einzelne Polizist reagiert, wenn er angegriffen wird, natürlich dementsprechend. Er ist ein Mensch, ein Individuum und lässt sich nicht einfach schlagen, nur weil er in dem Moment Teil einer Gruppe ist. Es kann auch durchaus sein, dass es Übergriffe von Polizisten gibt. Das geschieht aber aufgrund des Stresses, dem die Beamten ausgesetzt sind. Das darf man nicht vergessen. Polizisten stehen da, werden mit Steinen beworfen und haben keine Möglichkeit, sich zu wehren. Wir haben nur die Möglichkeit, mit Schlagstock oder Pfefferspray zu reagieren – oder mit dem Wasserwerfer. Sonst haben wir keine Möglichkeit, auf das Gegenüber einzuwirken.

Deswegen kann ich mir durchaus vorstellen, dass der eine oder andere Polizist mal überreagiert. Aber mit Sicherheit hat kein Polizist im Hamburg ein Geschäft geplündert, Barrikaden angezündet, Molotowcocktails geworfen oder Pflastersteine aus dem Boden rausgebuddelt um sie auf andere zu werfen.

Respekt gegenüber der Polizei schwindet

ERF: Wir hatten im vorherigen Interview schon über eine gesellschaftliche Verrohung gesprochen. Wie sieht es mit Respekt gegenüber Polizeibeamten aus?

Axel Schneider: Der Respekt gegenüber dem Polizeibeamten hat abgenommen. Man sieht das, wenn man mit den Kollegen redet, die bei größeren Veran­staltungen wie Fußballspielen eingesetzt werden. Die Provokationen und Beleidigungen nehmen enorm zu. Ich merke, dass 13-, 14-Jährige bei einem Kriminalbeamten sitzen, der dreimal oder viermal so alt ist, und ihm völlig respektlos begegnen. Das ist ein Trend der Zeit. Da muss ich an den 2. Timotheusbrief in der Bibel denken. Da steht in Kapitel 3, dass es Zeiten geben wird, in denen die Menschen selbstsüchtiger, hochmütiger, unversöhnlicher und ungehorsamer werden. Es wirkt auf mich, als träten diese Zeiten immer mehr ein. 

ERF: Und wie zeigt sich das auf der Straße?

ERF: Beamte werden massiv beleidigt und bedroht. Bei Fußballspielen ist das an der Tagesordnung. Ich habe auch schon Bedrohung erlebt. Mir wurde gesagt: „Ich bekomme raus, wo deine Familie wohnt und bringe deine Frau und deine Kinder um.“ Wenn man da eine Strafanzeige macht, wüsste ich jetzt schon, wie Staatsanwaltschaft und Gericht darauf reagieren. Die Anzeige würde eingestellt und es gäbe keine Bestrafung.

Stressig aber spannend

ERF: Würden Sie angesichts dieser frustrierenden Situationen wieder Polizist werden?

Axel Schneider: Wenn ich Beamter beim Finanzamt oder Landratsamt wäre, hätte ich am Wochenende frei und würde ganz geregelt von 8 bis 16 Uhr arbeiten. Da gibt es keine fünf Minuten länger und keine Überstunden. Die haben keine nächtlichen Sondereinsätze und verdienen das gleiche Geld wie ein Polizist. Das ist schon sonderbar. Aber so ist es halt.

Ich bin trotzdem dankbar, dass ich so lange bei der Polizei war. Ich bin Beamter, und habe einen sicheren Job. In meinem Umfeld haben viele Bekannte ihren Job verloren. Manche von ihnen waren zu dem Zeitpunkt schon über 50 und haben keine neue Stelle mehr gefunden. Ich musste mir trotz der manchmal schlechten Wirtschaftslage nie Gedanken über so etwas machen. Und der Beruf ist natürlich schon spannender als viele andere. Man lernt Menschen in Extremsituationen kennen und erlebt auch selbst außergewöhnliche Situationen.

Der Christ und die Waffe

ERF: Ist der Beruf für Christen überhaupt geeignet?

Axel Schneider: Viele fragen mich: Wie machst du das als Christ denn mit der Waffe? Sogar ein Polizist aus Frankfurt hat mich das gefragt. Ich habe meine Waffe bis heute nicht benutzen müssen. Gott sein Dank.

ERF: Und was ist, wenn?

Axel Schneider: Die Bibel sagt, dass ich mich der Obrigkeit unterordnen soll. Für mich war das nie eine Frage. Als ich zum Glauben gekommen bin, habe ich gelernt, dass ich mich der Obrigkeit und den Gesetzen im Dienst unterordnen muss. Ich habe erlebt, dass Leute Widerstand leisten und musste sie festhalten oder im Würgegriff haben. Widerstand gegen Polizeivollzug ist heute gang und gäbe, das gehört fast schon zum guten Ton. Ich habe dann immer versucht, das ruhig und besonnen abzuwickeln. Immer in dem Bewusstsein: Ich bin Christ und der andere ist mein Nächster. Aber ich ordne mich der Obrigkeit unter und muss, wenn das Gesetz es verlangt, auch Gewalt anwenden. Ich hatte nie Probleme mit dem Konflikt Christ-Polizist.
 

Erster Teil des Interviews

 

 

 Timo König

Timo König

Ihr Kommentar

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Kommentare (6)

Oury J. /

Ich brauche eure Gebete nicht. Ich will Gerechtigkeit.

Die Redaktion /

Hallo Christian,
niemand stellt in Frage, dass auch Polizisten Fehler machen oder überreagieren. Ob und wie dann Gerechtigkeit geübt wird, ist eine andere Frage. Das obliegt der staatlichen Rechtsprechung. Zudem kennen wir den Fall nicht - daher können wir uns dazu nicht äußern.

Christian B.H. /

was halten Sie davon wenn Polizei in Schwerin 1 Bürger der angeblich reifen zerstochen haben soll
und 8 Polizeibeamte ihn 3 Monate Koma reif schlagen und in nach herein stellt Staatsanwaltschaft das verfahren ein Nach § 120 Stop. Wo ist da Recht?

Christine T. /

Sehr geehrter Herr Schneider.
Ich bin dankbar dass Sie trotz allen Anfeindungen und Gewalttaten die Sie und Ihre Kollegen aushalten müssen Ihren Dienst weiterhin tun.
Bei allem wünsche ich Ihnen weiterhin Gottes Schutz und Segen.
Mit freundlichen Grüßen
Christine T.

Erika H. /

Seit dem ich Christ bin, habe ich auch immer wieder die Polizisten im Blick. Wenn Ich einem Streifenwagen begegne bete Ich meistens fuer diese Beamten. Auch bei dem G20 Gipfel habe ich für die Beamten gebetet,dass der Herr sie schuetzt. Liebe Grüsse Erika H.

Mike M. /

Werter Axel Schneider! Danke für Ihren Dienst! Liebe Grüße Mike M.

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