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© Deborah Pulverich / Lydia Magazin

30.08.2023 / Porträt / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Brot-Glück

Im Brotbacken findet Judith Lehnhardt eine Ausdrucksmöglichkeit für ihre Kreativität. Ein Porträt.

Durch unser Gemeindehaus weht der Duft von frisch gebackenem Brot. Judith Lehnhardt gibt beim Frauentag „Herzenssache“ einen Kurs im Brotbacken. Es ist noch Coronazeit, die Teilnehmerinnen tragen Maske beim Backen. Ich selbst nehme nicht teil, aber ich rieche das warme Brot und sehe später die Brote, die nahrhafte kleine Kunstwerk sind.

Kein Wunder also, dass mir Jahre später direkt Judith in den Sinn kommt, als wir in der Redaktion darüber beraten, jemanden zu interviewen, der Kreativität in einer handwerklichen Tätigkeit auslebt. Mittlerweile ist Judith mit ihrem Kanal bread_spiration eine erfolgreiche Influencerin und gibt regelmäßig Kurse im Brotbacken. Wir verabreden uns zum Gespräch.

Eine neue Leidenschaft

Bild Judith Lehnhardt / Copyright Deborah Pulverich / Lydia Magazin
Judith Lehnhardt ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und  drei Kindern in Wetzlar. Sie ist ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin und seit 2021 als Influencerin mit Bildern ihrer kunstvoll verzierten Brote auf Instagram unterwegs. (Copyright: Deborah Pulverich / Lydia Magazin)

Den Startschuss für Judiths Brotback-Leidenschaft gibt Corona. Hefe ist knapp, also beginnt Judith, mit Sauerteig zu backen. Ihre ersten Backversuche bezeichnet sie selbst als „ein bisschen lustig“. Aber sie bleibt dran. Das rät sie auch anderen Backanfängern. Judith ist nämlich überzeugt: „Wenn man dranbleibt, kann jeder Brot backen.“

Auf Instagram sieht sie in anderen Accounts verzierte Brote und beschließt: „Das will ich auch mal versuchen.“ Judith probiert es aus und entdeckt ein neues Hobby. Eine Möglichkeit, ihre Kreativität auszuleben. Sie liebt die Ästhetik, die schön verziertes Brot hat. Die Erfahrung, sich schon beim Anschauen an ihren Broten erfreuen zu können.

Das Brotbacken eröffnet Judith auch einen neuen Blick auf sich selbst. Schon länger sucht sie in ihrem Leben nach einer Sache, die sie wirklich gut kann. Beim Brotbacken spürt sie plötzlich: Das ist es. Immer wieder ist sie selbst von den Ergebnissen überrascht und der Prozess des Backens an sich bereitet ihr viel Freude. Diese Leidenschaft sprüht aus jedem ihrer Worte.

Brot, das schön aussieht und gut schmeckt

Judith hat aber nicht nur eine Leidenschaft für kunstvoll verziertes Brot, sondern auch für gute Zutaten. Ihr Mehl bezieht sie aus einer Mühle in ihrer Region und sie backt bewusst mit Sauerteig, obwohl mit Hefe gelockertes Brot im Backprozess schneller verarbeitet werden kann. Aber Brot aus Sauerteig ist schmackhafter und gesünder. Warum also sollte sie etwas anderes backen?

Insgesamt ist Judith ganz begeistert vom Prinzip des Sauerteiges. Dieser entsteht allein aus der Mischung von Mehl und Wasser, gepaart mit Wärme und Zeit, und braucht keine andere Backtriebzutaten wie Hefe oder Backpulver. Judiths Augen strahlen, als sie mir erzählt: „Dass man nur aus Mehl und Wasser so etwas erzeugen kann, ist für mich immer wieder ein kleines Wunder.“

Sie rät anderen Backanfängern, sich nicht davon schrecken zu lassen, dass ein Sauerteigbrot in der Herstellung länger braucht. Denn letztlich gibt man nur dem Teig mehr Zeit, die einzelnen Arbeitsschritte bleiben dieselben.

Kreativität hat verschiedene Facetten: Sie ist Gestaltungskraft, Erfindergeist und individuelles Ausdrucksmittel. Anlässlich unseres Schwerpunktthemas „Kreativität“ haben wir mit Menschen gesprochen, die kreativ arbeiten und mit ihnen über Inspiration, Fleißarbeit und Selbstverwirklichung gesprochen.

Diese Wartezeit macht nicht nur das Brot schmackhafter, sie kann auch einen Ruhefaktor ins Leben bringen. Spontan geht da nichts. Denn „ein gutes Brot braucht Zeit“ und nicht immer bekommt man direkt das Ergebnis, was man erwartet.

Backen lehrt Geduld. Diese Erfahrung hat Judith geholfen, auch den normalen Alltag entspannter anzugehen, runterzukommen und den Dingen ihre Zeit zu geben. „Ich kann entspannt bleiben. Irgendwie wird es gut werden.“ Diese Überzeugung hat Judith das Backen gelehrt.

Das Backen hat Judith geholfen, auch den normalen Alltag entspannter anzugehen, runterzukommen und den Dingen ihre Zeit zu geben.

Von jetzt auf gleich zur Brot-fluencerin

Schon sehr früh traut sich Judith ihre eigenen Backkünste mit anderen zu teilen. Anfang 2021 richtet sie dafür den Instagram-Kanal bread_spiration ein, um nicht mehr ihr privates Umfeld mit Brotbildern zu überfluten. Mittlerweile hat sie über 90.000 Follower. Von diesem Erfolg ist Judith selbst überrascht. Sie vermutet, dass es die Einzigartigkeit ihrer Brot-Kreationen ist, die Menschen anzieht.

Dass sie 2022 an dem „GOLDEN WALNUT AWARD“ mitmachen durfte, hat sie überrascht und stolz gemacht. Denn das Backhandwerk hat in Deutschland eine lange Tradition und üblicherweise steht dieser Wettbewerb nur Profi-Bäckern offen, aber als Influencerin darf Judith teilnehmen und belegt sogar den dritten Platz. „Ich muss mich manchmal noch kneifen“, beschreibt sie das Gefühl, was dieser Erfolg in ihr ausgelöst hat.

Ihr nächstes Ziel ist eine Prüfung an der Backakademie in Weinheim abzulegen. Wenn alles klappt, kann sie danach bei der Handwerkskammer die Genehmigung beantragen, selbst Brot zu verkaufen. Das ist ihr als Hobbybäckerin aktuell noch verwehrt.

Doch bei allem ist und bleibt ihr Wunsch mit ihrem Kanal, andere zu inspirieren und anzuleiten. Sie will ihr Wissen weitergeben und liebt es, wenn andere ihr rückmelden, dass sie ihre Rezepte und Gestaltungsideen daheim nachbacken.

Die Backfreude mit anderen teilen

Ihr Wissen teilt Judith mittlerweile auch in regelmäßigen Workshops. Bei ihrem ersten Backkurs auf dem obengenannten Frauentag merkt sie, dass ihr neben dem Backen auch das Anleiten anderer Spaß macht. Also bietet sie weitere Workshops an – online wie offline.

Das Interesse an den Kursen ist groß. Von April bis Juni hat sie in diesem Jahr fast an jedem Wochenende einen Workshop gegeben. Meist in ihrer Backwerkstatt, im Onlinebereich fehlt ihr die direkte Interaktion mit den Teilnehmenden.

Für ihre Kurse muss Judith Lehnhardt bislang keine Werbung machen. Sie finden in kleinen Gruppen aus fünf bis sechs Teilnehmern, meist Frauen, statt. Die Workshops ziehen jung und alt an – vom Teenie bis zur Rentnerin waren schon alle dabei. Die meisten Teilnehmerinnen kommen aus dem Umkreis und haben durch Bekannte von Judith gehört.

Judiths Kurse dauern circa vier Stunden und beinhalten neben dem Backen eine gemeinsame Brotzeit. Für Judith bedeutet das mit Vor- und Nachbereitung drei Tage Arbeit. Aber sie hat Spaß daran. Sie mag es, in den Workshops unterschiedliche Menschen kennenzulernen und nimmt jeden Teilnehmer, wie er ist. Ihr Ziel für ihre Backkurse ist, dass die Teilnehmenden in positiver Atmosphäre etwas lernen. Ab Herbst hat sie wieder freie Termine.

Im Brotbacken die Wunder Gottes entdecken

Judith ist Christin und wir sprechen auch darüber, wie sie vom Glaubensaspekt auf ihre Backtätigkeit blickt. Judith erzählt mir, dass sie Bibelverse zum Thema Brot heute mit anderen Augen liest. Gleichzeitig schwingt in ihren Worten viel Dankbarkeit dafür mit, dass wir von Gott Lebensmittel geschenkt bekommen haben, aus denen wir etwas so Nahrhaftes backen können wie Brot.

Bibelverse zum Thema Brot liest Judith heute mit anderen Augen.

Auch hier kommen wir wieder zu sprechen auf das Wunder Sauerteig. Judiths Augen leuchten, als sie sagt: „Es könnte ja auch sein, dass da nichts entsteht aus Mehl und Wasser. Aber da ist jemand dahinter, der das gemacht hat.“

Auch im Alltag hat das Backen ihren Umgang mit Brot und anderen Lebensmitteln verändert. Sie schätzt Brot nun ganz neu, weil sie weiß, welcher Aufwand dahintersteckt. Von ihrem selbstgebackenen Brot schmeißt sie nichts weg. Das essen sie und ihre Familie bis auf den letzten Krümel auf. Und sie verschenkt ihre Brote gern an andere. Auch das ist ein Ansatz, durch den Judith versucht, mit ihrer Brotleidenschaft auch anderen Gutes zu tun.

Eine Frage hat sich für Judith noch nicht geklärt. „Warum hat Gott mir diese Gabe geschenkt?“ Für mich braucht diese Frage keine Antwort. Sie erklärt sich von selbst, wenn man mit Judith übers Brotbacken spricht.
 

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

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