Heute am 13. September ist der Tag des positiven Denkens. Und vielleicht hat auch dir schon mal jemand den Rat gegeben, positiver zu denken. Eventuell genau in einem Moment, wo es dir so richtig schlecht ging und dir nach allem, nur nicht nach positivem Denken zumute war.
Wenn du aus einem christlichen Umfeld kommst, wurde dies vielleicht noch mit einer hübschen Bibelstelle garniert, etwa mit den Worten aus 1. Thessalonicher 5,18: „Dankt Gott in jeder Lebenslage!“
Doch macht positives Denken wirklich glücklich? Was sagt die Bibel dazu? Und was hat es mit der neuartigen Praxis des Manifestierens auf sich, die seit einiger Zeit auf Instagram und TikTok trendet? Gemeinsam wollen wir einen ausgewogenen Blick auf die Macht positiver Gedanken werfen, aber auch in die Abgründe falscher Erwartungen schauen.
Wann positives Denken uns nützt
Auf den ersten Blick hat positives Denken viel Gutes an sich. Das ist auch wissenschaftlich bewiesen. Eine positive Grundeinstellung kann dir helfen, mit Herausforderungen besser umzugehen, und zieht andere Menschen an. Wir alle mögen lieber Menschen, bei denen das Glas tendenziell halbvoll und nicht halbleer ist. Und auch für dich selbst bedeutet es weniger Stress, wenn du erstmal davon ausgehst, dass die Dinge gut statt schlecht ausgehen.
Wenn du etwa in einen Stau auf dem Weg zur Arbeit gerätst, kannst du dich verrücktmachen oder entspannt abwarten, wie lange es tatsächlich dauert. Meine Erfahrung ist: Oft komme ich schneller an als zunächst befürchtet, bin aber ob der kurzen Verzögerung unverhältnismäßig stark gestresst. In solchen Fällen hilft der positive Gedanke: „Ich kann an der Situation gerade nichts ändern. Vielleicht schaffe ich es trotzdem pünktlich zu sein. Falls nicht, sage ich kurz Bescheid. Die Welt geht deswegen nicht unter.
Grundsätzlich erstmal nicht das Schlimmste anzunehmen und Gutes zu erwarten, kann besonders in Stresssituationen helfen.
Wer glaubt, dass er gute Chancen auf den Job hat, strahlt im Bewerbungsgespräch Selbstvertrauen aus. Und wer bei einer Krankheitsdiagnose Vertrauen in die Behandlung hat, aktiviert die eigenen Selbstheilungskräfte. In all diesen Fällen ist positives Denken also gut und hilfreich für uns.
Die Grenzen des positiven Denkens
Problematisch wird es, wenn ich im Stau stehe und glaube, durch meine positive Einstellung etwas an der Situation vor mir ändern zu können. Oder hat es bei dir schon mal geklappt, dass sich der Stau dank einer positiven Affirmation plötzlich in Luft auflöste? Wenn das bei dir so war: Herzlichen Glückwunsch! Dann verrate mir bitte in den Kommentaren, wie du das erreicht hast. Für alle anderen hier: Solch eine Erwartung ist weder wissenschaftlich noch biblisch gedeckt.
Es ist normal, dass das Leben manchmal richtig bescheiden ist und dann hilft auch alles positive Denken nichts, um an der Situation selbst etwas zu ändern.
Ja, eine positive Grundeinstellung fördert Gutes in deinem Leben, aber nur in einem begrenzten Rahmen. Und vor allem wird Schlechtes nicht durch positives Denken aus deinem Leben verbannt. Dies ist eine irrige und gefährliche Annahme.
Positives Denken verhindert nicht Schmerz und Leid
Deshalb kann das Mantra, man müsse einfach nur positiv denken, dein Leben regelrecht vergiften. Denn wie bitte sollst du dir erklären, wenn trotz allem positiven Denken und vielleicht von geistlicher Seite auch noch Vertrauen in Gott die Dinge trotzdem nicht so laufen, wie sie sollten? Musst du dich dann nicht fragen, ob du selbst daran schuld bist? Ob du einfach nicht das richtige Mindset und nicht positiv genug gedacht, nicht genug vertraut hast?
Ich denke, du merkst durch diesen Umkehrschluss der Aussage „Mein Leben läuft gut, wenn ich positiv denke“, wie fatal solch eine Denkweise ist. Du und ich – wir haben vieles in unserem Leben in der Hand: Mit welcher Einstellung wir Aufgaben und Herausforderungen angehen, wie wir anderen begegnen und wie wir Rückschläge einordnen. In all diesen Bereichen kann eine positive Grundeinstellung entscheidend helfen.
Aber wir haben nicht in der Hand, ob wir krank werden oder andere Menschen uns Schlimmes antun. Selbst für finanzielle Notlagen können wir zwar vorsorgen, das Risiko aber nie ganz minimieren. Genauso ist es in unseren Beziehungen: Wir können unser Bestes geben und sie können trotzdem scheitern oder wir fügen uns gegenseitig tiefe Verletzungen zu.
Enttäuschungen, Rückschläge, Sorgen und Nöte gehören zum Leben dazu. Auch eine noch so positive Grundeinstellung ändert daran nichts.
Positives Denken ist kein Allheilmittel gegen Leid und Schmerz. Das muss uns immer bewusst sein.
Problemfeld Manifestation
Aber genau das soll durch Manifestieren möglich sein und mittlerweile liest man sogar immer öfter von wissenschaftlichen Studien, die eine solche Wirkung angeblich nachweisen. Schauen wir uns das also genauer an. Manifestieren wird je nach Kontext verschieden verstanden: Einige, die von dessen Wirkung schwärmen, greifen auf wissenschaftliche Erklärungen zurück, andere auf ein klar esoterisches Weltbild und wieder andere sehen darin christliche Prinzipien verwirklicht.
Um die Idee des Manifestierens zu verstehen, hilft zunächst ein Blick darauf, wie dieses vonstattengehen soll. Ganz grob gesagt geht es darum, sich eine Sache, die man sich wünscht oder die man erreichen möchte, regelmäßig gedanklich genau und detailreich vorzustellen, also „zu manifestieren“. Dadurch soll der Wunsch tatsächlich in Erfüllung gehen.
Das klingt nicht nur nach magischem Denken, sondern ist es streng genommen auch. Die Sache ist jedoch die: Es funktioniert scheinbar.
Denn einige der Prinzipien des Manifestierens lassen sich wissenschaftlich erklären und belegen, andere dagegen nicht. Was ist also dran an diesem Trend? Und wo irren sich die Lebenshilfe-Gurus?
Unsere Gedanken leiten unser Leben
Eines sei vorweggesagt: Das Gesamtprinzip der Manifestation funktioniert erwiesenermaßen nicht und ist psychologisch und biblisch extrem problematisch. Doch es gibt Teile des Konzepts, die tatsächlich helfen können, Ziele zu erreichen und ein besseres Lebensgefühl zu haben.
Genau das macht Manifestation so anziehend und gefährlich. Denn durch Teilerfolge glauben Menschen, dass Manifestieren wirkt, und verstricken sich immer tiefer in dieses Denken.
Doch zunächst zu den wirksamen Aspekten des Manifestierens: Die Manifestation beruht darauf, dass man sich ein Ziel oder einen Wunsch immer wieder plastisch vor Augen führt. Diese Visualisierung kann tatsächlich dabei helfen, Veränderungen anzugehen. Wenn ich mir täglich vorstelle, wie ich als Schriftstellerin in einem kleinen englischen Cottage lebe, dann werde ich automatisch in meinem Alltag Entscheidungen treffen, die mich diesem Wunsch näherbringen.
Das hat dann nichts mit Esoterik, Wunschdenken oder Manifestation zu tun, sondern ist nur eine logische Folge. Wir orientieren uns instinktiv an dem, womit wir uns fortlaufend beschäftigen. Je klarer meine Vorstellung von meinem Wunsch ist, desto konkreter kann ich daran arbeiten, ihn zu verwirklichen.
Das weiß auch die Bibel. In Sprüche 4,23 steht: „Mehr als auf alles andere achte auf deine Gedanken, denn sie entscheiden über dein Leben.“ Unsere Gedanken haben also tatsächlich eine reale Macht über unser Leben, wie Manifestierer das behaupten.
Wenn unsere Gedanken uns manipulieren
Aber vom Manifestieren allein werde ich auch in fünf Jahren nicht in einem englischen Cottage leben oder einen Bestseller schreiben. Tatsächlich haben Wissenschaftler sogar herausgefunden, dass das Vorstellen unseres Wunschlebens sogar kontraproduktiv zur Zielerreichung sein kann. Nämlich dann, wenn wir uns nur den Idealzustand ausmalen, aber nicht auch den Weg dahin.
Wieso das? Durch das Vorstellen unseres Traumlebens werden bereits Glückshormone ausgeschüttet. Da ich dafür nichts tun, also keine Anstrengungen auf mich nehmen muss, wird so die Manifestation zu einem schönen, aber letztlich folgenlosen Wunschdenken. Sie ist dann ein nettes Gedankenspiel, mit dem ich mir schlicht selbst den Bauch pinsle.
Dies ist allerdings nicht die eigentliche Gefahr des Manifestierens. Tatsächlich können unsere Gedanken uns auch anderweitig in die Irre führen. Denn in meinen Gedanken kann ich mir quasi alles vorstellen, doch nicht alles ist auch in der Realität möglich. Wer trotzdem fest an die Macht seiner Gedanken glaubt, geht eventuell unverhältnismäßige Risiken ein und überschätzt sich selbst maßlos.
Doch irgendwann holt einen die Realität ein und das kann dann ganz schön wehtun. Ein nachhaltig angeknackster Selbstwert und manchmal auch ein Minus auf dem Konto sind die Folgen.
Wie wir unser Leben durch unsere Gedanken wirklich verändern
Daher raten Psychologen und Therapeuten vom Manifestieren ab, gerade bei psychischen Erkrankungen oder in persönlichen Krisen. Statt auf Manifestation setzen sie auf kognitive Umstrukturierung, deren Ziel es ist, negative Gedankenmuster zu erkennen, zu durchbrechen und durch positive zu ersetzen.
Statt durch Manifestation positive Dinge ins Leben zu holen, wird hier der Blick auf Gutes gerichtet, was schon im Leben existiert, und Patienten werden dazu ermutigt, selbst aktiv zu werden, um neue gute Erfahrungen im Gegensatz zu früheren schwierigen Erfahrungen zu machen. So baut sich nach und nach ein neues besseres Selbstwertgefühl auf.
Des Weiteren nehmen Therapeutinnen und Seelsorger zusammen mit Patienten und Ratsuchenden negative Glaubenssätze unter die Lupe und ersetzen diese Stück für Stück durch positive. Wenn dies behutsam angegangen wird und die neuen Glaubenssätze nicht zu weit von der eigenen Selbstwahrnehmung entfernt sind, kann so tatsächlich eine nachhaltige Veränderung erst in den Gedanken der Betroffenen und dann auch in ihrem Leben stattfinden.
Mit Manifestation im eigentlichen Sinne hat dies jedoch nichts zu tun, selbst wenn die Methodik auf den ersten Blick ähnlich erscheinen mag.
Manifestation und Bibel – passt das zusammen?
Und was sagt die Bibel nun zu alldem? Wie können Christen mit Manifestation und der Idee des positiven Denkens umgehen? Die Bibel leugnet nicht die Macht unserer Gedanken. Wie wir leben, hat sehr viel mit dem zu tun, was wir über uns, über Gott und über andere denken. Das macht der bereits zitierte Vers aus Sprüche 4,23 deutlich. Auch alle wissenschaftlichen Erkenntnisse untermauern das.
Doch gleichzeitig fordert die Bibel uns nicht dazu auf, durch positives Denken oder Manifestation gute Dinge in unser Leben zu holen, sondern unser Vertrauen ganz auf Gott zu richten.
Von ihm sollen wir Hilfe erwarten, nicht von unserem Verstand (vgl. Sprüche 3,5) oder unserem Vermögen (vgl. Prediger 5,9) und dann wohl auch nicht von unseren Gedanken, die ich als Erweiterung des Verstandes zählen würde.
Ist Gebet frommes Manifestieren?
Ja, es gibt Bibelverse, die man im Sinne einer frommen Manifestation verstehen könnte, sprich im Sinne einer Gebetsmentalität, bei der ich nur stark genug Gott bitten muss, um dann meinen Wunsch erfüllt zu sehen. Ein Bibelvers, den man hier als Beispiel heranziehen könnte, ist Markus 11,24: „Wenn ihr Gott um irgendetwas bittet, müsst ihr nur darauf vertrauen, dass er eure Bitte schon erfüllt hat, dann wird sie auch erfüllt.“
Gleichzeitig zeigt sich uns in der Beschreibung des Lebens der ersten Jünger, dass dieser Vers anders zu verstehen ist, als wir ihn gerne verstehen würden. Paulus wird nicht von einer ungenannten Krankheit geheilt, obwohl er Gott mehrfach darum bittet (vgl. 2. Korinther 12,7–10) und bei den Missionsreisen passen die Apostel mehrfach ihre eigenen Plänen denen Gottes an (vgl. Apostelgeschichte 16,6). Ganz so einfach funktioniert das mit dem Gebet also nicht.
Genauso wie die Macht unserer Gedanken ihre Grenzen hat und wir dadurch unser Leben eben nicht an allen Stürmen vorbeisteuern können, ist auch Gebet kein Wunschautomat.
Gebet ist gelebte Beziehung zu Gott und keine fromme Manifestation. Wer glaubt, wenn er besonders oft, besonders inbrünstig oder besonders lange betet, würde das eigene Gebet automatisch erhört, irrt ebenso wie jemand, der glaubt, durch die Macht seiner Gedanken einen Stau auflösen zu können.
Aber Gott den eigenen Schmerz mitzuteilen, hinzuhören, was er mir zu sagen hat, und im Vertrauen auf ihn mein Leben mit einer positiven Grundeinstellung zu gestalten, ist etwas, was in jedem Fall mein Leben und meine Gottesbeziehung reich machen wird.
Gottvertrauen als Grundhaltung
Wenn dies meine Haltung ist, kann ich mir auch einzelne Methoden zunutze machen, die zum Spektrum des positiven Denkens oder der Manifestation gehören. Ich kann mir auch als Christin positive Affirmationen – zum Beispiel in Form ermutigender Bibelverse – aufschreiben. Wenn ich täglich am Spiegel lese, dass ich ein geliebtes Kind Gottes bin, wird dies einen positiven Effekt auf mein Leben haben. Genauso, wenn ich mich in finanziellen Notlagen daran erinnere, dass Gott es ist, der mich versorgt.
Doch eines sollte mir bewusst sein: Am Ende machen mich nicht diese positiven Glaubenssätze glücklich, sondern das Wissen, dass ihnen eine tiefe Wahrheit zugrunde liegt: Gott ist wirklich da und er sieht und liebt mich ganz persönlich.
Nicht positives Denken trägt mich durch schwierige Lebenslagen, sondern das Vertrauen in einen Gott, der es allen Umständen zum Trotz gut mit mir meint und mir in jeder Lebenslage – gut oder schlecht – nahe sein möchte.
Kennst du diesen Gott schon? Wenn nicht, möchte ich dich einladen, mir in einem privaten Kommentar zu antworten. Dann schreiben wir dir, was erste Schritte für dich sein können, um Gott besser kennenzulernen.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Das Thema sehr gut auf den Punkt gebracht.