„Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt“ heißt es in einem Lied aus einem alten Film mit Heinz Rühmann. Tatsächlich erzählen viele Filme und Serien von guten Freunden. Darin zeigt sich der Wunsch vieler Menschen, einen oder am besten noch mehrere richtig gute Freunde zu haben.
Doch gute Freunde zu finden und zu behalten ist nicht immer einfach. Obgleich die sozialen Medien es scheinbar so einfach machen, Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, fühlen viele Menschen sich zunehmend einsam.
Franziska Klein ist Freundschaftscoach und Teil einer neuen Podcastreihe zum Thema „Freundschaft“ von ERF Jess und dran NEXT. In ihrem Buch „Freundschaft“ schreibt sie über das Potenzial von guten Freundschaften und darüber, wie man diese aufbauen kann. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie viele gute Freunde sie hat und was für sie eine gute Freundschaft ausmacht.
ERF: Wer ein Buch über Freundschaft schreibt, von dem würde ich erwarten, dass er selbst jede Menge Freunde und Freundinnen hat. Wie viele Freunde hast du?
Franziska Klein: Ich würde sagen, ich habe zehn enge Freunde. Dazu vielleicht noch 23 Menschen, die an meinem Alltag enger dran sind. Und dann habe ich einen großen Kreis von Menschen, die ich von meinen zwei Studienzeiten, aus der Heimat und Auslandsaufenthalten näher kenne. Die bilden noch so einen Körper von weiteren 20 bis maximal 30 Leuten.
Dann gibt es viele Freunde, die über eine gewisse Lebenszeit oder Lebensphase mit dabei waren. Es gibt da diese berühmte Zahl, die besagt, dass man maximal 150 soziale Kontakte in seinem Leben haben kann. Ich würde sagen, da komme ich sicher hin, aber da ist auch schon ein Teil der Verwandtschaft mit einberechnet. Diese sozialen Kontakte sind unterschiedlich dicht an mir dran.
Der engste Kreis
ERF: In deinem Buch schreibst du von konzentrischen Kreisen, bei denen es darum geht, wie eng eine Freundschaft ist. Kannst du das ein bisschen genauer erläutern?
Franziska Klein: Die konzentrischen Kreise sollen dabei helfen, zu visualisieren, was man empfindet. Es gibt eine Handvoll Menschen, die ganz nah an einem dran sind. Im Zentrum dieses Kreises ist die Person, die dein Notfallkontakt ist. Wer sind die Menschen, die du anrufst, wenn wirklich etwas Schlimmes passiert, ausgenommen des eigenen Partners?
Man kann die Kreise dann ausweiten hin zu Menschen, die einem nahestehen, aber nicht alles mitkriegen. Das sind Menschen, zu denen man punktuelle Freundschaften hat. Hier kann man die Frage stellen: Warum sind die da? Stehen sie mir wirklich so nah oder wünsche ich mir nur, dass sie mir so nahe sind, und in der Realität spiegelt sich das gar nicht wider?
Wenn einem klar ist, welche Freundschaften man hat, kann man darüber ins Gespräch kommen, wie man Freundschaften lebt und wie sie sich verändert haben. Vielleicht stehen auch Veränderungen an.
Mir hat es geholfen, das zu visualisieren, weil ich irgendwann das Gefühl hatte, genug Freunde zu haben. Das klingt ein bisschen albern. Es kann aber sein, dass man an Beziehungen gesättigt ist, an einen neuen Ort kommt und Menschen trifft, die potenziell neue Freunde werden können. Hier stellt sich dann die Frage, ob alle Freundschaften weitergeführt werden und ob es Kapazitäten für neue Freundschaften gibt.
Bedürfnisse aussprechen, Großzügigkeit üben, das Beste unterstellen
ERF: Was macht für dich eine gute Freundschaft aus?
Franziska Klein: Was ich in Freundschaften sehr schätzen gelernt habe, ist einfach sein zu können, ohne etwas Bestimmtes tun zu müssen, also eine gewisse Freiheit zu haben, sich einfach bei der anderen Person wohlzufühlen und fallen lassen zu können. Mich dem anderen mit meinen Bedürfnissen anvertrauen und zumuten zu können.
Eine Zeit lang fiel es mir sehr schwer, in Freundschaften zu sagen, was ich brauche. Mir fiel es sehr viel leichter, wenn andere ihre Bedürfnisse äußerten und ich darauf eingehen konnte.
Auch Großzügigkeit halte ich für ein wichtiges Thema. In erster Linie meine ich das nicht finanziell, sondern es geht mir darum, großzügig zu sein mit Zuneigung und Vergebung. Und auch sich selbst das zuzumuten, was der andere mitbringt. Es geht darum, dem anderen Raum zu geben.
Spontan kommt mir noch ein Drittes in den Sinn: dem anderen immer Gutes unterstellen. Ich erlebe sehr häufig, dass viele Gefühle und Konflikte – auch in meinen Freundschaften – darauf aufbauen, dass ich dem anderen irgendwas unterstelle oder annehme, warum eine Person etwas macht oder nicht macht.
Ich merke, dass es mich selbst, aber auch unsere Freundschaft befreit, wenn ich dem anderen erstmal eine gute Motivation, ein gutes Anliegen und gute Gedanken mir gegenüber unterstelle.
„Meine Freunde unterscheiden sich sehr voneinander“
ERF: Dein Konzept von Freundschaft ist, dass die Beziehung zu Gott die erste und grundlegendste Freundschaft eines Menschen ist. Wie kann man mit Gott befreundet sein?
Franziska Klein: Das Thema Gottesfreundschaft ist kein neues, obwohl es in unserem Sprachgebrauch und auch in meiner Frömmigkeit lange keine Rolle gespielt hat. Aber wenn man in die Kirchengeschichte blickt, entdeckt man Menschen wie zum Beispiel Theresa von Avila, die die Gottesbeziehung als das Verweilen bei einem Freund bezeichnet haben.
Bei der Freundschaft mit Gott geht es auch wieder darum: Ich bin einfach da und muss manchmal vielleicht gar nicht viel sagen und werde trotzdem verstanden. Das ist eine ganz tiefe Ebene der Gottesbeziehung und auch meines persönlichen Glaubens an Gott.
ERF: Es gibt ja diesen Spruch „Gleich und gleich gesellt sich gern“. Das impliziert: Menschen werden zu Freunden, weil sie die gleichen Hobbys haben, die gleichen Überzeugungen teilen und sich generell in vielen Dingen ähneln. Deinem Buch entnehme ich, dass du sehr viele unterschiedliche Freunde hast. Wie kommt das?
Franziska Klein: Ich war schon an verschiedenen Stationen im Leben und habe einen siebenbürgisch-sächsisch, also rumänisch-deutschen Hintergrund. Dadurch bin ich in einer gewissen Subkultur groß geworden.
Ich habe zwei unterschiedliche Fächer studiert und auch da sehr verschiedene Menschen kennengelernt. Ich kenne Sprachwissenschaftler vom Englischstudium und habe jetzt auch Theologenfreunde. Dann kommen noch Freunde von früher dazu. Diese Menschen unterscheiden sich natürlich alle sehr voneinander.
Freundschaft macht das Leben bunt und reich
ERF: Du bist auch im Ausland gewesen. Hast du auch noch Freundinnen und Freunde aus anderen Ländern?
Franziska Klein: Ja, pro Kontext sind immer ein paar Leute geblieben. Durch diese unterschiedlichen Freundschaften habe ich auch mich selbst als vielfältiger erlebt. Das hat verschiedene Seiten in mir zum Vorschein gebracht.
Meine unterschiedlichen Freunde sind auch jeweils mit anderen Orten, anderen Themen und Bereiche verbunden. Nicht alle meine Freundschaften decken das Gleiche ab und ich glaube, es wäre eine Überfrachtung, von einer Person zu erwarten, dass ich mit ihr alles besprechen und alle Themen bewegen kann, die mich ausmachen.
Ich erlebe meine verschiedenen Freunde als unglaublichen Reichtum und eine große Horizonterweiterung.
Ich habe auch ein paar Freundschaftswunder erlebt, wo ich Menschen begegnet bin, die irgendwie gar nichts mit meiner Lebenswirklichkeit zu tun hatten, dann aber überraschend in mein Leben traten und mir Themen und Erfahrungen aufgezeigt haben, die mir fremd waren.
ERF: Magst du dazu ein konkretes Beispiel erzählen?
Franziska Klein: Da fällt mir direkt das Thema Umgang mit Rassismus ein. Eine gute Freundin von mir ist schwarz und hat mich dafür sensibilisiert, wie sie das Leben in Frankfurt erlebt und welche unterschiedlichen Erfahrungen sie aufgrund ihrer Hautfarbe dort macht. Das hat mir eine Perspektive eröffnet, die ich als weiße Frau nicht habe.
Ich denke aber auch an eine Freundin, die blind ist und der ich in meiner Studienzeit in Heidelberg begegnet bin. Sie erlebt die Welt ganz anders und hat eine andere Sicht auf Menschen, auf Gott und auf mich. Ich erkenne durch sie, wie stark wir durch unser Sehen beeinflusst werden.
Ich hatte lange Probleme mit meinem Aussehen. Mit ihr hatte ich eine Freundin, die gar nicht weiß, wie ich aussehe. Da es für sie keine Rolle spielt, hat das auch etwas bei mir verändert. Auch die Art und Weise, wie sie als blinde Frau ihr Leben lebt und ihr Studium gemeistert hat, hat unsere Freundschaft geprägt.
Diese Geschichten machen mein Leben so bunt, reich und schön und zeigen mir die Welt und auch Gott ganz neu.
Kollisionen gehören dazu
ERF: Freundschaft ist nicht nur heile Welt, in Freundschaften gibt es auch Probleme, Konflikte, Krisen und manchmal Brüche. Du sprichst in deinem Buch von Kollisionen. Welche Kollisionen sind in deinen Freundschaften schon aufgetaucht?
Franziska Klein: Ich wollte das Kapitel im Buch bewusst Kollision nennen und nicht Konflikte, weil ich den Eindruck habe, dass man bei einem Konflikt sofort an Streit denkt. Wir kollidieren mit anderen, einfach weil wir Menschen sind, weil wir unterschiedliche Bedürfnisse haben. Das ist nichts Schlechtes, sondern es zeigt uns auf, wer wir sind und wer die andere Person ist.
Kollisionen haben immer das Potenzial, dass ich etwas über den anderen lerne, und das ist etwas sehr Positives, aber Freundschaften sind eben auch nicht nur heile Welt.
Ich habe den Untertitel „schön, schmerzhaft, lebenswichtig“ bewusst ausgewählt, weil sich Schmerz in unseren Beziehungen – gerade da, wo sie eng werden – nicht vermeiden lässt. Das hat verschiedene Stufen.
Ich beginne das Kapitel zum Thema Kollision selbstironisch damit, was für eine nervige Beifahrerin ich bin, weil ich kommentiere, wenn Leute zu schnell fahren oder wenn jemand zu nah auffährt oder zu spät bremst. Mich stresst das richtig. Bei manchen Leuten reiße ich mich zusammen, aber bei Freunden meistens nicht. Ich sage dann: „Hey, du kannst langsamer fahren“ oder „Ich glaube, hier ist eine Geschwindigkeitsbegrenzung“.
Viele Kollisionen in meinem Leben ergeben sich aus solchen besserwisserischen Kommentaren meinerseits. Es offenbart etwas über mich, aber auch über meine Freunde, wie die reagieren. Das ist eine witzige, leichte Sache. In manchen Bereichen sind wir unterschiedlich und da kollidieren wir eben.
Es gibt natürlich auch echte Enttäuschungen. Da, wo wir verletzt haben, verletzt wurden oder weiter verletzt werden und unsere Erwartungen einfach nicht zusammenkommen. Wir waren ganz vertraut miteinander und dann kommt ein Partner dazu. Plötzlich wird man vom anderen vergessen.
Ich habe erlebt, dass sich Freunde nicht mehr gemeldet haben, sobald sie einen Partner hatten. Ich habe auch erlebt, dass Freunde plötzlich nicht mehr mit mir befreundet sein wollten. Das ist verletzend.
Konflikte wertschätzend ansprechen
ERF: Wie geht man mit solchen Kollisionen um? Wie schaffst du es, dass aus einer Kollision kein richtiger Konflikt wird und es früher oder später zur Trennung kommt?
Franziska Klein: Ich habe es nicht immer geschafft. Ich habe auch erlebt, dass Freundschaften an Konflikten zerbrochen sind. Mein Eindruck ist, das geschieht, weil wir oft nicht gelernt haben, an Konflikten zu arbeiten. Viele Freundschaften zerbrechen bereits an ersten Konflikten oder an den ersten tiefergehenden Konflikten.
Ich musste in den letzten Jahren lernen: Wenn ich die Freundschaften behalten will, die ich habe, dann muss ich mich in Konflikten äußern, aber so, dass ich dem anderen zeige: Mir liegt an unserer Freundschaft.
Ich glaube, es gibt eine Art, wie ich so über Konflikte reden kann, dass die andere Person sich nicht direkt angegriffen, sondern sogar wertgeschätzt fühlt.
Ich hatte eine Freundin, die hat das mir gegenüber sehr gut gemacht und von ihr durfte ich einiges lernen. Sie hat mal gesagt: „Franzi, mir ist etwas an dir aufgefallen. Ich würde dir gern etwas zurückmelden. Wäre jetzt eine gute Zeit oder lieber wann anders?“ Dieser Satz schafft ganz viel Raum. Ich kann sagen: „Hey, cool, gerade nicht, aber gerne wann anders“ oder „Oh, das ist interessant, ich würde es gerne jetzt hören“.
Solch ein Einstieg gibt mir Raum. Ich werde nicht überfahren, sondern ich kann entscheiden, wie ich darauf reagieren will. Das habe ich von ihr gelernt und habe selbst ausprobiert, Konflikte auf eine Art anzusprechen, die dem anderen die Möglichkeit der Wahl lässt.
Oft hilft es auch, noch mal einen Schritt zurückzumachen und sich zunächst einmal bewusst zu machen, dass einen etwas stört und was es ist. Kollisionen hängen auch von Stimmungsfaktoren ab und sind sehr unbewusst. Oft verdrängt oder übergeht man sie so lange, bis es einen so sehr nervt, dass man nur noch denkt: Ich habe keinen Bock mehr auf die Person.
Man könnte aber auch früher ansetzen. Wenn ich merke: „Irgendwas war unstimmig an unserem Gespräch, kann ich dieses Gefühl erstmal sacken lassen. Ich kann einfach kurz für mich feststellen, dass es mich gestört oder verletzt hat. Das ist auch ein Lernfeld. Und dann schaue ich: Geht es mir nach? Nach einer guten Nacht Schlaf sieht die Welt am nächsten Tag oft schon anders aus. Ich glaube daher: Gute Freundschaften können sehr viele Kränkungen wegstecken.
ERF: Warum lohnt es sich, Freunde zu haben, Freunde zu gewinnen und Freunde zu behalten?
Franziska Klein: Meine Freunde sind mein Dorf. Sie spiegeln mich auf eine Art und Weise wider, wie ich mich selbst nicht verstehen und sehen kann.
Ich sehe zurück auf die letzten Jahre und blicke nach vorne und möchte, dass meine Freunde als Weggefährten und Weggefährtinnen dabeibleiben.
Ich weiß, ich werde sie brauchen in der Erinnerung daran, wer ich in dieser Welt bin und auch wer Gott ist. Dazu sind Freunde lebenswichtig.
ERF: Vielen Dank für das Interview!
Dieses Interview ist Teil eines längeren Radiointerviews. Hier das ganze Interview „Eine Hymne auf die Freundschaft“ anhören.
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Ihr Kommentar
Kommentare (1)
Hallo Frau Franzi,
Vielen Dank für dir netten Einblicke über Freundschaften.
Ich muss leider sagen mir gelingt es nicht. Mir hat ein langjähriger Freund 11 Jahre ging diese Freundschaft, seine … mehrFreundschaft zu mir über WhatsApp gekündigt. Nur weil ich derzeit in einer Krise stecke( Arbeit verloren) konnte oder wollte er mir da nicht beistehen. Mich hat das sehr verletzt und traurig gemacht ,das man einen Menschen einfach wie müll entsorgt. Ich muss dazu sagen dieser Mensch lebte nicht im Glauben zu Jesus, er hatte sich negativ verändert wo ich meine Weiterbildung zur Heilerziehungspflegerin begonnen habe und diese mit Erfolg beenden durfte. Day zeigt mir leider mal wieder sehr deutlich das ich kaum oder gar nicht Menschen vertrauen sollte. Das steht ja auch irgendwie in der Bibel. Baue nicht auf Menschen, diese werden dich verletzen. Baue aufxdem Herrn Jesus ,er sorgt für dich und steht dir bei.
Ich muss sagen das sehe ich leider auch so das auf Menschen wenig verlass ist, wenn man funktioniert und alles schick ist in einer Freundschaft dann ist das kein problem. Aber wehe das gegenüber, wie in meinem Fall ich i eine Krise kommr und nur diesen Freund zum zuhören gebraucht hätte und dieser schmeißt einen Weg das tut weh.
Deshalb mache ich das wie in der Bibel geschrieben. Werde ich in Zukunft nur noch auf Jesus bauen.
Menschen sind dies in meinen Augen nicht wrd das man Do viel investiert
Für mich ist eigentlich Freundschaft ein gegenseitiges unterstützen