Stress gehört zum Leben dazu. Wenigstens zu meinem: Ich genieße es regelrecht, wenn mein Terminkalender gut gefüllt und meine To-Do-Liste lang ist. Wie schon der Stressforscher Hans Selye meinte: „Stress ist die Würze des Lebens.“
Doch was, wenn die To-Do-Liste sich nicht nur lang, sondern unendlich anfühlt? Und der Kalender gar nicht so viele Stunden hergibt, damit ich all diese Aufgaben schaffen kann? Plötzlich kippt bei mir die Gefühlslage von einem angenehmen „gut beschäftigt sein“ zu einem Gefühl der Überforderung.
Burnout ist wie Radioaktivität

Wenn diese Überforderung über einen längeren Zeitraum anhält, kann Stress krank machen. So beobachtet es Burnout-Präventions-Coach Stephan Menzel. Er vergleicht einen Burnout mit Radioaktivität: „Man sieht es nicht, man hört es nicht, und wenn man es merkt, ist es meistens zu spät.“
Als Burnout bezeichnen Psychologen und Ärzte einen Zustand tiefer körperlicher und emotionaler Erschöpfung, der über einen langen Zeitraum anhält. Auch wenn ein Burnout oft als berufsbezogene Krankheit wahrgenommen wird, liegen seine Ursachen nicht unbedingt im Arbeitsumfeld, sondern häufig in psychische Stressoren wie unbewältigten Konflikten, Trauer oder auch traumatischen Erfahrungen.
Das Tückische daran ist, dass Betroffene oft viel zu spät merken, dass ihre Kraftreserven aufgebraucht sind. Dabei zeigen sich schon früh erste Warnhinweise. Werden diese erkannt, können Betroffene einen Burnout im besten Fall verhindern.
Die 12 Stadien eines Burnouts
Woher kommt eigentlich der Begriff Burnout und wie gut ist das Problem erforscht? Der Psychologe Herbert Freudenberger hat 1974 erstmals das Wort Burnout-Syndrom verwendet. Gemeinsam mit der Journalistin Gail North hat er zwölf Phasen beschrieben, die viele Betroffene auf dem Weg zum Burnout durchlaufen.1 Die zwölf Stadien sind folgende:
- Der Zwang, sich zu beweisen
- verstärkter Einsatz
- subtile Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
- Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
- Umdeutung von Werten
- verstärkte Verleugnung aufgetretener Probleme
- Rückzug
- beobachtbare Verhaltensänderung
- Depersonalisation / Verlust des Persönlichkeitsgefühls
- inne Leere
- Depression
- völlige Burnout-Erschöpfung
Dauerstress als „neues Normal“
Was sich als regelrechtes Gruselkabinett des Zusammenbruchs liest, ist den Betroffenen oft kaum bewusst oder der Stress wird zumindest nicht als Problem gesehen – so die Beobachtung von Coach Stephan Menzel. Der Dauerstress wird für sie zum „neuen Normal“.
Am Anfang begegnen viele dem Gefühl der Überforderung mit noch mehr Einsatz: Als Betroffener biete ich immer größere Kraftanstrengungen auf, um den Anforderungen, die an mich herangetragen werden oder die ich an mich selbst stelle, gerecht zu werden. Bereitwillig opfere ich dafür Schlaf, Zeit fürs Essen oder Beziehungen.
Innezuhalten wird mehr und mehr als Gefahr gesehen, denn Betroffene spüren, dass sie dann vielleicht keine Kraft mehr haben, in den Stress-Kreislauf wieder einzusteigen.
Konflikte häufen sich, Hobbies verlieren an Bedeutung
Bleiben die Probleme trotz allem Einsatz bestehen, schlittern Betroffene eventuell in die nächste Phase. Nun leidet vor allem der Kontakt zu den Mitmenschen, denn wer unter andauerndem Druck steht, wird ungeduldig und reizbar. Der Ton wird schärfer, besonders gegenüber Menschen, die mir nahestehen.
Ein weiteres Warnsignal: Dinge, die mir bisher wichtig waren, verlieren an Bedeutung.
Das kann Zeit in der Natur sein oder ein gemütliches Zuhause. Stattdessen nehmen die ungelösten Aufgaben und Anforderungen einen immer größeren Raum in meinen Gedanken ein.
Übrigens erkranken nicht nur Berufstätige an einem Burnout. Auch pflegende Angehörige sind im besonderen Maß gefährdet.2 Schließlich ist ihre Aufgabe anspruchsvoll, zeitintensiv und meistens emotional belastend. Dazu kommen oft finanzielle Sorgen, wenig Anerkennung und der Druck, möglichst keine Fehler zu machen. Das ist eine explosive Mischung für die Psyche!
Auf Warnsignale aus dem Umfeld hören
In Beratungsgesprächen stellt Stephan Menzel immer wieder fest, dass Angehörige, Kollegen und Freunde lange vor den Betroffenen bemerken, dass diese sich auf dem Weg in einen Burnout befinden.
Schließlich gehört es zum Krankheitsbild dazu, dass Menschen sich weniger Auszeiten gönnen. So kommt die Seele nicht zur Ruhe und der Betroffene merkt oft gar nicht, wie schlecht es ihr oder ihm eigentlich geht.
Wer es allerdings bemerkt, sind die Menschen im eigenen Umfeld: Sie leiden unter der Gereiztheit oder dem Rückzug des Betroffenen, kassieren Absagen oder wundern sich, warum jemand immer mehr Flüchtigkeitsfehler macht. Spätestens jetzt häufen sich die Hinweise, dass jemand Burnout-gefährdet ist.
Wer zu diesem Zeitpunkt auf Impulse von außen hört, kann durchaus die Kehrtwende schaffen. Denn ein Burnout ist kein unabwendbares Schicksal!
Nur braucht es dafür die Einsicht, dass ich mein Leben doch nicht so gut im Griff habe, wie ich es von mir erwarte.
Reflexion kann einen Burnout verhindern
Stephan Menzel hat selbst einen Burnout erlebt. Im Rückblick auf seine eigene Biografie konnte er beobachten, wie er Phase um Phase auf die totale Erschöpfung zugeschlittert ist, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Heute sagt er dazu: „Betroffene merken oft erst ab dem Stadium von 9 oder 10, dass irgendwas nicht mehr stimmt. Das ist schon sehr, sehr spät und für manche zu spät, um zurückzukehren. Bei mir hat die Erschöpfung sieben Monate angedauert und ich musste mich mühsam zurückkämpfen, um wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren.
Es ist ein sehr mühsamer, beschwerlicher Weg und er ist nicht nur für die betreffende Person leidvoll, sondern auch für das Umfeld ist ein Burnout ein sehr leidvoller Zustand.“
Deswegen macht Stephan Menzel mittlerweile anderen Mut, sich dem Thema zu stellen und vor allem Signale aus dem Umfeld wahrzunehmen. Ein allererster Schritt zu mehr mentaler Gesundheit kann Reflexion sein. Der Begriff kommt ursprünglich aus der Physik und meint, dass etwas zurückgeworfen wird – wie ein Licht, das auf einen Spiegel fällt und dann zurück-reflektiert.
Ich bitte also bei der Reflexion einen vertrauten Menschen darum, mein Spiegel zu sein. Ich bitte ihn, mir offen zu erzählen, wie mein Verhalten gerade auf ihn oder sie wirkt.
Hat sich etwas zu früheren Zeiten geändert? Bin ich kürzer angebunden oder schneller genervt? Wirke ich öfters geistig abwesend und weniger interessiert?
Wenn sich solche Verhaltensweisen häufen, lohnt es sich, mein Stresslevel genauer unter die Lupe zu nehmen und zu überlegen, warum ich gerade unter Druck stehe.
Die Sorgen wegwerfen – auf Jesus
Stress ist die Würze des Lebens – keine Frage. Aber versalzen soll mir der Stress ja die sprichwörtliche Suppe nicht. Daher ist es sinnvoll, immer mal wieder genau hinzuschauen, ob die Dosis noch stimmt.
Stephan Menzels persönliche Kraftreserve, um in stressigen Zeiten gesund zu bleiben, ist unter anderem das Gebet. Er sagt dazu:
„In der Bibel schreibt einer der Autoren Folgendes: „Alle Sorge werft auf ihn, Jesus, er sorgt für euch.“ Das ist für mich eine total tröstliche Zusage. Egal, was uns umgibt, wir können Jesus unsere Sorgen und Nöte bringen. Dieser Vers ist für mich auch ein Beweis dafür, dass das Thema Sorgen kein Phänomen der heutigen Zeit ist, sondern das war schon vor 2 000 Jahren so.
Damals hatten die Menschen andere Nöte und Herausforderungen, aber sie haben sich auch Sorgen gemacht. Und Jesus sagt zu ihnen – und zu uns heute: Alle, die ihr kraftlos und müde geworden seid, die ihr euch sorgt, kommt zu mir und ladet es bei mir ab.“
Wie erlebst du gerade das Stresslevel in deinem Leben? Empfindest du Stress eher als „Würze des Lebens“ oder ist deine Lebenssuppe schon versalzen?
Es lohnt sich auf jeden Fall, bewusst innezuhalten und das eigene Stresslevel einmal zu reflektieren – bevor die ersten Schritte Richtung Burnout eingeschlagen sind.
1 Herbert Freudenberger & GailNorth: Burn-out bei Frauen – Über das Gefühl des Ausgebranntseins (2. Aufl.), Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 1922.
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