04.11.2025 / Serviceartikel
6 Denkfallen im Alltag
Wie du ungünstige Denkmuster erkennst und was du dagegen tun kannst.
Stehst du dir manchmal selbst im Weg? Stößt du immer wieder auf dieselben Schwierigkeiten und wunderst dich, warum sich gewisse Knoten in deinem Leben einfach nicht lösen wollen? Dann hängt das möglicherweise mit der Art und Weise zusammen, wie du denkst.
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere – und so gewöhnen wir uns an, in bestimmten Bahnen zu denken, die von unseren Erfahrungen und Grundannahmen geprägt sind.
Grundannahmen sind oft unbewusste Glaubenssätze, die wir im Laufe unseres Lebens über uns selbst zu denken gelernt haben. Diese können positiv oder negativ sein und bestimmen unsere Sicht auf uns selbst und unser Handeln.
Solche Sätze können sein: „Ich bin sehr gewissenhaft“, „Ich muss es immer allen recht machen“ oder „Ich darf nicht versagen“. Oft setzen uns unsere Grundannahmen unter Druck und zementieren ein negatives Selbstbild.
6 ungünstige Denkstile
Ähnlich wie diese Grundannahmen gibt es auch verschiedene Denkstile, die uns unbewusst prägen. Auch sie können dazu beitragen, dass wir immer wieder auf dieselben Schwierigkeiten im Alltag stoßen.
Doch es gibt auch Unterschiede. Während eine Grundannahme prägt, was wir von uns selbst denken, handelt es sich bei einem Denkstil um die Art und Weise, wie wir denken: Er ist wie eine Gedankenautobahn, die uns auf schnellstem Wege zu unseren negativen Grundannahmen transportiert.
Das heißt: Selbst wenn du deine negativen Glaubenssätze erkannt hast, führt dich ein ungünstiger Denkstil trotzdem immer wieder zu ihnen zurück.
In diesem Artikel möchte ich dir 6 Denkstile vorstellen, die dir das Leben schwermachen können. In welchem der folgenden Stile findest du dich wieder?
1. Schwarz-Weiß-Denken
Dieser Denkstil ist leicht zu erkennen, denn typisch für ihn sind Wörter wie immer, nie, ständig, alle, jeder, nur, keiner, absolut, niemand. Wenn du zu diesem Denkstil neigst, urteilst du vermehrt entweder positiv oder negativ über eine Sache oder Situation und setzt diese Annahmen dann absolut. Typische Sätze sind:
„Keiner mag mich!“
„Immer habe ich Pech!“
„Nie mache ich etwas richtig!“
„Ständig nörgelt sie an mir herum!“
„Das schaffe ich nie!“
„Alle halten mich für inkompetent!“
„Niemand hat Zeit für mich.“
Die meisten dieser Sätze halten einem Realitätscheck nicht stand. Niemand hat immer Pech und ob du die Aufgabe tatsächlich nie oder eben jetzt noch nicht schaffst, ist ein bedeutsamer Unterschied.
Bei diesem Denkstil gehen die gesunden Zwischentöne verloren. Wenn du dich hierbei erwischst, kannst du lernen, weitere Schattierungen zu entdecken und auf diese Weise neue, korrigierende Erfahrungen zu machen.
Am besten kommst du dir dabei selbst auf die Schliche, wenn du hellhörig wirst, sobald du einen der obengenannten Begriffe nennst.
Trifft er tatsächlich zu oder vielleicht doch nicht? Gibt es andere sprachliche Schattierungen, die vielleicht besser passen? Zum Beispiel: „Nicht jeder muss mich mögen.“ Oder statt „Nie mache ich etwas richtig“: „Gelegentlich mache ich etwas falsch?“
Besonders problematisch ist es übrigens, wenn sich dieser Denkstil auch in deiner Sprache wiederfindet. Gerade Anklagen mit immer oder nie sind ein Brandbeschleuniger in jedem Streit. Schon deshalb lohnt es sich, sich von ihnen zu verabschieden.
2. Generalisieren
Dem Schwarz-Weiß-Denken sehr ähnlich ist das Generalisieren. Hier schließt du von einem isolierten Ereignis auf das große Ganze:
Dein Mathelehrer hat dich vor der ganzen Klasse bloßgestellt? – Du kannst kein Mathe! Oder: Alle Lehrer sind gemein!
Deine Eltern haben sich früh scheiden lassen? – Beziehungen halten sowieso nicht!
Du bist bei einem Vortrag ins Stottern geraten und rot geworden? – Das wird dir immer wieder passieren!
Beim Generalisieren vergessen wir schnell, dass wir nicht mehr dieselben Menschen sind wie damals. Oft greift unser Denken hier auf ein Ereignis aus unserer Kindheit oder Jugend zurück, aber als Erwachsene haben wir mittlerweile ganz andere Fähigkeiten und Ressourcen zur Verfügung. Doch diese übersehen wir, sobald wir generalisieren.
Wenn du zum Generalisieren neigst, stell deine Annahmen gerne mit dem gereiften Blick eines Erwachsenen auf den Prüfstand und frage dich: Ist das wirklich so?
Lass dich auf Fakten ein und gleiche deine verallgemeinernde Annahme mit deiner heutigen Realität ab.
3. Vermeiden
Beim Vermeiden denkst du unangenehme Gedanken nicht zu Ende, sondern springst lieber zum nächsten Gedanken. Damit nimmst du dir die Möglichkeit, eine Lösung für dein Problem zu finden.
Ein typisches Symptom dieses Denkstils ist das Grübeln, obwohl dies erstmal widersinnig erscheint. Denn durch das unermüdliche Gedankenwälzen hinderst du dich daran, die dahinterliegende unangenehme Emotion zu fühlen. Es ist ein Ablenkungsmanöver, das dich gedanklich in Bewegung hält, aber der Problemlösung nicht näherbringt.
Eventuell hältst du dich auch anderweitig geistig beschäftigt, etwa durch übermäßigen Medienkonsum, Workaholismus oder dem Grübeln über unwichtigere Nebenthemen. Kurzfristig führt das Vermeiden zu einem Belohnungseffekt. Langfristig aber verstärkt es die Angst vor dem, wovor du dich drückst.
Gehörst du zu den Grüblern? Dann frage dich, was du damit zu vermeiden versuchst.
4. Vorschnelles Urteilen
Du glaubst, genau zu wissen, was andere (über dich) denken, und packst sie gedanklich schnell in eine Schublade. Vielleicht hast du tatsächlich ein Gespür für die Stimmungen anderer, aber statt deine nebulösen Ahnungen mit Fakten zu untermauern, fantasierst du dir zusammen, was der andere denkt und wie er in einer bestimmten Situation reagieren wird.
Dabei entsteht eine Art Pippi-Langstrumpf-Denken in Form von Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.
Wenn du in diesen Denkstil verfällst, verlierst du im schlimmsten Fall den Sinn für das Zwischenmenschliche. Aus Angst, Fragen oder Probleme anzusprechen, werden aus kleinen Missverständnissen schnell größere. Oder du spielst in Gedanken immer wieder durch, wie andere möglicherweise denken oder reagieren könnten, und raubst dir damit Energie.
Fakt ist: Du kannst nicht wissen, was der andere wirklich denkt. Deshalb ist es wichtig, dir nicht vorschnell eine Meinung oder gar ein Urteil zu bilden. Besser ist es, offen nachzufragen, besonders wenn du Missstimmung zu spüren meinst, statt eine Deutung in Gedanken vorwegzunehmen.
5. Katastrophisieren
Du denkst automatisch an den schlimmstmöglichen Ausgang einer Situation und gerätst dadurch in einen Alarmmodus:
Dein Kind verspätet sich auf dem Heimweg von der Schule? – Ihm ist etwas Schlimmes zugestoßen!
Du spürst ein plötzliches Herzklopfen? – Das ist bestimmt ein Herzinfarkt!
Das Geld hat diesen Monat mal nicht gereicht? – Du wirst in Armut verfallen!
Wenn du so denkst, leidest du vermutlich unter Katastrophisieren. Dieser Denkstil verursacht bei Betroffenen oft massiven Stress, der sich auch körperlich zeigen kann, denn er geht mit großer Angst und Hilflosigkeit einher. Doch tatsächlich handelt es sich bei all diesen Angstszenarien erst einmal nur um Gedanken. Nichts davon ist in diesem Augenblick real.
Gewiss, Katastrophen passieren, aber zum Glück nur äußerst selten. Hinzu kommt: Du kannst nicht wissen, wie du in einer solchen Situation tatsächlich reagieren würdest und welche Ressourcen dir dann zur Verfügung stehen.
Das Unglück durch Katastrophisieren vorwegzunehmen, bewahrt dich also nicht vor Kummer oder Schmerz, sondern du versetzt deinen Körper und deine Seele nur unnötig in Alarmbereitschaft.
Katastropisieren ist übrigens eine häufige Begleiterscheinung von Angststörungen. Wenn du also merkst, dass du dazu neigst, kann es sinnvoll sein, dich mit dieser Thematik mal auseinanderzusetzen. Denn einmal angegangen sind Angststörungen therapeutisch gut behandelbar.
6. Übermäßige Selbstkritik
Viele Menschen sind ausgesprochen harsch zu sich selbst. Sie werten sich ab und glauben, sie seien kleiner, dümmer, inkompetenter und weniger beliebt als die anderen. Sie denken und sagen Dinge über sich selbst, die sie nie über andere sagen würden, und bezeichnen das als normale Selbstkritik.
Dieser destruktive Denkstil mündet irgendwann in konkretem Handeln. Gehst du gedanklich schlecht mit dir um, wirst du dich auch schlecht behandeln. Eventuell ziehst du dich aus Angst vor der Kritik anderer zurück oder vermeidest Situationen, in denen du dich bewertet fühlst. Das führt in einen Teufelskreis, an dessen Ende du dir nicht mehr vorstellen kannst, dass es irgendetwas Gutes an dir geben könnte.
Dieser Denkstil ist eng mit dem Schwarz-Weiß-Denken verwandt. Der Weg hinaus führt über eine realistische Selbsteinschätzung. Dabei darfst du entdecken, dass es nicht nur eine Art und Weise gibt, über dich zu denken.
Bedenke dabei auch: Du kennst dich selbst besser als jeden anderen Menschen. Das bedeutet, dass du von dir selbst alle guten und schlechten Seiten kennst, von anderen aber oft nur das, was sie nach außen tragen. Dass du dabei gefühlt im Vergleich mit anderen oft den kürzeren ziehst, ist logisch und kein Grund an dir zu verzweifeln.
Negative Denkstile überwinden ist möglich
Falls du dich bei einem oder mehreren dieser Denkstile erwischt hast – kein Grund zur Panik! Es ist normal, mal in die eine oder andere Denkschiene zu rutschen. Das passiert uns allen.
Schwierig wird es, wenn ein Denkstil dein Leben einengt, Ängste verstärkt oder sogar hervorruft und deine sozialen Beziehungen beeinträchtigt. Dann solltest du dir diesen Denkstil mal genauer anschauen und dir gegebenenfalls Hilfe suchen.
Die gute Nachricht ist: Du kannst gezielt Einfluss auf dein Denken nehmen. Zwar ist unser Gehirn eine bequeme Masse, die gerne Energie spart, und sich gedanklich daher am liebsten auf den breiten, ausgetretenen Denkpfaden bewegt. Aber mit etwas Übung ist es möglich, neue gedankliche Bahnen zu schaffen und als Alternative zu nutzen.
Voraussetzung dafür ist, dass du deine ungünstigen Denkstile erkennst und dir konkret überlegst, was du daran ändern möchtest. Du kannst dich selbst beobachten, aber auch Personen deines Vertrauens um Feedback bitten.
Wichtig ist auch, womit du deine Gedanken „fütterst“. Häufiger Konsum schlechter Nachrichten oder das berüchtigte „Doomscrolling“ auf Social Media hat nachweislich negative Effekte auf unser Denken und unser Selbstbild. Achte deshalb auch darauf, was du deinen Gedanken an Nahrung zuführst.
Hierbei kann dir die Bibel helfen: Darin findest du viele positive Gedanken über dich und dein Leben. Lies gerne eine ermutigende Andacht auf erf.de oder unterbrich das Doomscrolling mit einer erholsamen Pause auf unseren Social Media-Kanälen. Es gibt unzählige Möglichkeiten, Gottes gute Gedanken über dich zu entdecken und in dein eigenes Denken zu integrieren.
Wie die ungünstigen Denkstile genau funktionieren, erklärt die Psychotherapeutin Sandra Erbach übrigens im ERF Jess-Podcast „Heavenly Mental – Über Gott und die Psyche“.
Möchtest du deine ungünstigen Denkstile mit hilfreichen Übungen beheben lernen? Dann findest du davon jede Menge im Buch zum Podcast.
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