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22.05.2025 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Theresa Folger

Wenn Freundschaften am Alltag scheitern

Freundschaften sind etwas Wunderbares – aber auch zerbrechlich.

Ich habe ihr noch ein Buch mit einem kleinen Gruß zurück vor die Tür gelegt. Einer Bekannten, aus der eine Freundin hätte werden können. Wir hatten uns im Schwimmkurs der Kinder getroffen und gut verstanden. Es gab drei, vier Treffen, sie zeigte sich interessiert.

Doch dann kamen immer weniger zurück – und irgendwann gar nichts mehr. Keine Antwort mehr auf meine letzten WhatsApps, kein weiterer Kontakt.

Am Ende blieb das Gefühl: Ich bin nicht mehr Teil ihres Lebens. Vielleicht war ich es nie.

Solche Erfahrungen tun weh. Besonders, wenn ich mir Mühe gegeben habe. Wenn der andere mir signalisiert hat, dass er mich schätzt – und es trotzdem nicht trägt. Und ich mich frage: War’s das jetzt? Oder soll ich noch mal anrufen? Und vor allem: Wie gehe ich damit um?

Wo bleibt Freundschaft zwischen Arbeit und Familie? 

Es sind nicht die großen Konflikte, an denen viele Freundschaften heute scheitern. Es ist das Leben. Der Alltag, der keine Lücken mehr lässt. Der innere Akku, der ständig auf Reserve läuft. Und irgendwann merke ich: Ich passe nicht mehr rein in den Kalender des anderen – oder er nicht mehr in meinen.

Vor allem Menschen mit vielen Verpflichtungen – berufstätige Eltern, Alleinerziehende, pflegende Angehörige – haben wenig Spielraum für eigene Begegnungen. Nähe kostet Zeit und Kraft: zwei Dinge, die bei vielen knapp sind.

Manchmal frage ich mich, ob wir einfach zu müde für Freundschaft sind. Nicht für ein kurzes Lächeln beim Elternabend oder ein freundliches Emoji in der WhatsApp-Gruppe. Aber für echte Nähe, für Gespräche, für dieses „Wie geht es dir wirklich?“

Denn Freundschaften konkurrieren mit hundert anderen To-dos. Sie sind wertvoll und bereichernd, aber eben nicht dringend. Und was nicht dringend ist, fällt leicht hinten runter. 

Dazu kommt, dass wir heutzutage so vernetzt sind wie noch nie. Doch die tatsächliche Anzahl an sozialen Beziehungen, die ein Mensch pflegen kann, ist begrenzt. Je mehr lockere Bekanntschaften ich habe, desto weniger Zeit bleibt für tiefe Freundschaften.

Das bedeutet nicht, dass jemandem deine Freundschaft egal ist. Aber manchmal reicht der gute Wille einfach nicht aus. Das tut weh – selbst dann, wenn es plausible Gründe dafür gibt.

Woran Freundschaften scheitern

Manche Menschen haben einfach schon genug Freunde und mehr passen nicht in ihr Leben. Da ist dann egal, wie sympathisch man sich ist. Bei anderen steckt hinter dem Kontaktabbruch vielleicht ein Missverständnis.

Mein Mann erzählte mir kürzlich von Freunden, bei denen er sich jahrelang ärgerte, weil sie nicht auf seine Geburtstagseinladung reagiert hatten. Inzwischen fragt er sich, ob seine Mail überhaupt angekommen ist. 

Dann gibt es Menschen, denen das Aufrechterhalten einer Freundschaft grundsätzlich schwerfällt. Sie wünschen sich Nähe, schaffen es aber nicht, selbst aktiv zu werden. Eine Freundin von mir hat das mal so formuliert: „Ich bin so froh, wenn du dich meldest. Dann habe ich einen legitimen Grund, meine To-Dos liegen zu lassen. Aber ich selbst würde mir diese Zeit nicht zugestehen.“

Andere wiederum sind froh, wenn der Kontakt einschläft, weil andere Beziehungen im Augenblick eine höhere Priorität für sie haben. Manche Menschen ziehen dann von selbst klare Grenzen.

Ich denke da an eine ehemalige Kommilitonin, die keine Beziehungen auf Distanz führen will, weil sie schon vor Ort am Limit ist. Eine andere Freundin hat sich ein Jahr Auszeit von den meisten Kontakten genommen, weil sie für sich selbst und die Familie mehr Raum brauchte. 

Weggefährten auf Zeit – eine biblische Perspektive

Mir fiel es viele Jahre sehr schwer, Menschen aus meinem sozialen Netzwerk zu verlieren. Doch es ist nun mal so, dass manche Freundschaften nur in bestimmten Lebensphasen funktionieren, weil man in dieser Zeit viel miteinander teilt. Sei es während der Ausbildung, wenn die Kinder klein sind oder solange man sich in einem bestimmten Ehrenamt engagiert.

Wenn diese gemeinsame Phase endet und der Kontakt sich verliert, sollte die Frage nicht zuerst lauten: „Wie kriege ich das wieder hin?“ Sondern eher: „Ist es realistisch und sinnvoll, dieser Beziehung nachzugehen?“

In der Bibel wird das Thema „Weggefährten auf Zeit“ an einigen Stellen thematisiert. Zum Beispiel bei Abraham, dem Stammvater Israels, und seinem Neffen Lot. Diese zwei Männer sind eng verbunden durch ihre Verwandtschaft und eine lange gemeinsame Geschichte. 

Als es zwischen ihren Hirten kriselt, schlägt Abraham ein bewusstes Auseinandergehen vor: "Es soll doch kein Streit zwischen uns sein, auch nicht zwischen unseren Hirten. Wir sind doch Brüder! Das Beste ist, wir trennen uns (1. Mose 13,8–9, GNB)."

Die Trennung von Abraham und Lot war kein Zerwürfnis, sondern eine bewusste Entscheidung: Für Frieden. Für Raum. Für unterschiedliche Lebenswege. 

Auch in unserem Leben begleiten uns manche Menschen nur ein Stück. Doch weil Freundschaften in bestimmten Lebensphasen entstehen, dürfen sie sich auch verändern – oder enden. Und wir dürfen loslassen, ohne das gleich als Scheitern zu deuten.

Zwischen Festhalten und Loslassen

Wichtig ist, dass wir ehrlich mit uns selbst sind: Nicht jede Freundschaft muss gerettet werden. Und nicht jeder Rückzug ist eine Ablehnung.

Das bedeutet aber nicht, dass wir immer kampflos das Handtuch werfen müssen. Denn manche Freundschaften lassen sich neu justieren, wenn wir den Mut haben, sie bewusst zu gestalten.

Da kann es helfen, die Karten auf den Tisch zu legen und zu fragen: „Ich habe den Eindruck, dass sich unsere Beziehung verändert hat. Hast du noch Raum dafür – und wie könnte das konkret aussehen?“

Auf diese Weise findet man vielleicht neue Formen der Verbindung, die beide Seiten sogar entlasten können. So haben eine Freundin und ich vereinbart, dass wir uns zu nichts verpflichtet sind, aber den Kontakt auf kleiner Flamme fortführen wollen. So regt sich nicht ständig das schlechte Gewissen, wenn man monatelang nichts voneinander hört. Doch wenn wir es wirklich mal schaffen zu telefonieren, haben wir unbelastete, gute Gespräche.  

Sich auszusprechen kann befreiend sein, muss es aber nicht immer. Denn manchmal ist das stille Auseinanderdriften der schonendere Weg. Ein Gespräch kann auch zu viel, zu endgültig, zu schmerzhaft sein. Für beide Seiten. Dann ist es ein Akt der Rücksichtnahme, jemanden einfach loszulassen, ohne große Worte. 

Gefühle zulassen und dann nach vorne sehen

Wenn Freundschaften enden oder auf unbestimmte Zeit pausieren, schmerzt das trotz aller nachvollziehbarer Gründe. Folgende fünf Punkte können dir helfen, dich neu zu sortieren:

1. Gefühle zulassen

Der Schmerz über verlorene Nähe ist real. Es ist okay, wenn du traurig, enttäuscht oder wütend bist. Gott hat uns mit Gefühlen geschaffen, nicht damit wir sie verdrängen, sondern ehrlich damit umgehen. Auch Jesus hat geweint (vgl. Johannes 11,35). Lass deine Tränen zu und sprich mit Gott über deinen Schmerz. 

2. Die Perspektive verändern

Rückzug tut weh – doch oft liegt es gar nicht an dir. Sondern daran, dass der andere überlastet ist. Manchmal ist der Abstand Selbstschutz, nicht Ablehnung. Beziehe es daher nicht direkt auf dich.    Bei allem Schmerz über verlorene oder eingeschlafene Freundschaften lohnt sich auch der ehrliche Blick nach innen. Bin ich selbst manchmal die, die absagt, vertröstet, den Kontakt schleifen lässt? Nicht aus bösem Willen, sondern weil der Alltag mich überrollt, die Kraft fehlt oder andere Dinge wichtiger erscheinen? 

3. Dich selbst wertschätzen

Der Schmerz über verlorene Freundschaften trifft oft unseren Selbstwert. Doch dein Wert ist nicht davon abhängig, wie viel Zeit andere für dich einplanen. Du bist von Gott gewollt, geliebt und angenommen. Seine Freundschaft steht dir jederzeit offen.
Vielleicht ist es gerade jetzt dran, diese Nähe neu zu suchen. „Ich nenne euch nicht mehr Diener…  vielmehr nenne ich euch Freunde“ (Johannes 15,15, GNB), sagt Jesus. Das ist eine Freundschaft, die dir niemand nehmen kann.

4. Den Blick weiten

Schau bewusst hin: Wer ist gerade in deinem Leben präsent? Wer bleibt da? Wer investiert sich, auch wenn er leise ist? Vielleicht ist es Zeit, auch diese Menschen wieder neu zu sehen. Nimm Kontakt auf, pflege Beziehungen, die dich stärken, und sei selbst bereit, in Freundschaft zu investieren. Ruf jemanden an, verabrede dich, geh kleine Schritte. Gemeinschaft lebt von Pflege. 

5. Offen bleiben

Es ist schwer, wenn etwas zu Ende geht – aber lass dein Herz nicht bitter werden. Es ist ein Schutzmechanismus, sich innerlich zu verschließen, doch er verhindert oft, dass Neues entstehen kann.
Bitte Gott, dein Herz weich zu halten und offen zu bleiben für das, was er dir noch schenken will. Vielleicht schickt er dir andere Menschen, mit denen du neue Freundschaften schließen wirst – auf eine Weise, die du gerade noch nicht siehst.

Leicht wird es nicht, aber leichter darf es werden

Wenn Freundschaften am Alltag scheitern, heißt das nicht, dass wir versagt haben. Vielleicht ist es einfach ein Zeichen dafür, dass unsere Zeit mit bestimmten Menschen vorbei ist. Oder in diesem Moment einfach nicht tragfähig ist. 

Einer der weisesten Männer der Welt, König Salomo, hat vor langer Zeit folgende Worte formuliert: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: […] suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit (Prediger 3,1.6, LUT).“

Auch Freundschaften haben ihre Zeit. Wenn du erkennst, dass diese Zeit vorerst vorbei ist, dann lass los. Manchmal genügt ein einfacher Gedanke, um innerlich Frieden zu schließen: „Ich wünsche dir ein gutes Leben – auch ohne mich darin.“

Vielleicht ist das am Ende die ehrlichste Form von Freundschaft: Dass wir einander nicht festhalten, sondern freigeben. In der Hoffnung, dass jede und jeder seinen Weg findet – auch wenn er sich nicht mehr kreuzt.

Autor/-in

Theresa Folger

  |  Redakteurin

Theresa Folger ist Diplomkulturwirtin und erfahrene Redakteurin im Bereich mentale Gesundheit. Sie ist überzeugt: Persönlicher Glaube und Persönlichkeitsentwicklung gehen oft Hand in Hand. Daheim hört sie den Messias von Händel und probiert nebenbei Vollwert-Backrezepte aus.

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Kommentare (6)

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Jutta /

Ich habe von den Amerikanern gelernt, dass Menschen, die in unser Leben kommen, Bekannte bleiben. Ich habe von einem Pastor gelernt, dass eine vernünftige Freizeitgestaltung eine Freundschaft mehr

Timo F. /

Vielen herzlichen Dank.
Sehr wertvolle aber auch ehrliche Worte.

Jala /

Herzlichen Dank. Sehr wertvolle Gedanken.

Nadine T. /

Liebe Theresa,
hab vielen herzlichen Dank für diesen tollen Artikel! Du sprichst mir aus dem Herze und gibst hilfreiche Impulse. Danke!
Liebe Grüße aus Hamburg
Nadine

Roland R. /

Ich habe einen ziemlich harten Bruch mit einer Freundin/Kollegin gehabt. Indem sie ohne eine weitere Erklärung mich aus ihrem Facebook entfernte. Ich konnte mich nicht mehr erklären oder Nachfragen. mehr

G.W. /

Liebe Theresa Folger, dieses Thema ist heutzutage wichtig, um persönliche Beziehungen bei aller Vielgeschäftigkeit und Kurzlebigkeit wieder wertzuschätzen.
...um meine freundschaftlichen Beziehungen mehr

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