„Schon beim ersten Zusammentreffen muss ich spüren: Diese zwei sind füreinander bestimmt.“ So in etwa hat mir meine Schreibcoach erklärt, was einen guten Liebesroman ausmacht. Im wahren Leben ist es meist deutlich schwieriger vorherzusagen, ob es zwischen zwei Menschen passt.
Denn das hängt von etlichen Faktoren ab. Dazu zählen Prägung, Werte, Hobbies und Ziele, aber auch der Charakter beider Partner. Die einen schwören auf „Gleich und gleich gesellt sich gern“, andere sind überzeugt: „Gegensätze ziehen sich an“. Wissenschaftliche Studien deuten zwar darauf hin, dass Gemeinsamkeiten Paare glücklicher machen. Doch auch Unterschiede haben in Beziehungen ihren Reiz und Wert.
Wie also kann ich sicher sein, ob meine Partnerschaft eine Zukunft hat? Zunächst einmal: Eine endgültige Sicherheit gibt es nie. Eine Beziehung zu führen bedeutet immer, sich für den anderen zu entscheiden, ohne zu wissen, ob es am Ende gutgeht. Gleichzeitig lohnt es sich, den Blick auf das Beziehungsverhalten des anderen zu richten, statt nur auf äußere Unterschiede oder Gemeinsamkeiten.
Es gibt klare Faktoren, an denen ich gute Beziehungen erkennen kann. Diese gelten für Liebesbeziehungen genauso wie für Freundschaften oder den Umgang in Büro oder Familie.
Gutes Beziehungsverhalten lässt dem anderen Raum und behandelt ihn mit Achtung. Das ist die wichtigste Grundlage für jede Beziehung. In ihrem Buch „Damit sich der Nebel lichtet“ stellt Saraj Stutz fünf Eigenschaften gesunder Beziehungen toxischem Verhalten gegenüber. In diesem Artikel werde ich dir diese fünf Eigenschaften im Detail vorstellen.
1. Ich bin willkommen
Die erste Eigenschaft einer gesunden Beziehung ist, dass ich beim anderen willkommen bin. Damit ist viel mehr gemeint, als dass er oder sie mich gerne um sich hat. Beim anderen willkommen zu sein, heißt, bei ihm oder ihr ganz ich selbst sein zu können. In einer guten Beziehung muss ich mich also nicht verstellen, um geliebt zu werden.
Dazu gehört aber auch, dass ich mich verändern darf und soll. In einer gesunden Beziehung akzeptiert mein Partner nicht einfach schulterzuckend meine Macken oder hebt mich auf ein Podest. Stattdessen konfrontiert er mich liebevoll, aber klar mit meinen Fehlern. Er ist wie ein Spiegel für meine schönen und weniger schönen Seiten. Er sagt mir zu: „Ich liebe dich so, wie du bist – mit und trotz deiner Fehler.“
Wenn ich einen solchen Menschen treffe, ist das wie Nachhausekommen. Ich kann dann meine Masken ablegen und aus dem Selbstdarstellungswahn aussteigen.
Ich muss nicht mehr perfekt sein – oder zumindest so zu tun. Ich darf ich sein, aber auch an mir arbeiten – und auch mit und vor dem anderen manchmal an mir selbst verzweifeln.
Gott ist übrigens derjenige, der uns diese bedingungslose Annahme vorlebt. In Römer 5,8 schreibt der Apostel Paulus: „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“. Runtergebrochen sagt Paulus hier folgendes: „Selbst als du dir deiner Charakterschwächen noch nicht bewusst warst und nichts daran ändern wolltest, hat Gott dich schon über alles geliebt.“
Einen Partner zu finden, dessen Annahme so weit reicht, ist schwierig. Wir sollten von Menschen nie diese absolut bedingungslose Liebe wie von Gott erwarten. Aber dass der andere dir bis zu einem gewissen Grad vorbehaltlose Annahme schenkt, ist eine wichtige Grundlage einer guten Beziehung.
2. Wir handeln gemeinsam ein faires Miteinander aus
Ebenso wichtig ist ein faires Miteinander. Eine Beziehung funktioniert selten ohne Absprachen. Nur wenn beide bereit sind, sich in die Beziehung einzubringen, kann eine Partnerschaft oder Freundschaft gelingen. Dazu gehört, Erwartungen und Wünsche offen anzusprechen.
Manchmal funktioniert eine Beziehung auch, obwohl Dinge unausgesprochen bleiben. Meist klappt das aber nur so lange, bis sich ein Konflikt zwischen den verschiedenen Erwartungen der Partner ergibt. Spätestens dann ist Reden angesagt.
Hierbei ist es zum einen wichtig, dass man Unstimmigkeiten ehrlich, aber nicht verletzend anspricht. Zum anderen ist es wichtig, dass der andere offen zuhört und das Gehörte nicht gleich bewertet oder sich verteidigt. Nur so entsteht ein Klima, in dem beide sich wohl fühlen, obwohl sie über schwierige Themen sprechen.
Führt jedoch schon eine unterschiedliche Erwartung an die Abendgestaltung zu Streit, trauen sich irgendwann beide nicht mehr, schwierigere Beziehungsthemen anzusprechen.
Nun ist es so: Im Alltag reagieren wir alle mal genervt. Hier hilft es, die Enttäuschung im Nachgang wieder einzufangen. Wenn ich ein Anliegen meines Mannes aus Stress abgebügelt habe, spreche ich ihn zu einem späteren Zeitpunkt erneut darauf an. Meist entsteht dann ein guter und entspannter Austausch, der uns als Paar weiterbringt.
Faires Verhandeln ist gerade zu Beginn einer Beziehung nicht leicht. Denn wenn ich meine Bedürfnisse und Wünsche äußere, mache ich mich auch verletzlich.
Schließlich könnte der andere Nein sagen oder es zum Streit kommen.
Besonders Menschen, die schon toxische Beziehungen erlebt haben, fällt diese Ehrlichkeit schwer. Ihre Erfahrung ist: „Meine Bedürfnisse werden nicht beachtet. Wenn ich will, dass meine Bedürfnisse erfüllt werden, muss ich tricksen.“ So nehmen sie sich entweder zu stark zurück oder greifen selbst unreflektiert auf manipulatives Verhalten zurück. Das kann dazu führen, dass ihre Bedürfnisse auch in gesunden Beziehungen übersehen werden und sie unnötig unglücklich sind. Im schlimmsten Fall zerbricht die Beziehung daran.
Wenn du eine toxische Beziehung hinter dir hast und jetzt in einer neuen Beziehung bist, entscheide dich bewusst, es dieses Mal anders zu machen. Äußere deine Bedürfnisse klar und verhandle mit dem anderen darüber, was dir in einer Partnerschaft wichtig ist. Du wirst erleben: Ein guter Partner wünscht sich ebenso wie du ein faires Miteinander. Tut er es nicht, ist dies ein Warnhinweis, den du ernst nehmen solltest.
3. Wir gehen gut mit unangenehmen Gefühlen um
In jeder Beziehung erleben wir unangenehme Gefühle. Dazu zählen Wut, Eifersucht, Enttäuschung oder auch das Gefühl, nicht geliebt zu werden. Unangenehme Gefühle sind normal. Wir kommen nicht ohne sie durchs Leben. Deshalb ist es gut, frühzeitig zu lernen, richtig mit ihnen umzugehen.
Zwei Arten des Umgangs sollten wir aber vermeiden. Lasse den anderen nicht jedes negative Gefühl direkt spüren. Sonst fungiert er als Blitzableiter für deine Gefühle – und zwar unabhängig davon, ob er etwas damit zu tun hat oder nicht. Schiebe aber genauso wenig unangenehme Gefühle unter den Teppich. Denn irgendwann werden sie sonst zur Stolperfalle wie der Tigerkopf in „Dinner for One“.
Besser ist es stattdessen, unangenehme Gefühle wie Warnschilder im Straßenverkehr zu behandeln. Jedes Gefühl weist mich auf etwas hin.
Wenn ich glücklich bin, ist das ein Zeichen dafür, dass meine Bedürfnisse erfüllt sind. Wenn ich dagegen traurig, wütend oder enttäuscht bin, ist eins meiner Bedürfnisse nicht erfüllt.
Statt dieses Gefühl direkt in die Partnerschaft zu tragen, lohnt es sich, erstmal allein zu reflektieren: Was fühle ich gerade? Warum fühle ich so? Und hat der andere überhaupt etwas damit zu tun?
Mich stresst es zum Beispiel, wenn mein Mann schon zum Auto vorgeht, wenn wir zu einem Termin wollen. Das triggert bei mir bestimmte Kindheitserfahrungen. Und es passiert, egal wie oft mein Mann mir sagt, dass dies eine andere Situation ist. Zum Glück weiß ich, dass meine Befindlichkeit in diesem Moment nichts mit meinem Mann zu tun hat. Auch er weiß das und löst meinen Stress meist durch einen entsprechenden Satz auf. Das hat schon manch unnötigen Streit im Keim erstickt.
Natürlich kommt es auch vor, dass ich wegen meinem Partner traurig oder wütend bin. Aber auch dann lohnt es sich, erstmal zu reflektieren: Was hat mich wütend gemacht? Was hätte ich mir anders gewünscht? Wenn ich das für mich geklärt habe, wird das anstehende Konfliktgespräch leichter.
Nun schaffen wir das selbstverständlich nicht immer. Was also tun, wenn ich den anderen doch zu meinem Blitzableiter gemacht habe? Oder wenn ich eine Enttäuschung so lange nicht angesprochen habe, bis ich regelrecht verbittert darüber bin?
Auch hier hilft ein offenes Gespräch. Ich kann dem anderen etwa sagen: „Ich habe überreagiert, weil ich Stress auf der Arbeit hatte“ oder „In der Situation hast du mich an meinen Bruder erinnert und das hat mich genervt“. Dafür ist in einer gesunden Beziehung Raum.
4. Wir beide übernehmen Verantwortung
Eine gute Beziehung ist ein Geben und Nehmen. In einer gesunden Partnerschaft übernehmen beide Partner Verantwortung – und zwar auf verschiedenen Ebenen. Zum einen übernimmt jeder für sich und sein Verhalten Verantwortung. Das bedeutet, dass ich den anderen nicht für etwas zur Rechenschaft ziehe, was in meinem Verantwortungsbereich liegt.
Ein Beispiel: Mein Mann kommt spät nach Hause und ich warte mit dem Essen auf ihn. Als er endlich da ist, motze ich ihn an. Denn ich habe mittlerweile tierischen Hunger. Mein Mann ist verblüfft. Warum habe ich nicht allein gegessen, wenn ich doch solchen Hunger hatte? Ja, warum eigentlich nicht? Hatte er mich gebeten, auf ihn zu warten? Nein. Ich hatte nur nicht ohne ihn essen wollen und daher auf ihn gewartet – länger als mir lieb war.
Dies ist eine eher belanglose Episode, aber sie zeigt, wie wichtig Eigenverantwortung in einer Partnerschaft ist. Mein Mann ist nicht dafür zuständig, dass ich regelmäßig esse. In einer gesunden Beziehung sorge ich für mich und nehme meine Bedürfnisse ernst. Ich erwarte nicht von meinem Partner, dass er Verantwortung für mich übernimmt.
Das Gleiche gilt für Konfliktsituationen. Auch hier ist jeder Partner für sich selbst verantwortlich. „Du hast …, also habe ich auch …“ ist kein stichhaltiges Argument in einem Streit. Wie ich mich verhalte, bleibt meine Verantwortung. Und zwar unabhängig davon, was mein Partner tut.
Zum anderen übernimmt jeder in einer Beziehung eine gewisse Mitverantwortung für die Partnerschaft. Das heißt nicht, dass ich dafür zuständig bin, meinen Partner glücklich zu machen. Aber ich bin bereit, Verantwortung und Aufgaben mit ihm oder ihr zu teilen. Eine Beziehung, in der der eine sich in allem nach dem anderen richtet oder einer allein die Verantwortung für Haushalt, Finanzen oder Kinder trägt, führt leicht zu Frust.
Das heißt nicht, dass man sich manche Arbeitsbereiche nicht aufteilen kann. Doch diese Arbeitsaufteilung ist abgesprochen und für beide Partner okay.
Eine gute Beziehung ist somit eine, in der beide Partner Eigenverantwortung und Verantwortung für die Beziehung zeigen. Und zwar jeweils in ausgewogenem Maße.
5. Authentisch leben – auch nach außen
Eine gesunde Beziehung lebt und feiert Authentizität. Stell dir vor, du kommst mit deinem Partner oder deiner Partnerin zu spät zu einer Verlobungsfeier und entschuldigst dich mit den Worten „Wir sind zu spät, weil wir uns noch gestritten haben“. Wäre dir das peinlich?
Mir wäre es das vermutlich, aber ich habe mir schon oft gewünscht, mal einen solch ehrlichen Satz zu bringen. Und wieso eigentlich nicht? Dass in Beziehungen nicht immer alles rundläuft, wissen wir doch alle. Warum sollten wir also immer das Stück vom perfekten Paar spielen? Vielleicht ist eine Verlobungsfeier nicht der richtige Anlass für solch ein Eingeständnis, aber wir dürfen es uns erlauben, ehrlicher zu werden – zumindest im engeren Kreis.
Mein Mann und ich machten einmal eine echt blöde Phase durch, während wir in unserer Gemeinde einen Tag für Ehepaare organisierten. Bis heute schäme ich mich dafür, nicht zumindest im Orgateam ehrlich damit umgegangen zu sein. Sicher hätten die anderen uns ein Gebet angeboten und uns ermutigt.
Ehrlichkeit und Authentizität kosten Mut, aber wir können viel durch sie gewinnen: Den Zuspruch anderer. Die Versicherung, dass es andere Paare auch nicht leichter haben. Einen guten Rat. Und die Freiheit, keine Fassade aufrechterhalten zu müssen.
Natürlich gehört nicht alles an die Öffentlichkeit. Eine Beziehung ist eine fragile Sache und ich sollte mir gut überlegen, was ich über den Partner mit anderen teile. Aber gerade wenn es in einer Beziehung nicht gut läuft, kann das Aufrechterhalten der Fassade zum Krampf werden und der Beziehung mehr schaden als nützen.
Besonders problematisch wird es, wenn es deinem Partner wichtiger ist, welches Bild ihr nach außen abgebt, als das Interesse daran, ob ihr wirklich eine glückliche Beziehung lebt.
Ob in einer Partnerschaft, Firma, Familie oder Gemeinde: Wenn die äußere Fassade zum entscheidenden Faktor wird, ist Vorsicht geboten.
Dies deutet oft auf ein toxisches Umfeld hin. Und wo man nach außen hin nicht ehrlich sein kann, kann man es nach innen irgendwann auch nicht mehr. Daher feiere mit deinem Partner die Authentizität – so viel, wie euch und eurer Beziehung guttut.
Dein nächster Schritt
Es gibt viele weitere Verhaltensweisen, die gesunde Beziehungen ausmachen. Dazu gehört eine respektvolle Streitkultur oder auch regelmäßige Zeiten zu zweit. Auch eine gemeinsame Vision und eine gemeinsame Aufgabe in der Gemeinde kann hilfreich sein. Doch eine gute Beziehung beginnt vor allem mit einem ersten Schritt.
Daher mein Tipp an dich: Frage dich, welche der fünf Eigenschaften in deiner Partnerschaft gerade zu kurz kommt. Und dann überleg dir, wie du zusammen mit deinem Partner daran arbeiten kannst.
Vielleicht ist ein erster Schritt, ihm oder ihr diesen Artikel vorzulesen. Oder an deinem Umgang mit negativen Gefühlen zu arbeiten. Oder du übernimmst für etwas Verantwortung, was du bisher immer deinem Partner zugeschoben hast.
Wichtig ist nicht, dass du möglichst schnell möglichst viel umsetzt. Such dir besser nur eine kleine Sache heraus, die eure Beziehung verbessert, und setze sie konsequent um.
Gottes Segen für deine Partnerschaft!
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