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08.11.2022 / Erfahrungsbericht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Martina Eibach

Liebe ist leise

Zehn Tage schweigen, um mit Gott ins Gespräch zu kommen: Martina Eibach über Erfahrungen mit der Stille.

Eine bunte Truppe waren wir: Im Advent 2015 hatten wir uns in einem christlichen Gästehaus zusammengefunden, um in einem begleiteten Kurs zehn Tage zu schweigen und mit Gott zu reden. Was genau ich in der Stille suchte, konnte ich nicht so leicht beschreiben. Einige Zeit vorher hatte ich einen Text des alten Kirchenvaters Franz von Sales gelesen:

Wenn dein Herz wandert oder leidet, bring es behutsam an seinen Platz zurück und versetze es sanft in die Gegenwart deines Herrn. Und selbst, wenn du nichts getan hast in deinem ganzen Leben, außer dein Herz zurückzubringen und wieder in die Gegenwart unseres Gottes zu versetzen, obgleich es jedes Mal wieder fortlief, nachdem du es zurückgeholt hattest, dann hast du dein Leben wohl erfüllt.

Die Worte hatten etwas in mir ausgelöst. Ich spürte, dass mein Herz sich nach seinem Zuhause und der Gegenwart Gottes sehnte. Überfordert von vielen Nachrichten und lautstarken Meinungen anderer, machte es immer öfter dicht. Gerne wollte ich es gut behandeln und an einen sicheren Platz zurückholen, wusste aber nicht, wie ich das anstellen sollte. Darum hatte ich mich zu diesem Kurs angemeldet.

Ankommen in der Stille

Eine feste Struktur bildete den Rahmen. Jeden Tag gab es mehrere Gebetszeiten und abends einen Gottesdienst. Für einen Ausgleich sorgten Übungen zur Körperwahrnehmung, ein persönliches Gespräch mit einem geistlichen Begleiter, Spaziergänge sowie eine Stunde Mitarbeit im Haus.

Ich war angespannt. Wird es mir gelingen, mich auf das alles einzulassen? War es am Ende eine blöde, überstürzte Idee herzukommen? Was wird sich zeigen? Wird es mich überfordern?

Auf dem Weg in mein Zimmer fällt mein Blick auf ein Poster. In schöner Schrift geschrieben stehen darauf die oben genannten Worte Franz von Sales. Ich muss lächeln und habe den Eindruck: Es ist gut, hier zu sein. 

Stille üben

Langsam werden wir von den geistlichen Begleitern in die Zeit des Schweigens eingeführt und bekommen wichtige Hinweise: Beten ist Beziehung lernen. Alles, was sich zeigt, soll und darf da sein. Wahrnehmen und vertrauen, das ist der Weg.

Eine Begegnung mit Gott lässt sich nicht machen. Üben kann man, im Hier und Jetzt zu sein. Gott hat seine Gegenwart versprochen.

Ich bin da – mit diesem Namen hat er sich vorgestellt. Wir dagegen sind oft nicht da. Hängen in der Vergangenheit oder denken schon an die Zukunft.

In den nächsten Tagen merke ich, eine achtsame Haltung braucht viel Übung. Zugleich erlebe ich aber auch, wie heilsam es ist, darauf zu verzichten, alles verstehen, bewerten oder durchschauen zu wollen. Mehr und mehr kann ich mich öffnen für das, was Gott für mich sein und mir schenken will.

Ein Raum der Gnade

Zu einem Geschenk wird eine Geschichte aus der Bibel, die ich schon oft gehört hatte. Es geht in ihr um die Ankündigung der Geburt Jesu. Gott schickt einen Engel nach Nazareth zu einer jungen Frau. Sie erschrickt, als dieser sie anredet mit den Worten: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ Daraufhin sagt er zu ihr: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast bei Gott Gnade gefunden“ (Lukas 1,28-30). Als diese Worte im Gottesdienst vorgelesen werden, bin ich berührt.

Gott eröffnet einen Raum der Gnade. Er sucht Menschen, die ihm Wohnung geben.

In seinem Sohn Jesus kommt er in unsere Welt. Doch nicht, indem er eine Frau anonym überwältigt. Er erbittet durch einen Boten ihre Zustimmung. Das wirkt respektvoll, freundlich-zurückhaltend, sanft, fast ein bisschen schüchtern.

Liebe ist leise – hat Bosse mal gesungen. Ich habe den Song lange nicht mehr gehört, aber einige Zeilen fallen mir noch ein: „Ich hab dich immer geliebt … Aber eben leise … Jetzt ist es raus … Kannst es glauben oder nicht.“ Mein Herz pocht, als wäre gerade eine wichtige Botschaft angekommen.

Stille im Alltag

Am Ende der zehn Tage fühle ich mich reich beschenkt und von Gott angesehen. Ich möchte weiterhin eine achtsame Haltung einüben und der Stille in meinem Alltag einen Platz einräumen.

Tatsächlich bin ich – mit unterschiedlich langen Unterbrechungen – bis heute drangeblieben. Formen, die sich für mich bewährt haben, sind ein reflektierender Tagesrückblick in verschiedener Länge, Sport mit anschließender Entspannungszeit, Spaziergänge oder eine Zeit der Stille, zu der ich mich mit einer Freundin regelmäßig verabrede.

Mein Herz geht weiterhin auf Wanderschaft. Manchmal lasse ich es viel zu lange leiden, bis ich es wieder zurückhole. Doch wenn ich es dann tue, ist es immer heilsam.

 Martina Eibach

Martina Eibach

  |  Redakteurin

Sie mag Lebensgeschichten. Spannend findet sie: Die Herausforderungen sind jeweils ganz unterschiedlich. Jedoch fast immer beginnen Veränderungen mit einer leisen Ahnung.

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Kommentare (1)

Marion B. /

Danke für den inspirierenden Artikel und die darin enthaltene Ehrlichkeit und Offenheit.
Danke für den Text von Franz von Sales. Er hat mir Mut gemacht .
Ich bin oft so stark von einer inneren Unruhe bestimmt, die mich hindert zur Stille zu kommen.
Liebe Grüße Marion

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