Dass Müll nichts Gutes ist, musste man mir nicht beibringen. Schon als Kind schickte mich meine Mutter mit Tupperdose in die Schule, statt mein Pausenbrot in Papier einzuschlagen. Und doch – müllfrei war meine Kindheit nicht. Denn neben dem ökologischen Pausenbrot gab es auch KitKat oder Knoppers. Auch Bifi, Capri-Sonne und andere verpackte Snacks gehörten untrennbar zu meiner Kindheit.
Doch insgesamt nahm ich Müll nicht wahr. Klar, es gab ihn und irgendwer musste regelmäßig den Mülleimer leeren. Aber das einzige Problem mit dem Müll schien die richtige Trennung zu sein. Denn nur richtig getrennt, so bläute man mir ein, konnte der Müll recycelt werden.
Es dauerte viele Jahre, bis ich verstand, dass ein Großteil des von mir fein säuberlich getrennten Mülls trotzdem nie recycelt wurde. Das war der Moment, in dem ich aufwachte.
Es muss auch anders gehen
Es gab nicht den einen Grund dafür. Es war vielmehr eine Vielzahl von Dingen, die mich aufhorchen ließ. Zum einen gab es ein Platzproblem. Für mich war der Gelbe Sack nie ein Anstoß gewesen, bis ich ihn in unserer neuen Wohnung in einem schmalen Abstellraum lagern musste. Immer, wenn ich den Staubsauger hervorholte, war er mir plötzlich im Weg. Zum anderen war da der überquellende Briefkasten am Wochenende, der so viele Werbeblättchen enthielt, dass ich den Eindruck hatte, ich fülle unsere Blaue Tonne ausschließlich damit.
Es muss auch anders gehen, dachte ich mir. Meinem Mann ging es ähnlich. Denn auch beim Wandern oder Bummeln durch die Stadt fiel uns immer öfter Müll auf – und zwar nicht in Mülleimern, sondern am Straßenrand oder mitten auf Grünflächen in Parks. Verschiedene Dokus klärten mich auf, dass die Müllverschmutzung bei uns nur der Gipfel des Eisberges war.
Als ich erfuhr, dass ein nicht unerheblicher Teil meines Plastikmülls im Meer landet, wollte ich nur eins: Endgültig Schluss machen mit Plastik!
Denn mir war klar: Mikroplastik in den Mägen von Fischen, nicht verrottender Müll in unseren Wäldern – all das war nicht die Art, wie Gott sich den Auftrag „Füllt die ganze Erde und nehmt sie in Besitz!“ (1. Mose 1, 28) gedacht hatte. Das Resultat war ebenso klar: Ich selbst musste anfangen, weniger Müll zu produzieren, vor allem weniger Plastikmüll.
Ein vielversprechender Start
Gesagt, getan. Da ich zu dieser Zeit auch gerade Probleme mit meiner Haut hatte, begann ich, mich mit natürlicher Kosmetik zu beschäftigen. Auch diese sollte so müllfrei wie möglich sein. Weniger Plastik in und um meine Kosmetik, das konnte nur gut sein. Nahezu zeitgleich entschloss sich mein Mann, den Verpackungsmüll durch unsere Lebensmittel drastisch zu reduzieren.
Ab sofort kauften wir mit wiederverwendbaren Tüten Obst und Gemüse ein. Ich selbst begann meine kompletten Kosmetika per Codecheck auf Silikone und Mikroplastik zu testen und war schockiert: Fast alles in meinem Schrank war entweder nicht umwelt- oder nicht hautfreundlich – oder sogar beides. Aber da ich jetzt die App hatte, konnte ich in Zukunft andere Produkte kaufen – und das tat ich auch.
Als wir hörten, dass ein Bioladen Lebensmittel bald verpackungsfrei anbieten würde, schien der Erfolg nahe. Wir packten daheim sowieso das Meiste direkt nach dem Einkauf in verschließbare Behälter um. Es schon im Laden dort reinzupacken, würde uns Zeit und Müll sparen.
Mittlerweile war auch ein unverpacktes Deo bei mir eingezogen und die Umgestaltung des Inhalts meines Badezimmerschrankes nahm langsam Gestalt an. Plastikfrei oder zumindest plastikarm zu leben schien greifbar.
Plastik als Ersatz für Plastik?
Allerdings kam dann alles anders: Bei mir wurde eine Autoimmunkrankheit diagnostiziert, die ab sofort eine spezielle Ernährung nötig machte. Auf einmal war all mein Essen in Tonnen von Plastik verpackt; ein Einkauf im verpackungsfreien Laden nicht mehr möglich.
Trotzdem kam Aufgeben für uns nicht in Frage. Auch wenn meine Grundnahrungsmittel nun intensiv verpackt waren, gab mein Mann sich alle Mühe, bei Obst und Gemüse, Käse und Wurst noch mehr auf Plastik zu verzichten, um dies wettzumachen. Regelmäßige Besuche auf dem Markt mit wiederverwendbaren Tüten oder Tupperware gehörten in dieser Zeit zu seiner festen Samstagsroutine.
Bei mir gesellten sich zum festen Deo festes Shampoo, festes Duschgel, feste Bodylotion und noch einiges mehr. Unser Badezimmerschrank begann überzuquellen und immer mehr stellte sich mir die Frage: Wie hebe ich all dieses verpackungsfreie Zeug auf, ohne dass es mir verdirbt oder meine Schränke einsaut?
Es brauchte dringend neue Möglichkeiten der Aufbewahrung für meine unverpackte Kosmetik. Also ging ich in den Laden und kaufte mir – wie sollte es anders sein – genau das, worauf ich eigentlich verzichten wollte: Plastikverpackung. Natürlich waren diese Sachen deutlich haltbarer, wiederverwendbar und auswaschbar.
Doch statt Plastik loszuwerden hatte ich neues Plastik angeschafft – aus gerechtfertigtem Grund und zur nachhaltigeren Nutzung. Aber ich war von Plastik nicht losgekommen, nicht im Mindesten.
Viel Verpackungsmüll und volle Badezimmerschränke
Außerdem fiel mir noch etwas auf: Bislang hatte ich die meisten meiner Kosmetika einfach bei Bedarf in der hiesigen Drogerie nachgekauft. Durch meine neue Beschäftigung mit dem Thema kaufte ich nun zwar vermeintlich nachhaltigere Produkte, aber diese kamen meist per Post bei mir an. Und obwohl ich das Füllmaterial in all den Paketen genauso wiederverwendete wie alles andere, blieb es Müll. Müll, der nur produziert worden war, um mir mein unverpacktes Shampoo zu liefern.
Auch kaufte ich mir in dieser Zeit viel Neues, einfach nur, um es zu testen. Ich kaufte den unverpackten Conditioner oder das feste Gesichtsöl nicht, weil ich es akut brauchte, sondern nur, um es mit den bereits vorhandenen verpackten Produkten zu vergleichen. Wenn es besser war, würde ich ab sofort komplett umsteigen, so meine Devise.
Plötzlich war mein Schrank voll mit beidem – unverpackter und verpackter Kosmetik und von beidem mehr, als ich brauchte. Tatsächlich kaufte ich in den ersten zwei Jahren seit meiner Entscheidung, verpackungsärmer zu leben, mehr Kosmetik als in den fünf Jahren zuvor.
Statt ökologischer und nachhaltiger zu leben, hatte ich glattweg das Gegenteil getan.
„Ich hätte Konsum statt Plastik meiden sollen.“
Langsam wurde mir bewusst, worauf ich statt Plastik eigentlich hätte verzichten sollen: Konsum. So toll ein festes Shampoo ist, das länger hält als eine 250-ml-Shampooflasche; so toll ein Recyclingsystem ist, bei dem ich als Kunde meine alte Umverpackung zurückbringen und sogar noch was dafür bekomme; letztlich entscheidet sich alles an einer Frage: „Brauche ich das wirklich?“
Das Verzichten aber fällt mir schwer, viel zu schwer. Vermutlich hätte Gott mir in diesen Tagen oft liebevoll das gesagt, was auch mein Mann immer wieder äußerte: „Brauch doch erstmal auf, was du hast.“ Und er hätte Recht damit, nicht nur bei mir.
Unser aller Problem ist oft mehr der Konsum als der Müll, der durch die gekauften Waren entsteht.
Beim Konsum geht es letztlich um unser Herz. Bei mir war das offensichtlich. Dadurch, dass ich durch meine Erkrankung meine Essensauswahl plötzlich begrenzt war, erweiterte ich meine Kosmetikauswahl nahezu maßlos – mit einem vordergründig guten Ziel. Für eine begrenzte Zeit war das okay und es hat meine Begeisterung für unverpackte Kosmetik geweckt.
Aber Konsum als Ersatzbefriedigung ist nichts, was langfristig funktioniert – ob die Waren nun unverpackt sind oder nicht.
Lebensmittel unverpackt einkaufen – möglich, mit Nachteilen
Doch was wurde aus dem Vorsatz meines Mannes? Haben wir hier wenigstens unser Ziel erreicht und unsere Umverpackung von Lebensmitteln deutlich reduziert? Nicht ganz wie gewünscht, aber merklich. Im Auto haben wir nun immer wiederverwendbare Tüten dabei, selbst für spontane Einkäufe.
Doch auch hier gab es Rückschläge. So erhöhte sich aus Hygienegründen während der Coronazeit bei vielen Lebensmitteln von Anbieterseite der Verpackungsmüll. Dazu kommen die langfristigen Nachteile. Oft werden bei Obst und Gemüse in Supermärkten verpackte und unverpackte Waren nebeneinander angeboten, aber ich habe nicht bei beiden diesselbe Auswahl.
Was, wenn ausgerechnet die Biogurke in Plastik eingeschweißt ist? Oder die wenigen Obstsorten, die ich trotz meiner Sorbitunverträglichkeit essen kann? Mein Mann ist da relativ rigoros, ich ziehe eher resigniert mit.
Meinen geliebten Feldsalat esse ich heute nur noch selten, weil er fast überall massiv in Plastik verpackt ist. Und ja, ich vermisse das.
Außerdem stellten wir fest, dass etwa der Einkauf auf dem Wochenmarkt teuer und zeitlich häufig nicht möglich ist. Denn dort sind wir an feste Einkaufszeiten gebunden, während der Supermarkt um die Ecke bis 22 Uhr geöffnet hat. Und dann wären da noch scheinbar ökologischere Verpackungslösungen wie Glas oder Papier, die dies oft nur vordergründig sind.
Das Gute behaltet
Alles in allem sind wir heute informierter, was das Thema Müll angeht. Manches stellte sich als Gamechanger heraus, wie etwa die Umstellung auf feste Seife beim Händewaschen, bei anderem müssen wir immer wieder Kompromisse eingehen und verschiedene Optionen abwägen – wie etwa beim Lebensmittelkauf – und manches – gerade im Bereich unverpackter Kosmetik – funktioniert für uns nicht oder nur sehr begrenzt.
Alles, was gut funktioniert, haben wir fest in unseren Alltag integriert. Dadurch haben wir einige Dinge langfristig umgestellt und Müll eingespart. Auch sonst achten wir heute in unserem Alltag viel bewusster auf den Müll, den wir produzieren.
Doch wir wissen, dass wir immer Scheiternde bleiben. Ganz ohne Plastik zu leben ist für uns nicht möglich. Aber als Christen wissen wir auch, dass wir die Welt nicht retten müssen.
Diese Aufgabe hat bereits ein anderer übernommen und irgendwann wird es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben – eine ohne Müll, wie ich zu mutmaßen wage.
Uns ist und bleibt es ein Anliegen, diese Welt für spätere Generationen so müllfrei wie möglich zu hinterlassen. Aber wir machen uns damit nicht verrückt, sondern tun, was wir können und wollen, um die Schöpfung Gottes, die wir lieben und genießen, so schön zu halten wie möglich. Ganz frei und ohne schlechtes Gewissen. Als wäre sie unser eigener Garten, denn das ist sie ja auch.
Aktualisiert am 07.08.2025
Ihr Kommentar
Kommentare (3)
Es besteht immer die Gefahr, wenn man etwas besonders gut machen will, dass es zum Selbstzweck und zur Obsession wird.
Langsam fühle ich mich hier in D wie in eine Irrenhaus. Kunststoff kann man 100% recyceln und Öl gewinnen, bitte googeln. Aber so lange die Arbeitskräfte hier in D übermäßig besteuert werden, ist … mehrbilliger das Zeug verschiffen und irgendwo abladen - selbstverständlich mit Fernost Matrosen. Ich möchte hier über und von Umwelt- und Klima -Religion kein Artikel lesen!
Frau Schneebeli hat fast alles gesagt und getan. Insgesamt tut uns Entschleunigung not. Darüber geredet wird schon ausreichend. Das Tun ist jetzt nötiger denn je! Als Konsument entscheide ich sehr … mehrwohl, was produziert wird und was nicht. Deshalb habe ich als Konsument enorm viel Macht! So sehe ich mich und so kaufe ich ein!