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© Markus Spiske / unsplash.com

20.01.2021 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Frank Schilling

7 Thesen für besseren Streit

Frank Schilling ist als Rechtsanwalt und Mediator mit Streitigkeiten vertraut. Folgende sieben Thesen können helfen, zu einer guten Streitkultur zu kommen.

1. Erst die Beziehung und dann die Sache klären

Ein guter Umgang mit Streit ist dadurch geprägt, dass man den Standpunkt des Anderen gelten lässt und eine konstruktive Auseinandersetzung in der Sache führt. Allerdings ist eine sachliche Auseinandersetzung meist nicht mehr möglich, wenn die Beziehung nicht stimmt. Das habe ich vor allem in der Begleitung von Trennungs- und Scheidungsangelegenheiten erfahren. In diesen Fällen wird oftmals mit allen Mitteln um die Kinder gekämpft. Streit kann dann zum Selbstzweck werden.

2. Jeder betrachtet die Welt vom Kirchturm seines Dorfes aus

Zu einer guten Streitkultur gehört es, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen. Vor Gericht habe ich beobachtet, dass oft jede der Parteien fest davon überzeugt ist, im Besitz der objektiven Fakten bzw. richtigen Sicht zu sein. Was aber heißt objektiv? Unterschiedliche Prägungen, Weltanschauungen und kulturelle Unterschiede nehmen Einfluss auf unsere Wahrnehmung.

Vorteilhaft ist es, wenn ich den Standpunkt meines Gegenübers kenne, bevor ich versuche, ihm meinen Standpunkt zu vermitteln.

Erst recht sollte ich dem Anderen keine Schuldvorwürfe machen, ohne mir zuvor meinen Anteil am Konflikt bewusst gemacht zu haben (vgl. Matthäus 7,5).

3. Unter den Teppich kehren hilft nicht

Eine konstruktive Streitkultur geht davon aus, dass Streit zum Leben gehört. Wenn er unter den Teppich gekehrt wird, verschafft er sich andernorts Luft. Das konnte ich zum Beispiel bei erbrechtlichen Auseinandersetzungen beobachten. Hier kann es einen Miterben oder gar Enterbten geben, der sich schon zu Lebzeiten des Erblassers ungerecht behandelt gefühlt hat. Nach dessen Tod macht diese Person die Rechnung so richtig auf, um sich – aus seiner Sicht – damit Gerechtigkeit zu verschaffen.

4. Ausrichten auf eine gemeinsame Lösung

Auch in christlichen Gemeinden und Institutionen will streiten gelernt sein. Hier geht es vor allem um Situationen, in denen verschiedene Personengruppen aufeinander treffen wie z.B. ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter. Das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten kann dann ein Thema sein.

Überhaupt kann ein Streit schnell in ein eindimensionales Entweder-oder-Denken hineinführen. Manchmal hilft es, den Blick zu weiten. Der Streit um die Farbgebung von Gemeinderäumen muss sich nicht in einem Schwarz-Weiß-Design erschöpfen. Die Farben können vielfältig sein.

5. Die Zeit heilt nicht

Zu einer konstruktiven Streitkultur gehört auch, dass man die Initiative ergreift und auf den Anderen zugeht. Es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken – in der Hoffnung, dass man Streit verhindern kann, indem man so tut, als könne er im eigenen Hause nicht vorkommen.

Unterschiedliche Standpunkte müssen an die Oberfläche kommen und ausgehalten bzw. mit fairen Mitteln ausgetragen werden.

Daher sollte ich eine Streitkultur entwickeln, wenn Konflikte noch nicht am Horizont auftauchen. Sich in einer konstruktiven Streitkultur zu bewegen, bedarf auf jeden Fall der Übung.

6. Streit ist oft nur das Symptom

Wie ich mit einem Streit umgehe, ist ein Abbild davon, wie es in mir selbst aussieht. In der Mediation spricht man vom Eisbergmodell. Man sieht im Streit oft nur die Spitze des Eisbergs, der größte Teil eines Konflikts liegt unter Wasser. Hier verstecken sich vor allem die eigenen Bedürfnisse. Taucht man tiefer, gelangt man zu den Ecken und Kanten der Persönlichkeit.

Ich habe in der Beratungspraxis Menschen kennengelernt, die immer wieder aus einem ähnlichen Anlass in Streitigkeiten verwickelt waren. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Streitkultur etwas mit dem „inneren Frieden“ eines Menschen zu tun hat. Ein konfliktreicher Mensch wird eher dazu neigen, seinen Konflikt in andere Menschen hinein zu projizieren bzw. andere konfliktreiche Menschen anzuziehen.

Daher gehört es zu einer guten Streitkultur, dass man sich die eigenen Interessen und Bedürfnisse klar macht. Das ist nicht immer leicht. Meist geht es um Respekt, Anerkennung und Wertschätzung.

7. Streitkultur ist auch Gebetskultur

In der Bibel heißt es: „Soweit es irgend möglich ist und von euch abhängt, lebt mit allen Menschen in Frieden“ (Römer 12,18). Um mit Menschen in Frieden leben zu können, bedarf es grundsätzlich einer friedfertigen Haltung. Dafür ist Gebet ein wichtiger Schlüssel: Im Gebet können wir Gott sagen, was uns frustriert bzw. hindert, mit Menschen in Frieden zu leben.

Jesus Christus versteht mich besser als jeder Mensch – und zwar bevor ich ihn darum bitte. Er kennt alle meine Gefühle und Bedürfnisse, auch die mir noch nicht bewussten. Mit diesem Verständnis im Rücken fällt es mir leichter, auf Menschen zuzugehen und ihnen neu zu begegnen. Das Gebet macht den Weg frei für eine konstruktive Streitkultur, die bestenfalls in eine Versöhnung mündet. Oder es hilft, dass ich einen nicht vermeidbaren Streit dauerhaft aushalten kann.


Frank Schilling ist beim ERF als Leiter des Justiziariats tätig. Sein Tätigkeitsbereich betrifft medienrechtliche Fragestellungen, wie auch solche des Vereins-, Erb-, Arbeits- und Datenschutzrechts.

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