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© Karsten Wurth / unsplash.com

18.04.2022 / Andacht / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Ostern feiern trotz Krieg?

Ein unbeschwertes Ostern gibt es auch in diesem Jahr nicht. Warum wir trotzdem feiern dürfen. Eine Andacht.

Der Frühling tut gut! Er lässt er mich hoffnungsvoll aufatmen, einfach weil er ist, wie er ist. Nach den dunklen und oft trüben Wintertagen spendet das Frühjahr Wärme, Licht und vor allem eine wahre Farbenpracht. Gelbe Forsythien leuchten um die Wette mit den weißen und rosafarbigen Blüten der ersten blühenden Bäume. Wer sein Gesicht der Sonne entgegenstreckt, die Augen schließt und sich auf seinen Geruchssinn konzentriert, nimmt außerdem einen leichten Duft von Hyazinthen und Primeln in der noch frischen Luft wahr.

Wie schön ist die Welt! Ich stehe auf unserer Terrasse und sauge all diese frühlingshaften Eindrücke an einem sonnigen Tag dankbar in mich auf – wohl wissend, dass ein früher Frost oder zu wenig Regen die blütenprächtige Verheißung schnell zunichtemachen kann.

Dann – wie ein Filmriss – auf einmal der noch viel erschreckendere Gedanke, dass gleichzeitig wenige tausend Kilometer von uns entfernt ein Krieg tobt. Einer von vielen Konflikten auf diesem Globus, der uns aber bedenklich nahe ist – und damit greifbarer, realer, Angst einflößender. Mit der Erinnerung daran legt sich ein Grauschleier über meine unbekümmerte, kindliche Frühlingsfreude. Geballte Schönheit und abgrundtiefe Dunkelheit liegen manchmal so eng beieinander.

Ein unbeschwertes Osterfest?

Als diese Gedanken ungebeten und zugleich unbarmherzig an die Oberfläche purzeln, frage ich mich, ob es überhaupt in Ordnung ist, wenn ich mich so unbeschwert über diesen sonnigen Tag freue. Dass ich mich so vorbehaltlos an dieser Pracht sättige, wenn woanders fruchtbare Erde von schweren Panzern durchwühlt und verhärtet wird, wenn Städte kaputt geschossen werden und Menschen gegeneinander kämpfen und sterben?

Ist es richtig, dass ich Ostern feiere mit Tulpen auf dem Tisch, mit Schokohasen, die ich meinen Kindern verstecke, mit Essen im Überfluss und Besuchen bei Oma und Opa? Darf ich das Fest genießen, wenn anderswo Familien auseinandergerissen werden, auf der Flucht und schließlich in Turnhallen notdürftig unterkommen, auch in meiner Stadt? Ist es legitim, dass ich die Nachrichtenfunktion des Handys an den Feiertagen ausschalte und mich auf das Nötigste an Information beschränke?

Die Experten in den Medien sagen mir, dass ich das alles darf und sogar muss, wenn ich körperlich, emotional und seelisch gesund bleiben möchte. Eine gewisse Distanz zu all dem Schrecklichen sei sogar notwendig, wenn ich im Rahmen meiner Möglichkeiten helfen möchte.

Trotzdem: So ganz unbeschwert werde ich, wirst wohl auch du, Ostern auch in diesem Jahr nicht feiern. Nach den Coronajahren und dem Angriffskrieg in der Ukraine ist zuletzt der Terrorangriff auf Israel und dessen Folgen der nächste Schatten, der sich über unseren bislang relativ sorglosen Lebensstil in Westeuropa gelegt hat.

Als Mensch, als Christin, muss ich mit dieser Spannung leben lernen. Das möchte ich auch. Es wäre zynisch und falsch, das Schicksal weniger privilegierter Menschen einfach auszublenden.


Es gehört zu meinem Auftrag als Christin in dieser Welt dazu, dass ich da praktisch helfe, wo ich es kann. Wo ich rein äußerlich nichts bewirken kann, möchte Gott, dass ich für die Machthaber, für die Kriegsparteien, für die Flüchtlinge, die Soldaten, die betroffene Zivilbevölkerung und die Christen vor Ort bete. Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Tag für Tag, Abend für Abend. Das ist meine Aufgabe, der ich mich auch an den Feiertagen nicht entziehen möchte.

Ostern zerbricht nicht an der Realität des Bösen

Aber gleichzeitig will ich mich freuen und an der Hoffnung festhalten, dass eines Tages alles, wirklich alles gut werden wird. Gott verspricht, dass er alles neu machen wird. In seiner Zukunft gibt es keine Kriege, keine Krankheiten und keinen Tod mehr. Auch belastende „Kleinigkeiten“ wie Streitereien bei Familienfesten oder unlösbare Probleme auf der Arbeit gehören dann der Vergangenheit an.

Der aufbrechende Frühling mit all seiner Wärme, Macht und Pracht und nicht zuletzt das Osterfest mit seiner Botschaft der Auferstehung sind jährlich wiederkehrende Boten dieser Hoffnung.


Wenn ich auf diese Boten höre, dann verstehe ich die tieferen Zusammenhänge, in denen wir leben und denen wir nicht ausweichen können. Diese Zusammenhänge sind nicht angenehm. Denn sie machen klar, dass diese Welt und auch die Natur trotz aller Schönheit nicht so sind, wie sie sein sollten. Auch der einzelne Mensch ist trotz aller persönlicher Anstrengung nicht so, wie er sein sollte und vielleicht auch gerne wäre. Welt, Natur, Gesellschaft und Mensch sind erlösungsbedürftig.

Auf diese ernüchternde Erkenntnis folgt dann aber die gute Nachricht: An Karfreitag schafft Gott die Erlösung, indem er in Jesus Christus alles Böse, alles Kaputte und jede Schuld auf sich nimmt und dafür stirbt. An Ostern schafft Gott neues Leben, indem er Jesus Christus von den Toten auferweckt und damit den Tod und alle Zerstörung besiegt. Beides zusammen gilt sowohl mir persönlich als auch der Gesellschaft um mich herum. Es gilt für die Welt und die Natur als Gesamtheit!

Ostern verkündet letztlich eine einzige Friedenbotschaft: Es geht um Frieden zwischen dem einzelnen Menschen in seiner Beziehung zu Gott.


Es geht um Frieden zwischen den Menschen, um Frieden für zerstrittene Völker und Kulturen, aber auch um Frieden für die Schöpfung mit ihrer Vielzahl an Tieren, Pflanzen, Organismen und Ökosystemen.

Ostern setzt dem Krieg eine starke Botschaft engegen

Deswegen glaube ich, dass wir gerade in Kriegs- und Krisenzeiten Ostern feiern müssen, wenn wir nicht wahlweise verrückt, gleichgültig oder zynisch werden wollen. Gerade in schwierigen Zeiten müssen wir die Botschaft von Ostern noch mehr als sonst hören und verinnerlichen. Denn sie gibt uns Mut, die Probleme dieser Welt trotz aller Herausforderungen anzupacken.

Gleichzeitig hilft sie uns immer wieder neu, mit Gottes Hilfe eine Haltung der Liebe und der Vergebung gegenüber unseren Mitmenschen einzunehmen. Auch gegenüber dem, der mir nicht wohlwollend gesinnt ist. Letztlich sogar gegenüber dem Feind. Ich glaube, im Angesicht von Krieg und Zerstörung gibt es keine stärkere Botschaft als diese.

Paulus, ein Autor der Bibel, hat wunderschöne Worte gefunden, um diese Frühlings- und Osterhoffnung zu formulieren. Ich möchte sie zum Abschluss hier zitieren und dir damit ein frohes und gesegnetes Osterfest wünschen:

„Ich bin ganz sicher, dass alles, was wir in dieser Welt erleiden, nichts ist verglichen mit der Herrlichkeit, die Gott uns einmal schenken wird. Darum wartet die ganze Schöpfung sehnsüchtig und voller Hoffnung auf den Tag, an dem Gott seine Kinder in diese Herrlichkeit aufnimmt. Ohne eigenes Verschulden sind alle Geschöpfe der Vergänglichkeit ausgeliefert, weil Gott es so bestimmt hat. Aber er hat ihnen die Hoffnung gegeben, dass sie zusammen mit den Kindern Gottes einmal von Tod und Vergänglichkeit erlöst und zu einem neuen, herrlichen Leben befreit werden“ (Römer 8,18-21).

 

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Redakteurin, Autorin und begeisterte Theologin. Ihre Faszination für die Weisheit und Bedeutung biblischer Texte möchte sie gerne anderen zugänglich machen.  In der Sendereihe "Das Gespräch" spricht sie am liebsten mit Gästen über theologische und gesellschaftlich relevante Themen. Sie liebt Bücher und lebt mit ihrer Familie in Mittelhessen.

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