In vielen Gemeinden spielen Kinder in der Gottesdienstgestaltung und im Gemeindeleben keine große Rolle. Jesus verdeutlicht in der Bibel, dass Erwachsene von Kindern viel über den Glauben lernen können. Der Kinderevangelist Jörg Bartoss teilt diese Meinung und fordert Erwachsene auf: „Beschäftigt euch mehr mit dem Glauben von Kindern!“
ERF Online: Jesus sagt ja in Matthäus 19, 14: „Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen, denn solchen gehört das Himmelreich.“ Fällt es Kindern leichter, an Gott zu glauben?
Jörg Bartoss: Ja, Kindern fällt es leichter, an Gott zu glauben, weil sie einen anderen Glauben haben – einen kindlichen Glauben. Jesus sagt in Matthäus 18,2 sinngemäß: „Seht wie die Kinder glauben. Wenn ihr so glaubt wie sie, dann ist es einfacher, Gott zu sehen, zu hören und ihn zu erleben.“ Kinder haben die Vorstellung: Da gibt es jemanden, der mich liebt und der immer da ist. Man sagt, dass 80 Prozent sich im Alter von vier bis elf Jahren für Jesus entscheiden. Diese 80 Prozent gilt es zu fördern, damit sie auch im Erwachsenenalter am Glauben dran bleiben.
Kinderglaube vs. Erwachsenenglaube
ERF Online: Worin unterscheidet sich denn der Glaube eines Kindes und der Glaube eines Erwachsenen?
Jörg Bartoss: Erwachsene reflektieren und hinterfragen viel stärker als Kinder es tun. Kinder glauben schnell das, was man ihnen erzählt. Deswegen ist es gerade in der Arbeit mit Kindern so wichtig, dass wir uns genau überlegen, was und wie wir etwas einem Kind sagen.
ERF Online: Ist es möglich, dass man auch als Erwachsener den Glauben eines Kindes behält?
Jörg Bartoss: Wenn Kinder im Kindesalter gute Erfahrungen mit dem Glauben gemacht haben und nicht enttäuscht wurden, dann nehmen sie diesen Glauben mit. Klar, im Teenageralter reflektiert man den Glauben. Dennoch hinterfragt man ihn häufig dann nicht so stark wie andere Teenager, die nicht so gute Erfahrungen mit dem Glauben gemacht haben. Wenn ich also positive Erfahrungen als Kind gemacht habe, dann kann ich diesen Kinderglauben tatsächlich mitnehmen.
ERF Online: Zu Beginn denkt das Kind vielleicht, Gott wäre so jemand wie der Weihnachtsmann, der jeden Wunsch erfüllt. Die Realität sieht aber anders aus. Wie kann der Kinderglaube dennoch ungebrochen bleiben?
Jörg Bartoss: Es ist wichtig, Kindern den Glauben richtig zu vermitteln. Wir sollten ihnen beibringen, dass Glauben nicht bedeutet, Gott einen Wunsch zu nennen und er ihn immer schlagartig erfüllt. Wir sollten ihnen vermitteln, dass Glaube vielmehr Vertrauen bedeutet. Auf unserem Kindermissionsfest haben wir den Kindern deutlich gesagt, dass Gott auf Gebete manchmal anders als erhofft antwortet. Und dass diese Entscheidung von Gott ganz unterschiedliche Gründe haben kann. Im Nachhinein sagen auch gelegentlich Erwachsene, dass sie froh sind, dass Gott nicht jedes Gebet so beantwortet hat, wie sie es als Kind erhofft haben. Dadurch lernen Kinder, dass Gott nicht alles schenkt, sondern genau das, was sie benötigen und was gut für sie ist.
Häufig sind an den Enttäuschungen von Kindern andere Menschen beteiligt. Da ist es eine wichtige Aufgabe von Kinderevangelisten und Kindermitarbeitern, Kinder zu begleiten. Gerade dann, wenn sie Fragen stellen wie: „Warum streiten sich Mama und Papa?“ Da können wir ihnen sagen: „Hey, das sind Menschen, die freie Entscheidungen treffen können. Gott lässt ihnen diese Freiheit.“ So lernen die Kinder zwischen menschlichem Versagen und Gottes fehlendem Eingreifen zu unterscheiden.
„Kinder sollen spüren, dass sie wichtig sind!“
ERF Online: Wie kann die Gemeinde dazu beitragen, dass die Gottesbeziehung der Kinder gestärkt wird und sie zu motivierten Jesusnachfolgern werden?
Jörg Bartoss: Gemeinden sollten einen Blick für die Kinder kriegen und sich für diese Kinder mit Leidenschaft einsetzen. Die Kinder sind nicht die Gemeinde von morgen, sondern bereits die Gemeinde von heute. Leider merke ich immer mehr, dass Gemeinden die Arbeit mit Kindern eher stiefmütterlich behandeln und keine Priorität darauf setzen. Doch wir sollten in Kinder investieren und sie in den Mittelpunkt stellen, so wie Jesus es auch getan hat.
ERF Online: Nun könnten Gemeinden Kindergottesdienste anbieten oder auch den Gottesdienst kindgerechter gestalten. Was wäre sinnvoller?
Jörg Bartoss: Wichtig ist natürlich der regelmäßige Kindergottesdienst oder die regelmäßige Jungscharstunde, um Beziehungen aufzubauen und Kinder intensiv zu begleiten. Dann sind natürlich Highlights für Kinder wichtig. Dabei denke ich an Kinderbibelwochen oder Kinderfreizeiten. Kinder sollen spüren, dass sie wichtig sind und dass sich Mitarbeiter leidenschaftlich für sie einsetzen.
Außerdem finde ich es wichtig, dass Kinder in den Gottesdienst integriert werden. In vielen Gottesdiensten werden die Kinder erst dann erwähnt, wenn sie in den Kindergottesdienst verabschiedet werden. In anderen Gottesdiensten werden die Kinder nach vorne eingeladen, um eine Kerze anzuzünden und dann wird noch für sie gebetet oder mit ihnen ein Lied gesungen. Dadurch merken sie, dass sie wichtig sind und wirklich zur Gemeinde dazugehören.
ERF Online: Kinder können in den Gottesdienst integriert werden. Sind Kindergottesdienste parallel zum Gottesdienst dann überhaupt nötig?
Jörg Bartoss: Erwachsene brauchen anderen Input als Kinder, daher ist es wichtig, altersgerechtes Programm für Kinder anzubieten. Natürlich kann man zwischendurch auch Familiengottesdienste gestalten, denn das tut dem eher verkopften Erwachsenenglaube auch gut. Dennoch ist auf die Zielgruppe zugeschnittenes Programm wichtig. Die Vorschulkinder brauchen etwas anderes als jetzt beispielweise Jungscharkinder oder Teenager. Es wäre gut, wenn der Anfang des Gottesdienstes familiengerecht gestaltet wird und anschließend dann die Kinder ihr eigenes Programm bekommen.
„Wie machen Kinder Gotteserfahrungen?“
ERF Online: Jesus bringt die Kinder als Beispiel, dass sie Erwachsenen in einigen Dingen voraus sind. Was können Erwachsene von Kindern konkret lernen?
Jörg Bartoss: Wir können von ihnen dieses kindliche Vertrauen lernen. Ich habe in einem Buch mal folgende Geschichte gelesen: Ein Kind läuft auf einer Mauer und ruft plötzlich „Papa“ und springt von der Mauer - dem Vater in die Arme. Der Vater reagiert empört und fragt, wie das Kind so etwas machen kann. Doch genau das bedeutet im Grunde genommen der Glaube: Vertrauen, dass Gott uns auffängt. Wir sollten neu dieses Vertrauen lernen und daran festhalten, dass Gott da ist, uns trägt und hält.
ERF Online: Wäre es hilfreich, mit Kindern darüber ins Gespräch zu kommen, oder genügt es zu wissen, wie Kinder glauben?
Jörg Bartoss: Es hilft Erwachsenen den Glauben der Kinder nachzuvollziehen, wenn man sich mit ihnen beschäftigt und mit ihnen redet. Es gibt so viele interessante Fragen, die ich mir aktuell stelle: Wie machen Kinder Gotteserfahrungen? Wie vertrauen sie? Was denken Kinder über Erwachsene und was denken Erwachsene über Kinder? Im Gespräch mit den Kindern kann man sehr viel von ihnen lernen.
ERF Online: Herr Bartoss, Sie engagieren sich schon einige Jahre in der Arbeit mit Kindern. Was begeistert Sie an Kindern?
Jörg Bartoss: Mich begeistert an ihnen, dass sie fröhlich und glücklich sind. Mich begeistert aber auch, dass sie ehrlich sind. Ein Kind sagt, wenn etwas blöd gelaufen ist. Erwachsenen fällt das oft schwer. Und es gibt nichts Schöneres, als wenn ich auf der Bühne stehe und den Kindern von Jesus erzähle und mich ein Kind strahlend anschaut. Ich liebe es, wenn man in den Augen der Kinder die Begeisterung für Jesus sieht.
ERF Online: Herzlichen Dank für das Interview.
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