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© Johanna Ewald

16.06.2014 / Interview / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Nelli Bangert

Nach dem Abi in die Bronx

Nach dem Abi in die Bronx Mit 18 reiste Johanna Ewald nach New York, um in der Bronx für verwahrloste Kinder da zu sein.

 

 

Mitten in den Ghettos von New York hat Johanna Ewald sich für Kinder engagiert. Mit der Organisation Metro World Child nahm sie mit 18 Jahren an einem Einsatz teil. Von ihren schönen, aber auch gefährlichen Momenten berichtet sie im Interview mit ERF Online.
 

ERF Online: Johanna, mit 18 Jahren warst du mit "Metro World Child" für vier Monate in New York. Was war deine Aufgabe in dieser Zeit? 

Johanna Ewald: Wir haben in Brooklyn gelebt und wurden dann in Teams aufgeteilt, die sich in New York verteilt haben. Ich habe samstags in Brooklyn gearbeitet, weil wir dort auch die Kinder für den Kindergottesdienst abgeholt haben. Doch die meiste Zeit habe ich mit einem Team, das aus drei Festangestellten und drei Praktikanten bestand, in der Bronx gearbeitet. Meine primäre Aufgabe war es, die Kindergottesdienste in den Ghettos mitzugestalten. Ich habe unter anderem gepredigt und moderiert. Außerdem habe ich die Familien der Kinder besucht, um Kontakte zu den Familien zu knüpfen. 

„Die Mütter haben gekifft.“

ERF Online: In Städten, in denen hohe Arbeitslosigkeit herrscht, ist die Gefahr groß, dass Kinder verwahrlost aufwachsen und sich niemand um sie kümmert. Wie hast du die Situation der Kinder erlebt?

Johanna Ewald: Als ich das erste Mal durch die Straßen von Pelham gelaufen bin, habe ich Kinder auf dem Spielplatz spielen gesehen. Das hat mich positiv überrascht, weil ich mir die Situation der Kinder schlimmer vorgestellt habe. Beim zweiten Blick habe ich allerdings gesehen, dass die Mütter nebenan gekifft haben. Was soll man also zu der Lage der Kinder sagen? Viele Kinder sind verwahrlost. Sie tragen zwar häufig Markenklamotten, aber in einfacher Ausführung. Und das oft wochenlang, bis die Kleidung so dreckig ist, dass sie anfängt zu stinken. 
 

ERF Online: Du bist in New York vielen Kindern begegnet. Wie waren die Begegnungen mit den Kindern für dich?

Johanna Ewald: Die Kinder waren das Beste an der Arbeit. Sie waren offen und haben sich sehr über das Programm gefreut. Für viele von ihnen war das Programm ein Highlight. Die Kinder in New York verfügen natürlich über ganz andere Energien, als wie wir sie von deutschen Kindern kennen. Sie lieben Tanz und Musik und haben daran viel Freude. Mit diesen Elemtenten kriegt man sie sehr gut, mit Regeln dafür nicht so gut. Dennoch hilft es ihnen, wenn wir ihnen Strukturen geben und sie lernen damit umzugehen.
 

ERF Online: Woran liegt es, dass die Kinder mit Regeln nichts anfangen können? 

Johanna Ewald: Das liegt an der Erziehung. Die Eltern sagen zu ihnen Kommentare wie: „Wenn du das nicht tust, dann breche ich dir ein Bein.“ Die Kinder merken, dass die Eltern trotz Strafankündigung selten strafen. Und wenn, dann meist nur auf unfaire Art und Weise. Deswegen respektieren die Kinder kaum noch irgendwelche Regeln. Stattdessen machen sie das, worauf sie selbst Lust haben.

In Gefahren konnte nur noch Jesus helfen

ERF Online: Du hast nicht nur tolle Erinnerungen von lachenden Kindern vor Augen, wenn du an deine Zeit in New York denkst. Kannst du von einer Situation berichten, die dich in Gefahr gebracht hat?

Johanna Ewald: Da fällt mir direkt eine Situation im Aufzug ein. Grundsätzlich waren Aufzüge etwas, worauf ich mich gar nicht gefreut habe, weil es eben ein enger Raum ist. Wenn jemand dazusteigt, hatte man nicht immer die Chance, rauszugehen. Und dann stand ich einmal drinnen und die Tür war schon am Schließen, als zwei Männer reingesprungen sind. Die beiden hatten eine richtig negative Ausstrahlung, deswegen bekam ich ein mulmiges Gefühl. Die Türen schlossen schon und ich begann zu beten.

Und dann – zum Glück – hat eine Frau nach ihnen gerufen und die beiden Männer sind überraschenderweise doch noch aus der Tür geschlüpft und ich war wieder alleine. Diese Situation war echt krass. Ein anderes Mal wurde ich zwei Stunden von einem Typen verfolgt. Er war regelmäßig dort, wo ich auch war. Das konnte also kein Zufall sein. Um mich zu schützen, habe ich mich dann mit Kindern umgeben und bin in die Schule gegangen.
 

ERF Online: In solchen Situationen bekommt man Angst. War Jesus in diesen Augenblicken präsent für dich? 

Johanna Ewald: Ja, auf jeden Fall. In solchen Momenten dachte ich: „Mir kann jetzt nur noch Jesus helfen. Ansonsten bin ich jetzt ziemlich auf mich alleine gestellt und habe Pech gehabt.“ In meiner Zeit in New York hatte ich eine tiefere Beziehung zu Jesus als irgendwo anders. Er war ganz oft mein einziger Rettungsanker.
 

ERF Online: Trotz diesen Erfahrungen bist du weiterhin in New York geblieben. Was hat dich dazu motiviert?

Johanna Ewald: Ich bin sehr ehrgeizig und gebe nicht schnell auf. Trotzdem war ich teilweise kurz vorm Aufgeben. Doch dann war es teilweise mein eigener Stolz, dass ich dachte: „Ich kann jetzt nicht abbrechen und zwei Monate früher heimreisen.“ Später war es dann so, dass ich so enge Beziehungen zu den Kindern hatte, dass ich sie nicht mehr verlassen wollte. Am Anfang waren die Beziehungen nicht so ausgeprägt, weil ich die Kinder nicht kannte und keine engen Beziehungen zu den Familien hatte. Das war natürlich schwerer, weil alles neu war. Die Zeit in New York war wirklich herausforderungsvoll.
 

Johanna Ewald reiste mit 18 Jahren nach New York, um sich dort für Kinder einzusetzen.
© Foto: Johanna Ewald

„Die Zeit in New York hat mein Leben geprägt.“

ERF Online: Wie hat diese Zeit dich geprägt?

Johanna Ewald: Ich denke viel mehr über Ungerechtigkeiten nach und die Kinder in New York sind mir sehr wichtig geworden. Mittlerweile habe ich auch ein Patenkind dort. Mein Herzensanliegen ist es, etwas in dieser Richtung zu bewegen. Von daher hat es mein Leben auf jeden Fall geprägt und auch meine Beziehung zu Gott noch einmal verändert.

Die Kinder sind für mich ein großes Vorbild geworden. Teilweise haben sie Dinge erlebt, die wir noch nicht einmal gehört haben. Trotzdem glauben sie an Gott und feiern Gottesdienste, wie kaum ein anderer Christ neben ihnen. An ihnen habe ich gesehen, dass trotz großem Leid der Glaube an Jesus viel Freude geben kann.
 

ERF Online: Hat dir dein Auslandaufenthalt wegweisende Impulse gegeben, wie du deine Zukunft gestalten willst?

Johanna Ewald: Mein Traum ist es, Humanmedizin zu studieren. Damit will ich dann ins Ausland gehen – irgendwie liegt mir Afrika am Herzen. Dort würde ich gerne einen Einsatz machen.
 

ERF Online: Alles Gute für dich und deine Zukunft. Herzlichen Dank für das Interview.

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Kommentare (1)

Angelika /

Danke, dass Sie uns an diesen Erlebnissen teilhaben lassen. Beruflich habe ich auch mit Familien zu tun und bin jedes Mal erschrocken, wie Eltern teilweise mit ihren Kindern umgehen. Da ich selbst mehr

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