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© Juan Manuel Sanchez / unsplash.com

10.08.2022 / Bericht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Regina König

Lernen aus der Katastrophe

20 Jahre nach der Jahrhundertflut in Sachsen

 

Wassermassen bahnten sich ihren Weg und rissen alles mit, was im Weg stand: Autos, Brücken, Häuserwände. Im August vor zwanzig Jahren erschütterten die Bilder des Hochwassers in Sachsen, Bayern und Österreich die Welt. Von einer Jahrhundertflut wurde damals gesprochen, heute wissen wir: das Hochwasser von 2002 war der traurige Auftakt von weiteren, teils noch verheerenderen Fluten – wie zuletzt in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Was geschah damals im August vor 20 Jahren und was haben wir aus der Naturkatastrophe gelernt? Darüber spricht ERF-Moderatorin Saskia Klingelhöfer mit Regina König.


ERF: Regina, du hast vor 20 Jahren für uns berichtet aus der Hochwasserregion in Sachsen.

Regina König: Ja, Sachsen war damals am schwersten betroffen von den extremen Regenfällen, es regnete dort am 12. und 13. August so viel wie noch nie zuvor in Deutschland seit Wetteraufzeichnung. Allein in Sachsen entstanden durch die Flut Schäden im Wert von 8,6 Milliarden Euro, 21 Todesopfer waren zu beklagen.

Eine weinende Frau steht vor ihren schlammverschmierten Mänteln, Röcken, Kleidern

ERF: Und du bist damals selbst unterwegs gewesen in den von der Flut betroffenen Gebieten.

Regina König: Und die Eindrücke von damals sind mir noch sehr lebendig. So bin ich z.B. gemeinsam mit Dietmar Hohm, er war Bürgermeister eines kleinen Ortes bei Chemnitz (Niederwiesa), gemeinsam durch das Flutgebiet mit Gummistiefeln gewatet. Er selbst hatte drei Tage und drei Nächte nicht geschlafen, war unermüdlich im Einsatz.

Wir begegneten u.a. einer Frau, die weinend vor ihrem zerstörten Haus stand, neben ihr eine Kleiderstange mit schlammverschmierten Mänteln, Hosen, Röcken. In Pirna an der Elbe habe ich einen Familienvater interviewt, der im frisch sanierten Haus zunächst die Möbel vom Erdgeschoss in die 1. Etage rettete, dann in die 2. Etage – zum Schluss hat die Familie alles verloren, noch nicht einmal die Fotoalben hat die Flut ihnen gelassen. Das sind Eindrücke und Gespräche, die ich nicht vergesse.


ERF: Zwanzig Jahre sind seitdem vergangen und wir wissen: diese Extrem-Hochwasser können uns jederzeit wieder bedrohen. So wurde Sachsen nur elf Jahre später von einer erneuten Flut heimgesucht, 2013. Was hat der Freistaat aus den Naturkatastrophen gelernt?

Regina König: Viel!, möchte ich behaupten. Das ZDF-Magazin Frontal hat zusammengerechnet: Sachsen hat in den vergangenen 19 Jahren 539 Projekte umgesetzt und dafür 3 Milliarden Euro ausgegeben. So sind z.B. Rückhaltebecken entstanden, Flutmulden und Flutschutzmauern, aber auch die Renaturierung von Auen und Flussläufe wird angepackt.

Außerdem ist Sachsen das einzige Bundesland, das eine Landeshochwasserzentrale eingerichtet hat. Und jeder sollte, soweit das möglich ist, Eigenvorsorge treffen – also flutsicher bauen und renovieren. Und sich informieren: so habe ich mir schlicht eine Bürger Info- und Warn-App auf mein Handy geladen.

Sachsen: 539 Flutschutz-Projekte umgesetzt

ERF: Auch Kirchen und Gemeindehäuser waren von der Flut 2002 betroffen.

Regina König: Ja, mehr als 100 Objekte wurden beschädigt, allein für die evangelische Kirche in Sachsen entstand ein Schaden von etwa 13,5 Millionen Euro. Aber auch hier hat man dazugelernt und umgedacht, dazu ein Beispiel: die Kirchengemeinde in Bad Schandau an der Elbe hat die durch die Flut zerstörten Kirchenbänke durch eine flexible Bestuhlung ersetzt. Das hat sich bewährt, so konnte die Gemeinde bei den folgenden Hochwassern problemlos beräumt werden.

Flutschutzmaßnahme: Kirchenbänke durch Stühle ersetzt

ERF: Bad Schandau stand nun wieder in den Schlagzeilen durch die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz….

Regina König: Aber das Städtchen selbst ist nicht betroffen, die Brandherde liegen weiter entfernt und sind mittlerweile unter Kontrolle. Auch Wandern ist wieder erlaubt im Nationalpark.


ERF: 20 Jahre nach der Flut – mehrere Kirchengemeinden an Elbe, Mulde und anderen Flüssen in Sachsen nehmen das zum Anlass für Gedenkgottesdienste.

Regina König: Und es gibt auch Dankgottesdienste! Denn mit der Erinnerung an die zerstörerischen Wassermassen kommt auch die Erinnerung an die enorme Hilfe aus dem gesamten Bundesgebiet. So lädt z.B. die Kirchgemeinde Grimma ein zu einem Konzert am 13. August um 20:00 Uhr, in dem an das Hochwasser erinnert und jenen gedankt wird, die in den Tagen der Not mit Spenden und tätiger Aufräumarbeit zur Seite standen.


ERF: Zwanzig Jahre nach der Jahrhundertflut in Sachsen – Danke, Regina, für deine Eindrücke.
 

 Regina König

Regina König

  |  Redakteurin

Für ERF Plus in Mitteldeutschland unterwegs. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder.

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