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© Yuri Arcurs / istock.com

11.05.2012 / Kommentar / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Der Name der Autorin ist der Redaktion bekannt

Leben ohne Kinder

Warum das Familienmodell für Christen nicht der einzige Lebensentwurf ist.

Ich wollte schon als Kind keine Kinder. Ich träumte nicht davon, einen Säugling in den Armen zu wiegen, ich malte mir keine Familienidylle aus und Mütter beneidete ich nicht. Nun befinde ich mich ungefähr in der Lebensmitte, aber im Wesentlichen haben sich diese Gefühle bislang nicht geändert. Ich bin verheiratet und habe keine Kinder. Es ist für uns okay so, wie es ist.

Christliche Meinungen
Mit unserer Kinderlosigkeit schien unser christliches Umfeld jedoch ein Problem zu haben. Heißt es in der Bibel nicht: „Seid fruchtbar und mehret euch“ (1Mo 1,28)? Wir kommen also unserem Reproduktionsauftrag nicht nach! Können wir dann „gute Christen“ sein? Sind dies nicht die „faulen Früchte der Emanzipation“?

Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man einige christliche Zeitschriften liest. Anscheinend träumen alle christlichen Frauen davon, Mutter zu sein. Keine Kinder zu haben ist offenbar für viele Christen unvorstellbar. Es scheint das einzig wahre Lebensmodell darzustellen.

Schaden Kinderlose Deutschland?
In manchen christlichen Artikeln melden sich unfreiwillig Kinderlose zu Wort. Sie leiden in der Regel unter ihrem Zustand. Die in Partnerschaften lebenden freiwilligen Kinderlosen hingegen stehen im Verdacht,  Egoisten zu sein und dem gesamten deutschen Volk zu schaden, denn sie setzen keine zukünftigen Steuerzahler, Rentenzahler und Konsumenten in die Welt. Und wer soll die vielen Alten in Zukunft einmal pflegen? So lautet häufig der Tenor in manchen Kommentaren oder Forendiskussionen. Man müsse die Kinderlosen „bestrafen“, indem man sie mehr zur Kasse bittet.

Wenn man Veröffentlichungen zu diesem Thema liest, seien sie christlich oder nicht, fühlt man sich regelrecht unter „Gebärpflicht“ – aus einer zunächst privaten Angelegenheit wird unversehens eine politische. Ob man Kinder hat oder nicht, ist keine rein persönliche Frage mehr, sondern interessiert plötzlich den Rest der Welt. Kinderlose stehen unter Rechtfertigungsdruck.

Nicht jeder ist für Elternschaft geeignet
Ich glaube hingegen daran, dass das Glück, Kinder zu haben, nicht das einzige Lebensglück auf Erden ist. Und wer nicht davon träumt, wer es sich nicht ersehnt und erhofft – warum sollte man ihn dazu zwingen?

Nicht jeder ist gewillt oder dafür geeignet, Vater oder Mutter zu sein. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und individuell, es können Prägungen aus der Kindheit, finanzielle Schwierigkeiten oder Krankheiten sein – körperlich oder psychisch. Manch einer hat vielleicht einen besonders großen Lebenstraum, den er nur ohne Familie verwirklichen kann.

Ledig um des Reiches Gottes willen
Es gab auch schon in früheren Zeiten freiwillige Kinderlosigkeit, denn im Neuen Testament findet sich das Modell der Ehelosigkeit für diejenigen, die sich berufen fühlen, ein Leben für Gott zu führen. Jesus sagt: „Und es gibt Menschen, die verzichten auf die Ehe, um Gott besser dienen zu können. Wer es versteht, der richte sich danach!“ (Mt 19,12). Mit dem Verzicht auf die Ehe verzichtete man in der Regel auch auf Kinder.

Jesus, Paulus und Johannes der Täufer entschieden sich somit offenbar freiwillig dafür, keine leiblichen Kinder zu haben. Ich gehe davon aus, dass sie es taten, weil sie für ihr Leben eine andere Berufung sahen und sich konsequent danach ausrichteten. Würde jemand ernsthaft behaupten, ihr Leben sei unglücklich, verfehlt oder gar sinnlos gewesen?

Verantwortung gegenüber der Gesellschaft
Ein Wort zum Thema "Kinderlose würden Deutschland schaden": Es stimmt, die Kinderlosen ziehen keine zukünftigen Steuerzahler und Rentenzahler groß. Man könnte aber auch provokant umformulieren: Sie ziehen ebenfalls keine zukünftigen Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfänger groß. Arbeitslosigkeit ist schon seit langer Zeit ein Problem unserer Gesellschaft, Millionen Menschen sind davon betroffen. Das wird voraussichtlich auch in Zukunft so sein. Wenn sich dies nicht ändert, werden viele der heute Geborenen in Zukunft daher keine Rentenzahler, sondern ebenfalls Sozialhilfeempfänger sein.

Im Allgemeinen halte ich jedoch die gesamte Diskussion über zukünftige Steuer- und Rentenzahler und über die demographische Entwicklung für verfehlt. Sie reduziert den einzelnen Menschen auf seine „Nützlichkeit“ für die Gesellschaft. Das halte ich für menschenverachtend.

Leben im Alter
Lange habe ich über das Thema Altern ohne Kinder nachgedacht. Während meines Studiums jobbte ich in der Altenpflege. Später erlebte ich sechs Jahre lang im familiären Umfeld einen besonders schweren Pflegefall. In dieser Zeit kam ich sowohl in der Familie als auch in der Gemeinde mit vielen älteren Menschen in Kontakt. Oft war ich in Krankenhäusern und Altenheimen zu Besuch, außerdem kannte ich persönlich Krankenpfleger und auch den Leiter eines Altenheimes.

So erfuhr ich: Nicht jeder alte Mensch wird pflegebedürftig, nicht jeder pflegebedürftige ältere Mensch wird von seinen Kindern gepflegt. Manches Mal können oder wollen es die Kinder nicht. Dafür gibt es die verschiedensten Gründe.
Kinder schützen auch nicht automatisch vor Einsamkeit im Alter und nicht jeder kinderlose Mensch ist im Alter zwangsläufig einsam.

Man trägt daher auch seinen eigenen Anteil dazu bei, wie es im Alter aussehen wird. Kümmert man sich um soziale Kontakte oder vernachlässigt man sie? Klammert man sich an seine Kinder, auch wenn das Familienleben unglücklich verlaufen ist oder die Kinder weit weg gezogen sind? Besteht man darauf, in der eigenen Wohnung zu verbleiben oder sucht man nach anderen Formen des Lebens und Wohnens?

Und ist es letztendlich nicht Gott, der zusammen mit uns unserem Leben eine Richtung und Bestimmung gibt? Dies betrifft auch unser Schicksal im Alter und unser Sterben. Bei aller Lebensplanung, die wir betreiben, können wir die Zukunft dennoch nicht absichern. Sie liegt in Gottes Hand.

Richtig – ob mit oder ohne Kinder
Diese Gedanken sind nur Impulse für eigene Überlegungen. Es geht mir nicht darum, ein Lebensmodell gegen das andere auszuspielen. Ich bemühe mich genauer hinzusehen. Gott hat uns als Individuen erschaffen – warum sollten wir dann alle gleich „ticken“? Unsere Schicksale, Lebensmodelle und Berufungen können sehr unterschiedlich sein.

Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder und ich bekomme tatsächlich selbst noch Kinder – aber wenn nicht, wird das Leben eben wie bisher auf eine andere Weise verlaufen. Zusammen mit Gott wird es „richtig“ sein, was auch immer kommen mag. Ob mit oder ohne Kinder.
 

 

Weitere Artikel zum Muttertag:

Der Bär aus Papier - Gedanken einer Mutter

"Umtausch ausgeschlossen!" - warum es sich lohnt, Kinder zu haben

 

Ihr Kommentar

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Kommentare (38)

Annika /

Liebe Redaktion, liebe Autorin,
vielen Dank für die Inspiration zu diesem Thema! Haben Sie Tipps zu weiterführenden Literatur etc.?
Vielen Dank!

gast /

Es kommt halt oft mehreres zusammen. Ich frage mich auch, ob es eine Art Berufung zum Muttersein bzw. Elternsein gibt. Was ist, wenn ein Paar einfach nur einen kleinen Kinderwunsch hat? Wenn mehr

stein /

Liebe Autorin,
ich suche verzweifelt nach Lebensmodellen / Vorbildern ohne Kind. Ich gehöre zu der Gruppe der Verzweifelten, weil nicht freiwillig Kinderlosen. Ich brauche Vorbilder, Leute, die mehr

Sandra /

„Seid fruchtbar und mehret euch“ (1Mo 1,28)
Ich glaube Gott denkt tiefer als wir :) Ging es nicht immer in erster Linie darum Menschen zu Jesus Christus zu führen und zu Kindern Gottes zu machen?

Silke T. /

Endlich kommt so ein Kommentar aus der
christlichen Ecke. Er ist informativ und ausgewogen. Andere Kommentare bestätigen mich darin, dass es richtig ist den Kontakt nicht zu allen Christen zu intensivieren, diese erinnen eher an biblischen Mißbrauch und Härte.

Diana /

Die Autorin schreibt im letzten Abschnitt: "Zusammen mit Gott wird es „richtig“ sein, was auch immer kommen mag. Ob mit oder ohne Kinder." Diese Aussage gefällt mir ausgesprochen gut. Zusammen mit mehr

Hans-Joachim V /

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte anonyme Autorin,
zu einem Kommentar gehört, dass sich jemand mit seinem Namen dazu bekennt. Das wäre nur dann nicht nötig, wenn es sich um einen mehr

Kerstin /

In den Kommentaren wird nicht nur freiwillig oder bewusst gewählte Kinderlosigkeit angesprochen, sondern vor allem das Bild der Frau und ihre Stellung in Familie und Gesellschaft. Anscheinend sind mehr

Kerstin /

Meine Kinder haben mich gelehrt, dass Lieben damit anfängt, den anderen mit all seinen Gefühlen und Bedürfnissen ernst zu nehmen und auch zu zu respektieren wenn er in eine andere Richtung will als mehr

Christine K /

Hallo,
ich habe auch keine Kinder udn ich habe mit großem Interesse Ihren Artikel gelesen. Es hat mir sehr gefallen der Satz "Kinderlose ziehen auhc keine Sozialhilfeempfänger groß!" - sehr mehr

Sabine /

Auch ich möchte mich ganz herzlich für die ausgewogenen Gedanken bei der Autorin bedanken. Wie gut, dass Sie den Mut hatten, das so zu schreiben. Für mich beinhalten Ihre Gedanken viel tröstliches.
Mit freundlichen Grüßen,
Sabine

Jens P. /

Der Artikel beginnt mit "ICH wollte..., ICH träumte..., ICH malte..., ..."
...und was will Gott?

Thomas S. /

Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion,
vielen Dank für Ihre Antwort. Nur stellt sich mir die Frage, warum Sie diesen subjektiven Kommentar, so verallgemeinernd veröffentlich haben. Welche mehr

Daniel /

Dass wir Kinder benötigen, um weiter zu existieren möchte wohl niemand leugnen. Aber dass nicht jeder dazu "berufen" ist, Kinder zu erziehen sollte auch jedem klar sein.
Ich finde es auch nicht in mehr

martin m. /

ich bin single und habe mich aus gesundheitlichen gründen gegen kinder entschieden.
ich halte eine freie entscheidung für wichtig,mußt aber dabei etwas einschränken:
unser land ist kinderfeindlich geworden.
frauen mit mehr als zwei kindern werden
als asozial angesehen.

Jasmin E. /

Ich finde es schade, dass die Autorin diesen Kommentar anonym geschrieben hat. Es wird nämlich vieles darin angesprochen, was einmal gesagt/geschrieben weren musste. Falls die Autorin wirklich mehr

Eckhard K. /

Die Motivation für ERF zur Veröffentlichung dieses Beitrages war: "Er soll zu ähnlichen Gedanken anregen" (s. letzter Kommentar). Als Christ brauche ich nur meinen Glauben für diese persönliche Entscheidung, keine "ähnlichen Gedanken".

Thomas S. /

Sehr geehrter Redaktion des ERF,
warum wird mit der Veröffentlichung dieses Artikels unter dieser Überschrift, dem Zeitgeist Rechnung getragen?
Die Autorin, schreibt ihr persönliche Meinung zu mehr

Robert /

Vieles beleuchtet. Trotzdem scheint es mir eine Rechtfertigung zu sein.

C. M. /

Liebe Autorin
ich finde Ihre Argumentation für eine freiwillige Enthaltsamkeit total spannend. Ich halte sie aber für nicht ganz biblisch.
Denn wir müssen immer unterscheiden und auch danach suchen mehr

Horst P. /

Zunächst habe ich mich gefragt, wer steht im Mittelpunktdieses Artikels? Gott oder der Mensch, in diesem Fall die Frau schlechthin?
Wir müssen hier unterscheiden, zwischen Frauen, denen es nicht mehr

Diana /

Mein Mann und ich waren viele Jahre ohne Kind glücklich. Ich habe mein ganzes Vertrauen auf Gott gesetzt, weil ich wusste, dass er es gut mit uns meint. Es kam mir nie in den Sinn, unsere mehr

Irmela /

Vielen Dank für diesen für uns Singles mutmachenden Bericht! Man bekommt nicht sehr oft etwas ausgewogenes zu lesen!
God bless you!

Hartmut S. /

Der Kommentar ist mir nicht tiefgründig genug. Dass es Kinderlosigkeit gibt, dass es eine Berufung zur Ehelosigkeit gibt, dass es Leiden an Kinderlosigkeit geben kann, dass manche Kinderlose auch mehr

Marie /

Vielen Dank an die Redaktion von erf.de und die Autorin für diesen differenzierten Artikel!

Christiane H. /

Liebe unbekannte Autorin,
vielen Dank für Ihre Aussagen, die im christlichen Umfeld endlich gesagt werden mussten. Als eine kinderlose gläubige Frau, empfinde ich Ihre Worte als tröstlich und mehr

Harry P. /

Ja das ist ein Interesantes Thema.Ich habe selber zwei Kinder.Es war und ist harte Erziehungsarbeit.Jahrelange Therapien wegen bestimmter Schwierigkeiten .Es kostet viel,was gerne Verschwiegen mehr

Anonyma /

Noch ein Wort zu den so hohen finanziellen Belastungen, die Kinder verursachen, wie einer meiner Vorredner erwähnte: ist es eigentlich im öffentlichen Bewusstsein, wie groß die finanzielle mehr

Anonyma /

Endlich auch aus der christlichen Ecke ein sehr guter Kommentar zu diesem doch eigentlich so persönlichen Thema! Mir, als freiwillig kinderloser, verheirateter Frau kommt bei diesen Diskussionen, ob mehr

ERF-Fan /

Mir scheint, die Autorin bezieht das Thema "Kinder" nur auf die Frage: Was bringen mir bzw. uns die Kinder?
Ein Mensch hat seine Würde dadurch, dass er von Gott gewollt ist.
Beim Lesen des Artikels mehr

Peter /

Liebe Schreiberin, Du machst Dir viele Gedanken. Treffen denn die angeführten, biblischen Grundsätze auf Dich zu? Hast Du Dich Jesus zur Verfügung gestellt? Fragst Du Ihn was Du tun sollst, ob Du so mehr

Myriam S. /

Niemand gefährdet die Rente, wenn er keine Kinder in die Welt setzt.
Die Rente zahlen nämlich nicht die Kinder, sondern die Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten. Und ob das Deutsche sind oder mehr

Lutz W. /

Eine erstaunlich ganz gut durchdachte Betrachtungsweise, finde ich! Gerade vor dem Hintergrund des sozialen Dilemmas, wie es sich in Deutschland angesichts der demoskopischen Entwicklung darstellt. mehr

Anna /

Ich bin ein wenig enttäuscht, weil ich dachte, ich könne ein wenig Einblick bekommen in die Gedanken, wie eine Frau ohne Kinder glücklich leben kann. In Kontakt mit Bekannten, die keine Kinder haben mehr

Femina /

Dieser Artikel ist ehrlich mutig und lesenswert. Für mich ist es auch höchst befremdlich, zu meinen, jede Frau muss am besten gleich nach der Puppenphase von eigenen Kindern träumen. Letztlich ist mehr

Roesger /

Gut geschrieben - aber bitte" wo haben Sie den Begriff des "Volksschädling" her?
Das ist ja Vokabular aus der dunkelsten Zeit.
Vielleicht deswegen genutzt: Frustabbau aus der mehr

Florian /

Die Autorin verfehlt knapp das Ziel.
Richtig ist ihre Feststellung, es gibt einen Schöpfungsauftrag, uns zu vermehren. Richtig ist, in Gottes Reich gibt es für alles eine Ausnahme, auch mehr

Erika M /

Mir geht es damit sehr ähnlich,
vielen Dank für diesen Artikel, er spricht mir aus der Seele. In 17 Ehejahren und vielen Eheseminaren sind wir dieser Antwort nicht Näher gekommen. Uns sind aber die psychischen Erkrankungen in unserer Familie dabei bewußt geworden.

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