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© SCM Hänssler

11.11.2011 / "Israel - mehr als Kibbuz und Orangen" / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Israelfreund - Araberfeind?

Kann ein Israeli, der sein Land liebt und es gegen einseitig westliche Medien in Schutz nimmt, gleichzeitig seine arabischen Nachbarn lieben?

Der Titel klingt harmlos: „Israel – mehr als Kibbuz und Orangen.“ Trotzdem bin ich skeptisch. Muss ein Israel-Buch aus einem evangelikalen Verlag nicht zwangsläufig pro-jüdisch sein? Autor Doron Schneider scheint diesen Vorbehalt in seinem Vorwort zu bestätigen: „Für machen Leser, für den das Thema Israel noch neu ist, könnte ich vielleicht etwas einseitig klingen, weil ich als Israeli mein Volk und mein Land repräsentiere.“  Ich beginne in Hab-Acht-Stellung zu lesen. Die pro-palästinensischen deutschen Medien haben Spuren hinterlassen.

Ein Israeli – viele Fragen

Doch während ich Scheiders Ausführungen folge, entspanne ich mich. Langsam entsteht Vertrauen zu dem Journalisten, der 1978 als Zehnjähriger mit seiner Familie von Deutschland nach Israel einwanderte. Denn der Autor wird nicht polemisch oder fanatisch, wenn er Standpunkte bezieht, die unbequem sind oder unseren europäischen Blickwinkel in Frage stellen: Kann die Versorgungslage in Gaza wirklich so schlecht sein, wenn es dort viele Nobelrestaurants und topmoderne Einkaufszentren gibt? Warum wird über die langen Schlangen der Palästinenser an den Checkpoints geklagt aber verschwiegen, dass ein Jude nicht mehr nach Bethlehem einreisen darf – egal, wie lange er Schlange stehen würde? Wieso schimpfen alle über den Sicherheitszaun statt betroffen zu sein, dass anscheinend nur so die Selbstmordanschläge auf Israelis aufhörten? Weswegen verurteilt die UNO Israel, nimmt aber keine Stellung zu der Versklavung von Frauen und Kindern in der arabischen Welt? Müssen sich Soldaten, die sich weigern auf menschliche Schutzschilde zu schießen und als Dankeschön von den Terroristen zu Krüppeln geschossen werden, als Kriegsverbrecher beschimpfen lassen?

Darf ein Israeli solche Fragen stellen? Darf er uns Europäern – auch uns Christen in Europa – eine solche Sicht zumuten? Ich merke, dass ich beim Lesen der Texte unsicher werde: Wie viel stimmt von der westlichen Berichterstattung? Welche Perspektive liegt näher an der Realität? Woher bekomme ich Informationen, die nicht von der einen oder anderen Seite eingefärbt sind? Schneider kann mir diese Fragen nicht beantworten. Auch aus seinem Buch halte ich einige wenige Aussagen für fragwürdig: Besteht wirklich eine Zusammenhang zwischen dem Beginn der Einwanderung muslimischer Gastarbeiter und der Zunahme des Antisemitismus in Deutschland? Wieder einmal wird mir bewusst, wie wichtig ein skeptischer Umgang mit Medien ist. Vor allem, wenn sie im Mainstream der Meinungen und Darstellungen schwimmen.

Nur ein Weg führt zu dauerhaftem Frieden

Schneider stellt in seinem Buch jedoch nicht nur anderen kritische Fragen. Er schweigt auch nicht über blinde Flecken im eigenen Leben. Seine Vorbehalte gegen Palästinenser fangen zum Beispiel erst 2000 an zu bröckeln. In diesem Jahr trifft er ausgerechnet in Deutschland einen Araber, der ihm versichert, Israel und die Juden zu lieben: „Ich war völlig irritiert, weil ich so etwas in meinem Leben noch nie von einem Araber gehört hatte. Ich kannte die Araber bisher nur von der anderen Seite; die schrecklichen Anschlägen gegen uns Israelis und hasserfüllte Begegnungen mit Arabern während der Militärzeit, durch die meine Kameraden umkamen und verletzt wurden. Und hier kommt auf einmal ein arabischer Christ auf mich zu und zertrümmert mit einem Satz meine ganze Vorbehalte gegen diese Menschen.“

Durch dieses Erlebnis fängt Gott an, dass harte Herz des messianischen Juden zu verändern. Gemeinsam mit dem christlichen Araber startet er einen Gebetskreis für Christen beider Völker. Die Auswirkungen sind für Schneider bis in seinen Reservedienst beim Militär hinein zu spüren: „Ich spüre keinen Hass mehr gegenüber den Feinden Israels, sondern vielmehr Liebe und Mitleid. Manchmal, wenn ich einen verhafteten Terroristen gefesselt in den Militärjeep bringe, bete ich im Stillen für ihn.“ Der Autor ist überzeugt, dass nur Gott eine solche Veränderung in einem Menschen bewirken kann. Und dass die Grundlage für einen echten Friede zwischen Arabern und Juden im versöhnenden Blut des Messias liegt.

Ein Jude als Missionar

Nicht nur aus diesem Grund schlägt das Herz des Mannes für die messianische Gemeinde, in der er mitarbeitet. Er wünscht sich, dass seine Landsleute Jesus als den Messias sehen und begreifen können. Für ihn ist das die letzte Stufe der Verheißung Gottes an sein Volk und gleichzeitig auch der Beginn dafür, dass Gott die Welt auf eine ganz neue Art und Weise segnen wird. Schneider weiß, dass er damit auf Widerstand stößt: „Für die meisten Juden in Israel ist Jesus ein Verfolger und bestimmt kein Erlöser.“ Deswegen ist auch hier wieder die Liebe der Schlüssel zu einer veränderten Wahrnehmung. Liebe, die der Angestellte der Internationalen Christlichen Botschaft in Jerusalem zum Beispiel durch den Bau eines Altenheimes für Holocaustopfer zu vermitteln sucht.

Diese Lebenseinstellung bleibt nicht ohne Gegenwind. Hin und wieder gibt es Proteste und Übergriffe durch orthodoxe Juden. Aber insgesamt, so Schneider, können die meisten der 120 messianischen Gemeinden in Israel relativ unbehelligt leben. Bei einer Straßenevangelisation erlebte Schneider sogar, dass säkulare Juden die Christen vor dem Angriff der Rechtgläubigen in Schutz nahmen.

Sein bester Freund wanderte nach Australien aus

Neben Berichten über persönliche Erlebnisse dieser Art, geht der Journalist immer wieder auch auf geistliche Aspekte des Nahost-Konfliktes ein. Er nimmt die biblischen Aussagen über eine Zukunft Israels ernst und versucht mit ihrer Hilfe die Situation zu deuten. So versteht er die Prophetie über die Totengebeine, die wieder zusammengefügt werden, als Bild für die Rückkehr der Juden in das Land (Hesekiel 37). Die Sehnen und das Fleisch, die wieder daran wachsen, begreift er als das Zusammenwachsen der Juden unterschiedlichster Herkunft und die Entstehung einer gemeinsamen Identität. Geistlich sei Israel allerdings noch tot, weil der Atem Gottes – der Heilige Geist - noch nicht darüber geweht habe.

Doch Schneider ist davon überzeugt, dass sich das noch ändern wird und dass Gott trotz aller Feinde und Widerstände eine Zukunft für sein Volk in Israel hat. Wäre das nicht der Fall, wäre er schon längst mit seinem Freund zusammen ausgewandert. Nach Australien, das von Wasser umgeben und deswegen für Feinde schwerer angreifbar ist. Die Hoffnung auf Frieden, die Schneider für sein Land hat, ist dabei keine, die Araber aus-  oder Juden automatisch einschließt. Es ist auch keine Hoffnung, die sich auf politische Lösungen verlässt, wiewohl Verhandlungen in diesem Bereich nötig sind. Langfristig gesehen liegt der Knackpunkt in dieser Frage für ihn im Messias, im Wirken des Heiligen Geistes und in der Haltung, die der einzelne Jesus gegenüber einnimmt.

Fazit

„Israel – mehr als Kibbuz und Orangen“ ist in der Tat ein Buch mit evangelikaler Perspektive. Denn sein Autor versucht das Geschehen im Land in einen biblischen Rahmen einzuordnen. Seine Auslegungen sind dabei erfrischend flüssig und unkompliziert zu lesen und helfen, so manche Bibelstelle besser zu verstehen.

Darüber hinaus spürt man Schneider ab, dass er seine Sicht der Dinge darstellen und um Verständnis für sein Volk werben will. Das Buch erhebt also nicht den Anspruch einer umfassenden, politischen Analyse, sondern ist die Schilderung eines Journalisten, Familienvaters, Soldaten und christusgläubigen Juden. Liest man die 200 Seiten unter diesen Vorzeichen, bietet es deutlich mehr, als der harmlos klingende Titel verspricht. Es wird deutlich: Israel ist mehr als sozialistische Kommunen und landwirtschaftliche Produkte. Es ist mehr als ein Konflikt zwischen zwei Völkern. Vielmehr steht Israel nach wie vor im Zentrum der Geschichte, die Gott mit dieser Welt schreibt.

Diese Sicht ist nicht (mehr) unbedingt typisch evangelikal. Manchen Christen wird sie ärgern. Trotzdem ist es gut, dass uns diese Perspektive neu in Erinnerung gerufen wird. Man muss deswegen nicht zum Israelfreund werden. Es reicht schon, dass Buch in die Hand zu nehmen und mit den Nachrichten und der Berichterstattung der hiesigen Medien hin und wieder zu vergleichen.


Titel: Israel - mehr als Kibbuz und Orangen
Autor: Doron Schneider
Verlag: Hänssler
ISBN: 3775153381
224 S.
11,95 € (D)

 

Leseprobe

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 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Theologin und Redakteurin im Bereich Radio und Online. Sie ist fasziniert von der Tiefe biblischer Texte und ihrer Relevanz für den Alltag. Zusammen mit ihrer Familie lebt die gebürtige Badenerin heute in Wetzlar und hat dabei entdeckt, dass auch Mittelhessen ein schönes Fleckchen Erde ist.

Ihr Kommentar

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Kommentare (7)

Brigitte /

Ich bin immer wieder erschüttert, wie wenig auch Christen wirklich über Israel wissen und sich auch nicht auseinandersetzen obwohl Sie die Bibel lesen.
Als ich Jesus Christus in mein Leben aufnahm mehr

H. Petri /

Lieber Herr S.
Die Schönheit des Landes und die biblischen Stätten sind von der "politischen Situation" nicht zu trennen. Aber betrachten wiir doch einmal die politische Situation lösgelöst von mehr

Roland S. /

Anfang November waren wir für 9 Tage in Israel. Als Christen haben wir die biblischen Stätten besucht
und uns über die Schönheit des Landes gefreut.
Die politische Situation ist jedoch weniger mehr

Horst P. /

Danke für diese Buchvorstellung! Ich habe das Buch sofort bestellt!
Es ist sehrwahrscheinlich auch zum Weitergeben in unseren Gemeinden gutb geeignet, weil in vielen Gemeinden große Blindheit über mehr

Hanna Fritz /

"Man muß deswegen nicht zum Israelfreund werden."
Weswegen? Und warum nicht? Wenn Gott der Meinung war, mit einem Volk Israel Geschichte zu schreiben und er seinen Sohn in diesem Volk zur Welt kommen mehr

Aeschbach Marga /

gefällt mir!die Wahrheit ist,dass in den westlichen Medien nie etwas von dem allem geschrieben wird,leider nur schlechtes über Israel berichtet wird.Ja ich glaube auch,nach der Bibel, gehört das ganze Kernland zu Israel bes.Hauptstadt Jerusalem).

Imre Ambrus /

Nicht leichte Aufgabe in Israel Christ zu sein.Israeliten lieben Christen,wenn sie auf Ihre Ziele benutzen können,aber Jesus anzunehmen gehen nur Wenige,die oft geschimpt sind.Darum bekommen die mehr

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