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© SCM - Hänssler

25.04.2012 / Buchvorstellung / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Ich mit ohne Mama: Knüller Jonas wird erwachsen

Kann ein junger Mann mit Down-Syndrom ein Buch über sich und seinen Weg durch die Pubertät schreiben? Doro und Jonas Zachmann zeigen gemeinsam, dass es geht.

Doro Zachmann und ihr Sohn Jonas sind keine Unbekannten: 1999 lässt die gebürtige Aalenerin ihre Leser erstmalig am Leben mit ihrem Sohn teilhaben, der mit Down-Syndrom zur Welt gekommen ist1. Elf Jahre später beschreibt sie in „Bin Knüller“ wie aus dem kleinen Jonas ein Teenager wird, der eine gefährliche Herzoperation überstehen muss. Jetzt legt die Autorin nach und schreibt über Jonas Weg durch die Pubertät hin zum jungen Mann. Die Idee zum Buch kommt dieses Mal allerdings von Jonas: „Schreibe ich näxe Buch, Mama! Kei Pobläm!“, meint er eines Tages und lässt damit nicht locker.

Und so ist Ich mit ohne Mama. Knüller Jonas wird erwachsen zum einen ein authentischer Einblick in Frau Zachmanns Erfahrungen mit ihrem fröhlichen und temperamentvollen aber nicht immer unkomplizierten Heranwachsenden. Zum anderen steuert Jonas eigene Texte bei, die entweder hangeschrieben eingescannt oder leicht überarbeitet in Druckform übernommen wurden. 

Siege und Niederlagen

Zeitlich spielt das Buch zwischen Jonas' 15. und 18. Geburtstag und spiegelt all die Kämpfe wieder, die ein Teenager hat: Selbstständig werden, Liebeskummer, Schulabschluss und Träume für die Zukunft. Nur dass der Prozess bei Jonas aufgrund seines Down-Syndroms ein bisschen komplizierter ist. Für Doro Zachmann und ihren Mann eine herausfordernde Phase, in der sie aber immer wieder auch etwas zum Lachen und Feiern haben.

Als Jonas zum Beispiel lernt, morgens eigenständig aufzustehen und das Haus zu verlassen, ist das für Jonas und seine Eltern ein kleiner Sieg, der für beide Seiten mehr Selbstständigkeit bedeutet. Aber nicht immer geht alles glatt: Als Jonas mit 16 Jahren ein Praktikum in einem Supermarkt macht, setzt er sich am vorletzten Tag bockend in den Laden und will partout keine Kartons mehr zerreißen. Schließlich schickt der Chef ihn nach Hause und beendet das Praktikum vorzeitig. Für Jonas eine Niederlage, über die er sich selbst ärgert und die ein wenig symptomatisch ist für seine Kämpfe: Wenn er einmal eine Sicht auf die Dinge hat, ist es schwer, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

Tränen lachen, Tränen weinen

Als Leser freut man sich mit Zachmanns über Jonas Fortschritte und lacht herzlich über die Originalität des jungen Mannes, der darüber hinaus ein Liebhaber guten und reichhaltigen Essens ist. Es ist schon beeindruckend, was der Kerl während eines einzigen Abendessens verputzt (in Abwesenheit und zum Entsetzen der Eltern): Drei Brezeln, eine Flasche Kaba, einen großen Becher Naturjogurt, fünf Eier mit Käse und Schmand, eine Packung Tortellini und eine Packung (tiefgefrorenen) Spinat.

Umgekehrt geht es zu Herzen, wenn  man liest, wie Jonas für eine Zeitlang mit sich selbst und seiner Behinderung überhaupt nicht mehr klar kommt. In dieser Phase muss die ganze Familie viel aushalten: „Ich sitze im Wohnzimmer. Jonas (17) setzt sich zu mir aufs Sofa und platzt sofort weinend mit dem heraus, was ihn beschäftigt: ‚Wünsche nich mehr behindert zu werden, Mama! Endlich aufhörn damit!‘ Er sieht mich bittend und flehend an, mein Herz zerreißt fast. Ich schließ meinen fast erwachsenen Sohn in die Arme und halte seinen schluchzenden Körper fest. Mir selbst laufen auch die Tränen. ‚Mama, mach weg, bitte!‘“ Gut, dass Jonas nach einem längeren Prozess dann wieder sagen kann: „Ja, ich bin Daun-Zitron, aba ist okay bei mir!“

Fazit

Doro und Jonas Zachmann geben in Ich mit ohne Mama. Knüller Jonas wird erwachsen einen sehr ehrlichen Einblick in ihr Leben rund um Jonas Behinderung. Gerade Leser, die sonst kaum Berührungspunkte mit Menschen mit Down-Syndrom haben, profitieren deswegen ungemein von dem Buch: Sie bekommen eine Ahnung, wie lebensfroh und begabt diese trotz oder gerade wegen ihrer Einschränkungen sind. Das bringt ins Nachdenken.

Darüber hinaus ist Frau Zachmanns Schreibstil ein Lesevergnügen für sich. Hier verbinden sich Humor und Nachdenkliches auf ungezwungene Art und Weise. In einer Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderung immer weniger akzeptiert und angenommen sind, ein notwendiges und heilsames Buch. Danke Frau Zachmann, danke Jonas, dass Ihr es gemeinsam geschrieben habt!

Lesen Sie auch das ERF Online Interview mit Frau Zachman. Darin spricht sie über Jonas`Pubertät und den Umgang unserer Gesellschaft mit dem Thema Behinderung.

1 „Mit der Stimme meines Herzens". Titel vergriffen.

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Theologin und Redakteurin im Bereich Radio und Online. Sie ist fasziniert von der Tiefe biblischer Texte und ihrer Relevanz für den Alltag. Zusammen mit ihrer Familie lebt die gebürtige Badenerin heute in Wetzlar und hat dabei entdeckt, dass auch Mittelhessen ein schönes Fleckchen Erde ist.

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