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22.02.2025 / Persönlich / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Oliver Jeske

Demokratie – was sonst?!

Hat Deutschlands politisches System Bestand? Oliver Jeske meint: Macht beim Volk hat sich bewährt.

Laut einer Umfrage vom März 2023 wünschen sich 17 Prozent aller Deutschen einen starken politischen Führer, der sich weder um Wahlergebnisse noch um Parlamentsbeschlüsse sorgen muss.1 Gleich vorweggenommen: Mich gruselt diese Zahl. Wohin eine solche maximal konzentrierte, scheinbar unbegrenzte Macht führen kann, steht in den Geschichtsbüchern. Ich frage mich: Hat jeder Sechste in Deutschland die Nazi-Diktatur mit sechs Millionen ermordeter Juden vergessen? 

Politiker werden angefeindet 

Auf der einen Seite ist da der Wunsch nach einer starken Autoritätsperson, der nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Staaten sichtbar wird. Gleichzeitig werden diejenigen, die die Macht in unserem Staat haben, immer mehr angefeindet.  

Viele Ortsbürgermeisterposten bleiben unbesetzt. Potenzielle Kandidaten fragen sich: Möchte ich die Folgen eines öffentlichen Amtes mir und meiner Familie wirklich antun? Verbale und auch tätliche Angriffe auf Volksvertreter sind – Gott sei’s geklagt – schon lange keine Ausnahme mehr in Deutschland. 

Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen 

Das Bundeskriminalamt stockt aktuell sein Team von Personenschützern auf. Immer mehr unserer Volksvertreter können sich nicht mehr einfach so unters Volk wagen. Ich als Hauptstadtkorrespondent des ERF erlebe dies auch in meiner alltäglichen Arbeit. Gott sei Dank, habe ich selbst noch keine Angriffe auf mich bei der Ausübung meiner Arbeit erleben müssen. Einzelnen Kollegen von mir ist es anders ergangen. Aber dennoch prägt die verschärfte Sicherheitslage auch meinen Alltag. 

Ein Beispiel: Wenn ich eine Veranstaltung mit unserem Bundespräsidenten besuche, muss ich mich vorher jedes Mal einem Unbedenklichkeits-Check des Bundeskriminalamts unterziehen. Das ist an sich normal. Vor wenigen Jahren reichte es allerdings, dass ich meine Personendaten wenige Tage vorher an den Veranstalter gemeldet habe. Heute ist dafür schon fast eine Woche Vorlauf nötig, so beschäftigt sind die Sicherheitsbehörden. 

Enttäuscht von „denen da oben“ 

Auf den ersten Blick scheint das ein Widerspruch zu sein: der Wunsch nach einem „starken Führer“ und gleichzeitig werden Verantwortungsträger drangsaliert. Dahinter verbirgt sich ein hohes Maß an Politikverdrossenheit. „Die da oben“ müssten mich mit meinen Problemen viel mehr ins Auge fassen und mir eine befriedigende Lösung bieten, denkt mancher. 

Ich stelle eine Gegenfrage: Erwarten wir von „den Mächtigen“ im Land viel zu viel? Ich behaupte: Angesichts von Krieg im Nahen Osten und der Ukraine sowie den Umweltkatastrophen ist eine Politik, die jedem gerecht wird, menschenunmöglich. Wäre an dieser Stelle nicht einmal ein Dankeschön an meinen Wahlkreisabgeordneten angesagt und die Zusage: „Ich bete für Sie in Ihren Herausforderungen“? 

Wer hat die eigentliche Macht? 

Warum ich dies so gelassen formuliere? Weil ich überzeugt bin, dass ein anderer „im Regiment sitzt“. Ja, wie die ersten Christen glaube ich daran, dass nicht die aktuellen Machthaber das letzte Wort haben, sondern dass es mit Jesus Christus einen Herrn gibt, der der Anfang und das Ende der Weltgeschichte ist. Ohne sein Okay oder zumindest seine „Duldung“ geschieht nichts auf dieser Welt. 

Zugegeben: Da bleiben viele Fragen offen angesichts des himmelschreienden Unrechts, das mir tagtäglich in Agenturmeldungen und auf Nachrichtenkanälen präsentiert wird. Trotzdem vertraue ich zutiefst dem Gott, der in Jesus Christus selbst die Folgen der Ungerechtigkeit in dieser Welt auf die erdenklich schlimmste Weise durchlitten hat. 

Als Jesus am Kreuz ausruft „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, ist Gott selbst erschüttert über die Folgen, die Machtmissbrauch und Selbstermächtigung des Menschen nach sich ziehen. 

Gleichzeitig gilt auch heute noch die Erkenntnis des Theologen Paulus von Tarsus aus dem Römerbrief, dass jede staatliche Gewalt letztendlich von Gott eingesetzt ist. Als Christ tue ich also gut daran, die Machthabenden nicht als Person in Amt und Würden zu hinterfragen. Gerne aber in den Inhalten, die sie vertreten – spätestens an der Wahlurne. So funktioniert Demokratie!  

Sehnsucht nach einem Machtwort

Aber auch unter den „Frommen“ im Land nehme ich eine Sehnsucht wahr, dass da doch jemand mal ein Machtwort sprechen müsste, spätestens dann, wenn die biblischen Gebote in unserem Land hinterfragt oder womöglich sogar pervertiert werden. 

Ist dieser Wunsch berechtigt? Zumindest ist er nachvollziehbar und hat historische Vorläufer. Vor über 3.000 Jahren forderte das Volk Israel einen eigenen König. Dabei hatte es das Vorrecht mitzuerleben, dass Gott bis dahin unmittelbar in vielerlei Situationen eingegriffen hat. Und dort, wo Not am Mann war, berief er selbst Ermächtigte auf Zeit, die sogenannten Richter, die sich der Dinge annahmen, die getan werden mussten.  

An diesem Beispiel Israels wird sichtbar: Es gibt einen Gott, der nicht nur über allem steht, sondern aus purer Liebe und Zuwendung die weltweiten und individuellen Geschicke in der Hand behält. 

Gleichzeitig sagt Jesus, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Gott selbst verzichtet auf Macht nach menschlichen Kategorien. Deshalb haben wir die Freiheit und die Verantwortung, politisches Handeln selbst zu gestalten.  

Demokratie: für mich ein Privileg 

Für mich ist deshalb Demokratie das Mittel der Wahl, um menschliche Machtausübung, ohne die unsere Welt in Anarchie und Chaos versinken würde, auf ein vertretbares und durch den Wähler legitimiertes Maß zu begrenzen.  

Indem Demokratie darauf verzichtet, ungerechtfertigt Macht auszuüben über den, der anderer Meinung als ich ist, anders denkt und glaubt, sichert mir eben diese Demokratie gleichzeitig zu, dass ich als Christ meine Überzeugungen und meinen Glauben in Freiheit leben kann.  

Die „Kosten“ dafür sind vergleichsweise gering: Ich bin herausgefordert, den anderen zu respektieren, auch wenn ich seine Meinung nicht teile. Und dort, wo ich mit meiner Auffassung in der Minderheit bin, werde ich mich dem Mehrheitsvotum beugen und kann trotzdem weiter für meine Überzeugung streiten. 

Als Christ fühle ich mich privilegiert, in einer Demokratie zu leben. Deshalb möchte ich mich auch dafür einsetzen, dass diese Form gezähmter und kultivierter Machtausübung erhalten bleibt und weiterentwickelt wird. 

[1] Demokratie-Studie: 17 Prozent wünschen sich einen „starken Führer“ | STERN.de

Autor/-in

Oliver Jeske

  |  Redakteur

Sprachlich Hannoveraner, seit einem Vierteljahrhundert in Berlin zu Hause, liebt er Jesus, Tanzen mit seiner Frau, Nordsee-Spaziergänge mit seinen Söhnen und leckeren Fisch. Von Gott ist er fasziniert, weil der ihn immer wieder überrascht und im wahrsten Sinne des Wortes beGEISTert.

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