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© Robert Bye / unsplash.com

28.02.2024 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 13 min

Autor/-in: Hanna Willhelm

Die Geschichte des Nahostkonflikts

Ein Überblick vom Unabhängigkeitskrieg 1948 bis zum Scheitern des Endvertrages 2000.

Die Terrorangriffe der Hamas und der darauffolgende Angriff Israels im Gazastreifen erhitzen die Gemüter weltweit. Das hat vermehrt antisemitische Demonstrationen und Vorfälle zur Folge. Ursache ist zumeist das immer gleiche Narrativ: Israel muss als jahrzehntelanger Aggressor und Unterdrücker in die Schranken gewiesen werden, die Solidarität muss dem palästinensischen Volk gelten.

Diese verzerrte und sehr unvollständige Darstellung war der Anlass, dass ich mich selbst noch einmal intensiv mit der Entstehungsgeschichte des Nahostkonfliktes beschäftigt habe. Ich wollte die Hintergründe und Zusammenhänge des arabisch-israelischen Konfliktes verstehen und prüfen, was dran ist an der Sichtweise derer, die Israel primär als Täter und die Palästinenser primär als Opfer sehen. Lässt sich das historisch halten?

Ich bin überzeugt: Nur mit einem grundlegenden Verständnis der geschichtlichen Abläufe hinter dem Nahostkonflikt können die Vorfälle heute richtig eingeordnet und damit auch vorsichtig beurteilt werden. Trotz meiner intensiven Recherche bin ich mir bewusst, dass ich bei der Komplexität des Themas nicht alles weiß und manche Sachverhalte nur bruchstückhaft wiedergegeben habe. Dennoch ist es mein Wunsch, dass dieser Artikel dir dabei hilft, Hintergründe und Zusammenhänge etwas besser zu verstehen und einzuordnen.

Im Artikel „Die Geschichte Israels und Palästinas“ gebe ich einen Überblick von der Antike bis zum UN-Teilungsplan 1947. In diesem Artikel beschreibe ich die neuere Geschichte des Nahostkonflikts seit der Staatsgründung Israels am 15. Mai 1948 bis zum Scheitern des Endvertrages im Jahr 2000.

Ablehnung und Zustimmung zum UN-Teilungsplan

Im November 1947 traf die UN die Entscheidung, dass das ehemalige britische Mandatsgebiet Palästina spätestens im Oktober 1948 in einen arabischen und einen jüdischen Staat aufgeteilt werden sollte. Die arabischen Staaten hatten dem UN-Teilungsplan allerdings nicht zugestimmt. Stattdessen erklärten sie, dass sie gegen einen jüdischen Staat in den Krieg ziehen würden, um seine Entstehung zu verhindern.

Die jüdische Seite hatte den Teilungsplan akzeptiert und bereitete sich auf die Gründung des Staates Israel vor. Sie ging daran, Fragen der zukünftigen Staats- und Regierungsform zu klären. Viel dringlicher war für sie allerdings die Frage, wie sie mit der drohenden Gefahr eines Vernichtungskrieges durch die arabischen Staaten unmittelbar nach dem Ende des britischen Mandats im Mai 1948 umgehen sollte. Denn ohne eigenen Staat war es der jüdischen Seite verwehrt, eine Armee zu unterhalten und Waffen zu kaufen.

Bürgerkrieg am Vorabend der Staatsgründung

In dieser politisch unklaren und unsicheren Zeit zwischen November 1947 und Mai 1948 versank das kleine Land zwischen Mittelmeer und Jordan de facto in eine Art Bürgerkrieg zwischen arabischen und jüdischen Kämpfern. Schon jetzt versuchten beide Seiten ihr Territorium zu halten beziehungsweise den Gegner zurückzudrängen.

Die arabische Bevölkerung erhielt dabei Unterstützung von den arabischen Nachbarstaaten. Arabische Kämpfer griffen dabei nicht nur jüdische Ortschaften an, sondern gezielt auch Schulen und Waisenhäuser. Umgekehrt kam es vereinzelt zur Gewalt jüdischer Milizen gegen die arabische Bevölkerung.

Schon dieser Bürgerkrieg ließ einen Unterschied erkennen, wie beide Seiten ihre Kampfführung moralisch bewerten. Für die jüdische Seite war Gewalt an Zivilisten von Anfang an ein Tabu. Wo es geschah, wurde es von der jüdischen Bevölkerung mehrheitlich verurteilt.

Bei den arabischen Kämpfern war das Verständnis größtenteils von Anfang an umgekehrt: Terror gegen Zivilisten galt als ein bewusst gewähltes Mittel im Kampf. Terroristen wurden als Helden und Märtyrer verehrt. Daneben gab es aber auch auf arabischer Seite immer wieder einzelne Stimmen, die zur Mäßigung aufriefen oder mutige Menschen, die sich schützend vor ihre jüdischen Nachbarn stellten.

Staatsgründung und Unabhängigkeitskrieg

Zum 15. Mai 1948 gaben die Briten schließlich ihr Mandat für das Gebiet ab. Nur acht Stunden davor hatte David Ben Gurion den Staat Israel ausgerufen. Am 16. Mai marschierten wie angekündigt fünf arabische Staaten in Israel ein. Entgegen allen Erwartungen gelang es Israel, diesen ungleichen Krieg zu gewinnen. In der Folge konnte der junge Staat sein Gebiet im Vergleich zum UN-Teilungsplan um 23 Prozent vergrößern.

Zwischen den kriegführenden Ländern kam es zu einem Waffenstillstand. Die Waffenstillstandslinie wurde nie als internationale Grenze anerkannt, markiert aber bis heute die Fläche, die von den meisten Staaten als israelisches Staatsgebiet anerkannt wird. Es ist das so genannte 48-er Gebiet und etwa so groß wie Hessen.

Geburtsstunde der palästinensischen Identität

Jordanien wurde bei dem ausgehandelten Waffenstillstand die Kontrolle über 21 Prozent der Fläche des ehemaligen Mandatsgebietes Palästina zugesprochen, Ägypten kontrollierte ein Prozent. Dabei handelte es sich in etwa um die Flächen, die heute als Westjordanland beziehungsweise Gazastreifen bezeichnet werden. Ein eigener Staat für die Palästinenser wurde von arabischer Seite bewusst nicht gegründet. Man hoffte immer noch, dass man den jüdischen Staat letztendlich besiegen könne, um dann einen rein arabischen Staat gründen zu können.

Trotzdem entstand zu diesem Zeitpunkt die eigentliche palästinensische Identität. Zuvor hatten sich die betroffenen Menschen als Araber verstanden, die im Land Palästina gelebt hatten. Ein Teil war auch aus arabischen Nachbarstaaten eingewandert, nachdem durch die jüdische Besiedlung Anfang des 20. Jahrhunderts ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Region begonnen hatte.

Das palästinensische Trauma: Die Nakba

Viele dieser arabischstämmigen Menschen waren zwischen November 1947 und Mai 1948 aus ihren Dörfern und Städten teils geflohen, teils von arabischer Seite zum Verlassen derselben aufgefordert worden. Da letztere davon ausgingen, dass der Staat Israel nicht lange existieren würde, war man der Annahme, dass die Geflüchteten nach Kriegsende in ihre Wohngebiete zurückkehren können würden.

Allerdings hatte sich das Bild durch den Kriegsverlauf 1948 stark verändert. Die Heimatorte vieler Araber befanden sich auf einmal nicht mehr im ursprünglich palästinischen Teil des Landes, sondern in Israel. Insgesamt wurden so 700 000 arabischstämmige Menschen auf einmal zu Flüchtlingen. 300 000 von ihnen flüchteten in das Gebiet, das Jordanien eingenommen hatte, 230 000 in das, welches Ägypten zugesprochen worden war. Ein kleinerer Teil floh in andere Nachbarländer oder wanderte ganz aus. Nur 150 000 Araber befanden sich 1948/49 noch im Staatsgebiet von Israel.

Politische Folgen der Nakba für die Gegenwart

Noch rechneten die Flüchtlinge mit ihrer baldigen Rückkehr, aber Israel hatte im Krieg 400 arabische Dörfer und mehr als 100 Weiler zerstört, so wie umgekehrt die arabischen Armeen jüdische Siedlungen und Kibbuzim zerstört hatten. Eine Rückkehr war also nicht möglich. Dieses Ereignis wird von den Palästinensern als Nakba bezeichnet, was auf Deutsch „Unglück“ oder „Katastrophe“ bedeutet.

Das ist ein wesentlicher Punkt, warum der Konflikt bis heute so problematisch und menschlich gesehen kaum lösbar ist: Die palästinensischen Flüchtlinge beanspruchen bis heute für sich das Recht, in die Ortschaften zurückkehren, die ihnen 1948 genommen worden oder aus denen sie damals geflohen sind.

Diese Ortschaften existieren teilweise aber gar nicht mehr oder sind längst von Juden bewohnt. Eine Rückkehr zu den ursprünglichen Verhältnissen würde heute zu großen Verwerfungen innerhalb der Bevölkerungsstruktur führen und ist menschlich, politisch und wirtschaftlich gesehen wenig zielführend. Auch eine Befriedung des Konfliktes scheint so nicht wahrscheinlich zu sein.

Trotzdem haben die ursprünglich 700 000 geflüchteten Araber bis heute ihren Flüchtlingsstatus behalten. Auch ihre Nachfahren behalten diesen Status, was die Zahl der Flüchtlinge im Gazastreifen von ursprünglich 230 000 auf heute 1,5 Millionen Menschen erhöht hat.

Weltweit ist diese Vererbung des Flüchtlingsstatus ein einmaliger Vorgang. Normalerweise verliert ein Flüchtling diesen Status, sobald er in einem Land eine Aufenthaltsbewilligung, ein Bleiberecht oder einen Pass erhält. Das bedeutet wiederum im Umkehrschluss, dass die Flüchtlinge in Gaza oftmals keinen eigenen Pass besitzen und so beispielsweise keine Reisefreiheit genießen.

Status der Geflüchteten in den jeweiligen Gebieten

Jordanien und Ägypten gingen in den Jahren nach dem Unabhängigkeitskrieg 1948 sehr unterschiedlich mit den palästinensischen Flüchtlingen um. Jordanien gewährte ihnen recht bald die Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht. Gleichzeitig annektierte es das ihm zugesprochene Westjordanland und gliederte es in sein Staatsgebiet ein.

Ägypten verhielt sich den arabischen Flüchtlingen gegenüber weniger entgegenkommend. Es stellte den Gazastreifen unter eine Militärverwaltung, die es den Bewohnern des Gazastreifens nicht gestattete, frei nach Ägypten zu reisen.

Auch die Araber im israelischen Staatsgebiet lebten anfänglich unter einer Militärverwaltung. Schritt für Schritt wurden sie dann aber eingebürgert, und 1966 wurde die Militärverwaltung ganz abgeschafft. Auch die politische Teilhabe war möglich. Schon bei den ersten Wahlen in Israel entstand eine arabische Partei, die es auch in die Knesset schaffte. Die Palästinenser im israelischen Staatsgebiet werden „israelische Araber“ oder „48-er Araber“ oder „Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft“ genannt.

Die vergessenen Millionen Flüchtlinge auf jüdischer Seite

Das Trauma der palästinensischen Nakba ist im Weltgedächtnis bis heute sehr präsent, vor allem auch deshalb, weil es immer wieder auch als Begründung für den so genannten Palästinensischen Befreiungskampf gegen die israelische Besatzung angeführt wird.

Allerdings kam es im Zeitraum der Nakba und teilweise auch noch in den folgenden Jahrzehnten in arabischen Staaten wie beispielsweise dem Irak zu massiven Übergriffen und Enteignungen von Juden, die dort lebten. 1 000 000 Juden flohen als unmittelbare Folge des Unabhängigkeitskrieges aus diesen Ländern, davon suchten 850 000 Flüchtlinge eine neue Heimat in Israel.

Diese Flüchtlinge werden als die „vergessenen Millionen“ bezeichnet, weil ihr Schicksal von der Weltöffentlichkeit kaum wahrgenommen worden ist. Heute sind diese Menschen unterschiedlichster Herkunft in die israelische Gesellschaft integriert, anders als die palästinensischen Flüchtlinge in den meisten arabischen Staaten.

Gründung von Fatah und PLO

In den Jahren nach dem Unabhängigkeitskrieg und der Nakba stabilisierten sich im Westjordanland und im Gazastreifen unter jordanischer beziehungsweise ägyptischer Herrschaft die Verhältnisse. Junge Palästinenser waren mit dem Zustand zunehmend unzufrieden. Sie bewerteten die Haltung der arabischen Staaten zu den Palästinensern als enttäuschend und vertraten die Meinung, dass das Land im Kampf befreit werden müsse.

So kam es 1957 in Kairo unter palästinensischen Studenten zur Gründung der Fatah. Das bis heute berühmteste Gründungsmitglied dürfte Jassir Arafat sein, der spätere erste Präsident der Palästinensischen Autonomiegebiete. Die Fatah war und ist – im Gegensatz zur Hamas – keine vorwiegend religiös motivierte Bewegung. Ihr geht es vor allem um die Schaffung eines palästinensischen Nationalstaates.

Die Arabische Liga – eine 1945 gegründete Organisation arabischer Staaten mit 22 Mitgliedern aus Afrika und Asien – war von der neuen Organisation wenig begeistert und gründete im Gegenzug 1964 die palästinensische Befreiungsbewegung PLO. Die Fatah nahm die PLO wiederum als Versuch wahr, ihren Kampf gegen den Staat Israel zu kontrollieren. Mit einem missglückten, aber Eindruck schaffenden Terroranschlag gegen israelische Infrastruktur gelang es der Fatah, innerhalb der PLO die Führungsrolle zu übernehmen.

Sechstagekrieg 1967

Das Verhältnis zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten blieb nach dem Unabhängigkeitskrieg weiter sehr angespannt. 1967 kam es innerhalb des arabischen Blockes zu einer erhöhten Kriegsrhetorik gegenüber Israel. Es blieb nicht bei drohenden Worten und an den Grenzen wurde Militär und Kriegsgerät aufgefahren. Bis heute ist historisch nicht eindeutig klar, ob den Worten und drohenden Gesten von arabischer Seite auch ein Krieg gefolgt wäre oder ob es sich nur um Säbelrasseln gehandelt hat.

Israel fürchtete aufgrund der angekündigten Aggressionen aber wieder ganz real um seine Existenz. Die Regierung entschied sich im Juni 1967 deshalb zu einem Präventivschlag gegen Syrien, Ägypten und Jordanien. In einem Überraschungsangriff zerstörte das israelische Militär die ägyptische Luftwaffe und schwächte die gegnerischen Staaten empfindlich. Gleichzeitig gelang es Israel, das kontrollierte Gebiet innerhalb von nur sechs Tagen zu verdreifachen.

Folgen des Sechstagekrieges

Die kriegerischen Auseinandersetzungen im Sommer 1967 dauerten nur sechs Tage. Die Folgen belasten das Miteinander zwischen Palästinensern und Israelis aber bis heute schwer. Denn in dieser Zeitspanne verlor Jordanien die Kontrolle über das Westjordanland, Syrien die Golanhöhen und Ägypten die Sinai-Halbinsel und den Gazastreifen. Das ganze ehemalige britische Mandatsgebiet war erstmals in israelischer Hand, einschließlich des Tempelberges in Jerusalem.

Allerdings ging es Israel bei all dem nicht um Landgewinne. Der junge Staat hätte die Anerkennung durch die arabischen Nachbarstaaten als wesentlich größeren Gewinn betrachtet. Dafür war die Zeit allerdings noch nicht reif.

Die Führer von acht arabischen Staaten formulierten im Nachgang ihrer Niederlage im Sechstagekrieg die drei berühmten Neins: Nein zum Frieden mit Israel, Nein zu seiner Anerkennung, Nein zur Verhandlung mit Israel.

Trotzdem kam es in der Folgezeit unter dem Motto „Land gegen Frieden“ vereinzelt zu diplomatischen Lösungen. Die Golanhöhen gingen an Syrien zurück, die Sinai-Halbinsel an Ägypten.

Die besetzten Gebiete erhalten eine Militäradministration

Durch die Gebietsgewinne im Sechstagekrieg lebten mit einem Schlag über eine Millionen Araber mehr unter israelischer Verwaltung. Die israelische Regierung und die Öffentlichkeit stellten sich nun die Frage, wie man mit diesen Menschen umgehen wollte.

Zwei unterschiedliche Ansätze standen zur Debatte. Der erste Ansatz sah vor, das Westjordanland und den Gazastreifen zum Staatsgebiet Israels hinzuzufügen, dafür den Palästinensern aber auch alle staatsbürgerlichen Rechte zu gewähren. Damit wäre ihre Perspektive langfristig mit derjenigen der arabischen Israelis vergleichbar gewesen.

Die Politiker des zweiten Ansatzes schlugen für das Westjordanland und den Gazastreifen eine Militäradministration vor. Dieses Vorgehen setzte sich schließlich durch – aus Angst, dass die jüdische Bevölkerung bei einer Annektierung der Gebiete mit Vergabe der Staatsbürgerschaft an die Palästinenser im eigenen Land und im eigenen Parlament langfristig zur Minderheit werden würde.

Die erste Intifada 1987 – 1993

Die erste Generation Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen erlebten unter der israelischen Militärverwaltung einen wirtschaftlichen Aufschwung. Hatten sie zuvor unter oft sehr ärmlichen Bedingungen gelebt, bot ihnen der Zugang zum israelischen Arbeitsmarkt die Möglichkeit zu besseren Lebensverhältnissen. Vielleicht hatten sie auch gehofft, dass Israel ihnen, ähnlich wie den israelischen Arabern, doch noch die Einbürgerung ermöglichen würde.

Als das nicht geschah, sah die nächste Generation Palästinenser für sich keine wirkliche Perspektive mehr. Das Leben unter der Militärkontrolle bot ihnen weder berufliche Aufstiegsmöglichkeiten noch die Aussicht auf staatsbürgerliche Rechte.

Als Folge dieser Perspektivlosigkeit bildeten sich mehr und mehr organisierte Gruppen und Milizen, die auf militärische Gewalt setzten. Es kam zur ersten Intifada, was übersetzt so viel bedeutet wie „Abschütteln“ oder „Erheben“. In dieser Periode entstand auch die Hamas, ein Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft, die das Ziel hat, ein islamistisches Kalifat zu errichten.

Israel wurde vom Ausbruch an Gewalt in der Intifada 1987 völlig überrascht, reagierte dann aber mit militärischer Gewalt auf die Aufständischen. Außerdem begann die israelische Regierung, die besetzen Gebiete abzuriegeln und die Grenzen streng zu kontrollieren. Wollten Palästinenser den Gazastreifen verlassen, um in Israel zu arbeiten, benötigten sie nun einen Arbeitsnachweis.

Ein trauriger Tanz zwischen Gewalt und Diplomatie

Erst nach einigen Jahren voller Terror und militärischer Gegenmaßnahmen waren beide Seiten bereit, einen politischen Ausweg aus der ersten Intifada zu suchen. Assaf Zeevi, von dem ich viel über die Geschichte des Nahostkonfliktes gelernt habe, bezeichnet diesen Tanz zwischen Gewalt und Diplomatie als typisches Merkmal des Nahostkonflikts.

Seiner Meinung nach wird sich dieses Schema auch weiter durch die Geschichte des Landes ziehen, wenn keine dauerhafte politische Lösung gefunden wird, mit der beide Seiten einverstanden sind.

Oslo I (1993): Palästinensische Selbstverwaltung

Nach der ersten Intifada zeichnete sich allerdings ein großer Hoffnungsschimmer ab: In dem schon seit mehr als vier Jahrzehnten andauernden Konflikt kam es 1993 im sogenannten Oslo I-Abkommen zu einem Friedensvertrag.

Kerngedanke des Vertrages war die Entstehung einer Palästinensischen Autonomiebehörde. Auf diese Art und Weise sollte die israelische Militäradministration von einer palästinensischen Selbstverwaltung abgelöst werden.

Oslo II (1995): Palästinensische Strukturen entstehen

Auch das Nachfolgeabkommen Oslo II stand unter dem Vorzeichen, dem palästinensischen Volk mehr Selbstbestimmung innerhalb der besetzten Gebiete zuzugestehen. Der Gazastreifen und das Westjordanland wurden in jeweils drei Zonen eingeteilt: Gebiete mit Vollautonomie, Gebiete mit Teilautonomie und Gebiete, die weiterhin vollständig unter israelischer Kontrolle stehen sollten. Neben einer palästinensischen Regierung entstand so beispielsweise eine palästinensische Polizei.

Oslo II war ursprünglich als Übergangslösung für eine Dauer von fünf Jahren angelegt worden. Nach dieser Zeit sollte dann ein Endvertrag geschlossen werden, der die gegenseitigen Beziehungen regeln sollte.

Scheitern des Endvertrages und die zweite Intifada

Der US-amerikanische Präsident Bill Clinton bemühte sich darum, den Endvertrag zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde zustande zu bringen. Israel war unter amerikanischem Druck zu großen Zugeständnissen bereit. Palästinenserpräsident Jassir Arafat lehnte das Angebot jedoch ab. Für einen Endvertrag hätte er auf das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen verzichten müssen. Das wäre aus seiner Sicht einem Verrat an seinem Volk gleichgekommen.

Arafat entschied sich dann wieder für den militanten Weg statt für Diplomatie. So kam es in den Jahren von 2000 bis 2005 zur zweiten Intifada. Aus Gesprächen mit Arafats Frau weiß man heute, dass diese zweite Intifada von ihm mehrere Monate im Voraus geplant gewesen war, nachdem er gemerkt hatte, dass die Verhandlungen in eine Sackgasse geraten waren.

 

In ihrem dritten Artikel „Der Nahostkonflikt im 21. Jahrhundert“ gibt Hanna Willhelm einen Überblick über die Ereignisse seit der Abkoppelung des Gazastreifens 2005 bis zu den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober 2023.

 Hanna Willhelm

Hanna Willhelm

  |  Redakteurin

Hanna Willhelm ist Redakteurin, Autorin und begeisterte Theologin. Ihre Faszination für die Weisheit und Bedeutung biblischer Texte möchte sie gerne anderen zugänglich machen.  In der Sendereihe "Das Gespräch" spricht sie am liebsten mit Gästen über theologische und gesellschaftlich relevante Themen. Sie liebt Bücher und lebt mit ihrer Familie in Mittelhessen.

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Kommentare (1)

Jutta /

Ich möchte an dieser Stelle Michael Wolffsohn zitieren, der auf die Frage: "Wem gehört das Heilige Land" antwortete: "Allen, die dort friedlich leben wollen!"
Lösungsorientierter kann man bei all der Kompliziertheit im Hinblick auf die Historie dieses Landes nicht denken!

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