Navigation überspringen
© Thomas Galler / unsplash.com

14.12.2023 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Sarah-Melissa Loewen

Zeit der Lieder

Adventsbräuche erklärt: Esther Dürrstein über die Entstehung eines der bekanntesten Weihnachtslieder.

Musik gehört untrennbar zu Weihnachten dazu. In der biblischen Weihnachtsgeschichte wird berichtet, dass die Engelheerscharen Gott loben mit den berühmten Worten „Ehre sei Gott in der Höhe“ (lat. „Gloria in excelsis Deo“), nachdem sie den Hirten auf dem Feld die Botschaft von der Geburt des Messias verkündet haben (vgl. Lukas 2,14).

Dieser Lobgesang der Engel wurde unter anderem von klassischen Komponisten wie Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel vertont. Sie versuchten damit ihre Freude, Ehrerbietung und Dankbarkeit über das Weihnachtsgeschehen zum Ausdruck zu bringen. In den vergangenen Jahrhunderten entstanden im Kontext der Kirchenmusik viele Advents- und Weihnachtslieder, die bis heute gesungen werden.

Soundtrack für die schönste Zeit des Jahres

Auch im Bereich der Popmusik ist Weihnachten ein beliebter Gegenstand. Viele Künstler bringen im Laufe ihrer Karriere mindestens ein Weihnachtsalbum heraus mit neuen Liedern oder neu interpretierten Klassikern. Alle Jahre wieder laufen dieselben Songs im Radio – die einen lieben sie, die anderen haben schon nach wenigen Tagen genug davon, weil „Last Christmas“ sich irgendwie doch anfühlt wie von vorgestern.

Der Megahit „All I want for Christmas is You“ von Mariah Carey aus dem Jahr 1994 hat bei Spotify Stand jetzt mehr als unglaubliche 1.5 Milliarden Streams und wurde schon vor dem digitalen Musikzeitalter millionenfach verkauft und gehört.

Aber 176 Jahre älter und eins der bekanntesten Weihnachtslieder überhaupt ist „Stille Nacht, heilige Nacht“. Mehr noch: Dieses Lied gilt als Inbegriff des Weihnachtsbrauchtums im deutschsprachigen Raum. Daher lohnt es sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Esther Dürrstein erzählt von der Entstehung dieses „Evergreens“.

Der Welthit aus dem Salzburger Land

Dass „Stille Nacht, heilige Nacht“ eines der weltweit bekanntesten Weihnachtslieder ist, liegt wohl auch daran, dass es in über 300 Sprachen und Dialekte übersetzt wurde. 2011 wurde es von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt. „Egal, wo man auf der Welt ist, dieses Lied kennt quasi jeder“, sagt Esther Dürrstein.

Über die Entstehung des Liedes gibt es mehrere Geschichten mit verschiedenen Anekdoten. Durch zwei Urkunden ist jedoch gesichert, dass der Vikar Joseph Mohr den Liedtext bereits 1816 in Mariapfarr im Salzburger Bezirk Lungau in Form eines Gedichts aufgeschrieben hatte und den Organisten Franz Xaver Gruber bat, darauf eine Melodie zu komponieren.

An Heiligabend 1818 kam das Lied in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Oberndorf bei Salzburg erstmals zur Aufführung. Mohr spielte Gitarre und sang die erste Stimme im Tenor, Gruber sang die zweite Stimme im Bariton.

Improvisierte Weihnachtsmusik

Doch wie kam es, dass dieses Lied, das damals von einem Männerduett im österreichischen Oberndorf seine schlichte Uraufführung hatte, heute von unzähligen Gläubigen weltweit an Heiligabend gesungen wird? Esther Dürrstein hat recherchiert und ist auf folgende Geschichte gestoßen:

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das Salzburger Land sehr ausgezehrt. Die Kriege gegen Napoleon, mehrere Hochwasserkatastrophen und Missernten brachten Hunger, Krankheit und Not über die Menschen. Zu allem Überfluss ging kurz vor Weihnachten des Jahres 1818 die Orgel von St. Nikolaus kaputt.

Der junge Hilfspfarrer Joseph Mohr stapfte zur Kirche und wollte die Christmette vorbereiten, musste allerdings feststellen, dass die ohnehin schon marode Orgel keinen vernünftigen Ton mehr von sich gab. Die Mäuse hatten den Blasebalg vollends zerfressen. Scheinbar litten auch sie unter der großen Hungersnot im ganzen Land.

Das ließ sich kurzfristig nicht mehr reparieren, sodass sich der Vikar einen Plan B für Heiligabend überlegen musste, damit die Gottesdienstbesucher doch noch gemeinsam Lieder singen konnten.

Am Morgen des Heiligabends fiel ihm plötzlich ein Gedicht ein, dass er zwei Jahre zuvor geschrieben hatte und das seitdem in der Schublade seines Schreibtisches lag. Damit ging er zum Organisten Franz Xaver Gruber und bat ihn, den Text bis zum Abend zu vertonen. Gruber war von dieser Idee gar nicht angetan und es braucht viele Überredenskünste vom Vikar bevor Gruber anfing die Melodie zu schreiben.

In der Christmette sangen sie gemeinsam dieses Lied mit insgesamt sechs Strophen, nur begleitet von einer Gitarre. Die Melodie war so eingängig, dass die Kirchenbesucher schnell mitsingen konnten.

Die alte Nikolauskirche existiert heute nicht mehr. Wegen mehrerer Überschwemmungen musste sie immer wieder saniert und zeitweise geschlossen werden, bis sie schließlich 1906 mehrere hundert Meter entfernt an einer hochwassersicheren Stelle neu errichtet wurde. Auf dem Schutt der alten Kirche steht heute die Stille-Nacht-Gedächtniskapelle und erinnert an die Geburtsstunde des Weihnachtsliedes.

Ein Lied mit tiefer Bedeutung

„Stille Nacht! Heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht. Durch der Engel Alleluja, tönt es laut bei Ferne und Nah: Jesus der Retter ist da! Jesus der Retter ist da!“ Mit diesen Zeilen erklang die Weihnachtsbotschaft am Abend des 24. Dezember 1818 aus der Salzburger Nikolauskirche – auch ohne Orgel – und verbreitete sich von dort aus in die ganze Welt.

Den Menschen, die am Abend dieses 24. Dezembers 1818 in den Kirchbänken saßen, war vermutlich nicht nach einem großen „Gloria in Excelsis Deo“ zumute mit lautem Orgelschall, Pauken und Trompeten. Eher im Gegenteil, erklärt Esther Dürrstein:

Dieses Lied war damals aus der Not heraus entstanden und es sprach mitten hinein in die persönliche Not der Menschen. Es vermittelte Hoffnung und Zuversicht trotz oder gerade wegen der Kombination aus Text, eingängiger Melodie und reduzierter Instrumentierung. Durch dieses Lied haben die Menschen ihren Blick auf Christus, den Retter, gerichtet.

Diese Hoffnung vermittelt das Lied auch heute noch und entfaltet darin damals wie heute seine Kraft. So wird „Stille Nacht, heilige Nacht“ Jahr für Jahr immer wieder an Heiligabend gesungen und entwickelte sich zum traditionellen Weihnachtslied.

Für Esther Dürrstein hat „Stille Nacht, heilige Nacht“ auch eine persönliche Bedeutung:

Mich erinnert dieses Lied zunächst daran, zur Ruhe zu kommen und an dieser stillen Krippenszene innezuhalten, über die in der ersten Strophe gesungen wird. Denn diese Stille, nach der wir uns eigentlich sehnen, geht im Weihnachtstrubel oft unter.

Außerdem spüre ich in Notzeiten eine gewisse Stille, nämlich dann, wenn ich selbst nichts mehr tun oder sagen kann, das hilft. Dann erinnert mich dieses Lied daran, dass Jesus in jener Nacht im Stall von Bethlehem als Retter zur Welt kam, um mir persönlich in meiner Not zu begegnen.
 

 Sarah-Melissa Loewen

Sarah-Melissa Loewen

  |  Redakteurin

Sie hat Literatur- und Kulturwissenschaften studiert und war schon immer von guten Geschichten in Buch und Film begeistert. Doch sie findet, die besten Geschichten schreibt Gott im Leben von Menschen. Als Redakteurin erzählt sie diese inspirierenden Lebens- und Glaubensgeschichten. Sie lebt mit ihrem Mann in der schönsten Stadt am Rhein.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren