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© Lucia Macedo / unsplash.com

02.12.2023 / Interview / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Oliver Jeske

Die Welt im Spiegel der Fiktion

Autor Thomas Franke erzählt, was ihm beim Schreiben seines aktuellen Romans „Undercover“ wichtig war.

Woher nimmt ein Autor seine Ideen und wie kommt man dazu, einen christlichen Dystopie-Roman zu schreiben? Im Interview verrät Schriftsteller Thomas Franke, wie er zum Schreiben kam, was ihn zu seinem aktuellen Roman „Undercover – der Preis der Wahrheit“ inspiriert hat und warum es ihm so wichtig ist, ein breites Lesepublikum mit seinen Geschichten anzusprechen.
 

ERF: Herr Franke, wer steckt hinter dem Autor Thomas Franke?

Porträtbild Thomas Franke
Autor Thomas Franke (Copyright: Studioline Erlangen)
Zur Webseite des Autors

Thomas Franke: Eine interessante Frage. Die wurde mir so noch nie gestellt. Ich bin 1970 geboren, verheiratet und habe zwei Söhne im Teenageralter. Das ist spannend und hier und da auch herausfordernd. Ich arbeite hauptberuflich als Sozialpädagoge und engagiere mich für Menschen mit Handicap.

Seit 2008 bin ich inzwischen nebenberuflich als Autor tätig. Anfangs habe ich ausschließlich in meiner Freizeit geschrieben, inzwischen ist es so, dass ich quasi Teilzeit-Autor bin.
 

ERF: Sie haben schon eine ganze Reihe von Romanen veröffentlicht, wie hat das angefangen mit dem Schreiben bei Ihnen? Was hat Sie daran gereizt?

Thomas Franke: Ich habe schon immer gerne gelesen. Es hat mich einfach total fasziniert, mit Büchern in fremde Welten abzutauchen.

Später habe ich dann Autoren entdeckt, die nicht nur faszinierend schreiben können, sondern auch mehr vermitteln wollen und Geschichten erzählen, in denen eine Botschaft drinsteckt. Das hat mich sehr begeistert.

Besonders prägend war da C. S. Lewis für mich. Seine Narnia-Geschichten und auch seine Science Fiction-Romane haben mich sehr fasziniert. Daraus entstand dann irgendwann der Gedanke, selbst eine Geschichte zu schreiben.

Es wäre sicherlich pfiffig gewesen, mit einer Kurzgeschichte anzufangen. Ich hingegen habe gleich mit einem Fantasy-Epos begonnen, das mehrere Bände umfasste und nie vollendet oder veröffentlicht wurde. Es verstaubt jetzt in der Schublade, aber das war mein Start ins Schreiben.

Das erste Buch, das dann tatsächlich veröffentlicht wurde, war ein Kinderbuch bei Gerth Medien mit dem Titel: „Warum es besser war, dass Pogo nicht fliegen konnte“.

Jede Idee braucht eine bestimmte Geschichte

ERF: Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Bücher? Was inspiriert Sie, immer wieder ein neues Buchprojekt zu beginnen?

Thomas Franke: Ich kann guten Gewissens für alle meine Bücher sagen, dass es immer ein Stück weit meine eigenen Fragen sind, die für zum Ansporn werden, eine Geschichte zu erzählen. Es gibt Dinge, mit denen ich mich auseinandersetze. Vor diesem Hintergrund versuche ich dann meinen Fragen in Form einer Geschichte Ausdruck zu verleihen und nach Antworten zu suchen.

Das ist ein Impuls, der mich bei all meinen Büchern begleitet.

Es gibt immer eine Grundidee, der ich folge, und jede Idee erfordert eine ganz bestimmte Geschichte, und jede Geschichte erfordert mitunter ein besonderes Genre.

Deswegen bewege ich mich auch in unterschiedlichen Genres. Ich bin dankbar, dass ich das machen darf. So kann ich der jeweiligen Geschichte und den Fragen, die darin verwoben sind, am besten Ausdruck verleihen.
 

ERF: Ihr neues Buch „Undercover“ ist ein Science Fiction-Roman. Im Buch entwerfen Sie ein Szenario im Jahr 2084, das so hoffentlich nie eintreten wird. Mitteleuropa ist eine Meinungsdiktatur und religiöse Minderheiten haben einen schlechten Stand. Sie sind gezwungen, ihren Glauben heimlich zu leben. Die Hauptfigur im Roman ist eine junge Frau namens Sila. Sie bekommt den Auftrag, sich als Undercover Agentin in eine verbotene Untergrundkirche einzuschleichen. Es gelingt Sila, in die Gruppe hineinzukommen und das Vertrauen der Christen zu gewinnen. Was passiert dann? Können Sie kurz die Handlung skizzieren, ohne zu viel zu verraten?

Thomas Franke: Vielleicht beantworte ich die Fragen ein bisschen grundsätzlicher. Warum habe ich überhaupt Sila als Hauptfigur gewählt? Sila ist eine Figur, die aufgrund eigener Erfahrung jeglichem Glauben gegenüber sehr skeptisch ist. Sie hat gute Gründe dafür und geht davon aus, dass sie es mit Menschen zu tun hat, die etwas Böses vorhaben.

Das prägt ihr ganzes Denken. Dies zeigt sich auch daran, wie sie all die Dinge interpretiert, die sie in den ersten Begegnungen mit der Untergrundkirche beobachtet. Aber je länger sie in der Organisation ist, desto mehr stellt sie fest, dass manche ihrer Grundannahmen möglicherweise nicht zutreffen. Sie begegnet Menschen, mit denen sie nicht gerechnet hat, und fängt an, ihr Weltbild ein Stück weit in Frage zu stellen.

Der Science Fiction-Roman als literarischer Schminkspiegel

ERF: Es ist ein düsteres Zukunftsbild, das Sie in Ihrem Roman entwerfen. Halten Sie es für möglich, dass es in Deutschland irgendwann dazu kommen könnte, dass man sich in Gefahr bringt, wenn man sich als Christ zu erkennen gibt?

Thomas Franke: Auch da würde ich gern ein bisschen grundsätzlicher antworten. Warum habe ich ausgerechnet einen Science Fiction-Roman geschrieben und dann noch einen, der in Richtung Dystopie geht? Ich finde Science Fiction bietet die ganz große Möglichkeit, uns in der heutigen Zeit einen Spiegel vorzuhalten. Und zwar keinen gewöhnlichen Spiegel, sondern einen verstärkten Spiegel, eine Art Schminkspiegel.

Ein Science Fiction-Roman kann eine Art literarischer Schminkspiegel sein, in dem ich bestimmte Dinge besser erkennen kann, einfach weil sie vergrößert werden.

In „Undercover“ habe ich Entwicklungen aufgegriffen, die heute beobachtbar sind, und zwar in ganz unterschiedlichen Bereichen wie Gesellschaft, Politik und Technik.

Diese Entwicklungen habe ich quasi fortgeschrieben. Ich habe sie sich weiterentwickeln lassen, sodass die Grundlinien gut genug erkennbar sind, um eine gewisse Aufmerksamkeit bei meinen Lesern zu wecken.

Mir geht es nicht darum, Angst vor der Zukunft zu machen. Ich bin kein grundsätzlich pessimistischer Mensch und glaube auch nicht, dass alles immer eine Entwicklung zum Schlechteren sein muss. Ich denke nur, es ist wichtig, aufmerksam zu sein, wachsam Entwicklungen zu beobachten und kritisch zu begleiten.

Und da entdecke ich schon, dass es in unserer Gesellschaft eine Neigung zum Fundamentalismus gibt, in verschiedenen Ausprägungen. Und es gibt eine Gegenbewegung dazu, auch in verschiedenen Ausprägungen.

In meiner Science Fiction-Geschichte ist es so, dass sich die Gesellschaft schon in der zweiten Phase befindet, zuvor gab es eine extreme Zunahme von Fundamentalismus mit katastrophalen Auswirkungen. Und die zweite Phase ist eine entsprechende Gegenbewegung, die beschreibe ich in diesem Science Fiction-Szenario, aber ich greife dabei auf Dinge zurück, die jetzt schon in unserer realen Gesellschaft vorhanden und beobachtbar sind.

Das Ziel: sich hinterfragen und ins Gespräch kommen

ERF: Haben Sie Sorge, dass Ihr Buch für den ein oder anderen Verschwörungstheoretiker zur Projektionsfläche werden könnte?

Thomas Franke: Verschwörungstheoretiker haben kein Problem damit, sich irgendetwas zu eigen zu machen. Von daher kann ich mir vorstellen: Wenn man will, kann man auch meinen Roman dazu verwenden. Aber dann ist es ein Missbrauch des Buches.

Das Buch ist keine Verschwörungstheorie; es geht mir nicht darum, Angst zu machen, sondern es ist eine erfundene Geschichte. Sie enthält einige Aspekte, von denen ich mir wünsche, dass die Leserinnen und Leser darüber nachdenken und sich fragen: Wo entdecke ich Vergleichbares in meinem Leben und den Dingen, die mir begegnen? Und kann ich da mal aus einem anderen Blickwinkel draufschauen?


ERF: Wem würden Sie das Buch besonders empfehlen? Wer sollte es unbedingt lesen?

Thomas Franke: Wenn es nach mir ginge, würde ich mich da gar nicht festlegen. Grundsätzlich ist es mir bei meinen Büchern immer wichtig, dass sie möglichst alle Menschen, die lesen können, erreichen, selbst wenn sie in einem Verlag mit christlichem Profil erscheinen.

Ich möchte nicht nur für Christen schreiben, sondern ich möchte, dass auch Menschen, die mit dem Glauben überhaupt nichts zu tun haben oder negative Erfahrungen und Vorurteile mitbringen, dieses Buch lesen können und nicht abgeschreckt oder irritiert sind.

Das ist ein Grund, warum ich mit Sila eine Protagonistin gewählt habe, die dem Glauben total skeptisch gegenübersteht. Ich hoffe, dass Menschen mit einem vielleicht agnostischen oder atheistischen Hintergrund sagen: Mit der kann ich mich identifizieren. Genauso auch Menschen, die negative Erfahrungen mit Christen gemacht haben. Das gibt es ja bedauerlicherweise durchaus und es gibt berechtigte Kritik an dem, wie Christen sich verhalten.

Insofern ist es vielleicht auch hilfreich für Menschen, die sich sehr stark in einer frommen Blase bewegen, sich hier mit einer Protagonistin auseinanderzusetzen, die ganz anders denkt. Das hilft uns einfach, uns in andere Menschen hineinzuversetzen und über den Tellerrand hinauszuschauen.

Dann können wir vielleicht in ein offenes Gespräch kommen. Das wäre mein Traum, dass Menschen anfangen, sich ein bisschen zu hinterfragen und offen werden fürs Gespräch miteinander.
 

ERF: Ist schon ein neues Buch in Planung, gibt es neue Ideen? Worauf können sich Ihre Fans freuen?

Thomas Franke: Sobald ein Buch herauskommt, ist das nächste schon immer längst in Arbeit. Es dauert ja immer eine ganze Weile vom abgegebenen Manuskript bis zum fertigen Buch. Insofern bin ich schon längst im nächsten Projekt.

Das wird eine Weihnachtserzählung, also was komplett anderes, das nichts mit Science Fiction zu tun hat. Ja, und das übernächste Buch, das arbeitet auch schon ein bisschen in meinem Kopf. Das wird dann in die Vergangenheit führen, das kann ich schon mal sagen.

ERF: Wir sind gespannt. Herzlichen Dank für das Gespräch.
 

 Oliver Jeske

Oliver Jeske

  |  Redakteur

Sprachlich Hannoveraner, seit einem Vierteljahrhundert in Berlin zu Hause, liebt er Jesus, Tanzen mit seiner Frau, Nordsee-Spaziergänge mit seinen Söhnen und leckeren Fisch. Von Gott ist er fasziniert, weil der ihn immer wieder überrascht und im wahrsten Sinne des Wortes beGEISTert.

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