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30.07.2014 / Interview / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Nelli Bangert

Die Hölle gehört dazu

Warum wir als Christen auch über die Hölle reden sollten. Ein Interview mit Matthias Lohmann.

In früheren Zeiten wurde oft mit der Hölle gedroht, um Menschen dazu zu bewegen, Christen zu werden. Heute sprechen Christen häufig lieber vom liebenden Gott, der sich für uns aufopfert. Pastor Matthias Lohmann aus der FEG München Mitte ist der Ansicht, dass dieser Trend gefährlich ist. Er meint: Auch Hölle und Gericht sollten in Gesprächen mit Nichtgläubigen erwähnt werden. ERF Online hat ihn interviewt.

ERF Online: Herr Lohmann, Sie haben bei Ihrem Vortrag auf der Konferenz „Evangelium 21“ im April geäußert, dass Themen wie „Hölle und Gericht“ stärker thematisiert werden sollten, sowohl in Predigten als auch in Gesprächen mit Nichtchristen. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Matthias Lohmann: Diese Formulierung klingt sehr plakativ. Ich meine damit, dass das Evangelium der Rettung nur verständlich ist, wenn wir die Notwendigkeit unserer Rettung verstehen. Stellen Sie sich vor, ich sage einem Passagier der Titanic: „Spring sofort runter.“ Aber er hält das Schiff für unsinkbar, daher schaut er mich groß an und sagt: „Du spinnst wohl.“ Genau das ist unser Kommunikationsproblem mit dem Evangelium.

Matthias Lohmann ist Pastor der FeG München Mitte. (Bild: privat)

ERF Online: Wie meinen Sie das?

Matthias Lohmann: Die meisten Menschen können mit dem Begriff Sünde nichts mehr anfangen. Deshalb ist es für sie auch keine gute Nachricht, dass Christus für die Sünder gestorben ist. Vielmehr werden sie denken: Der Arme. Das hätte er ja nicht tun müssen. Deshalb müssen wir ihnen erklären, warum das notwendig war. Und was es mit diesem Begriff Sünde auf sich hat, den viele nur noch aus der Werbung kennen. Da wird Sünde gleichgesetzt mit…

ERF Online: … der Sahnetorte?

Matthias Lohmann: Genau das. Deshalb müssen wir den Menschen erklären, was Sünde in der Bibel bedeutet, sodass sie verstehen: Für meine Sünde muss jemand sterben. Entweder ich selbst. Dann komme ich in die Hölle. Oder Jesus Christus, so dass ich leben kann.

Aber das geht eben nur, wenn wir in unseren Predigten auch von Sünde und Gericht sprechen. Doch manche Prediger klammern Bibelpassagen in dieser Richtung aus, weil sie diese für unzumutbar halten. Ich denke da zum Beispiel an die ermahnenden, richtenden Worte der Propheten. Aber wer nur von der Liebe Gottes spricht, predigt menschenzentriert und nicht gotteszentriert.

Wir kennen die gute Nachricht selbst nicht mehr

ERF Online: Aber Jesus hat uns durch seinen Tod am Kreuz doch gerade seine Liebe gezeigt. Reicht das nicht aus, um ein klares Ja zu Gott zu finden? Warum müssen wir Menschen mit der Hölle Angst machen?

Matthias Lohmann: Ich sage ja gar nicht: Leute, lasst uns von der Hölle predigen und den Menschen sagen, dass Gott zornig auf sie ist. Darum geht es mir nicht. Aber ich möchte das Evangelium so vermitteln, dass deutlich wird, was es mit Jesu Liebe auf sich hat. Nehmen wir noch einmal das Titanic-Beispiel. Wenn ich vor der Eisberg-Kollision mit einem Rettungsboot am Schiff andocke und rufe: Ich rette Euch. Schaut, wie sehr ich euch liebe. Dann werden die Passagiere sagen: Komische Liebe. Die braucht doch keiner.

ERF Online: Predigen wir also eine gute Nachricht, die kein Mensch versteht?

Matthias Lohmann: Genau das ist das Problem. Viele Christen haben große Schwierigkeiten, die Gute Nachricht zu erklären und manche, die sich selbst Christen nennen, kennen das Evangelium nicht. Vor kurzem saß ich im Flugzeug neben einer Dame, die mir erklärte, dass sie Christin sei und mir begeistert erzählte: Ich bin voll unterwegs mit Christus und gehe seit kurzem jede Woche zur Kirche. Aber was sie sagte, klang für mich vor allem nach einem emotionalen Höhenflug. Daher fragte ich: Es würde mich mal interessieren. Können Sie mir die gute Nachricht des Evangeliums erklären? Das konnte sie nicht und war überrascht, was ich ihr alles darüber erzählte.

Das ist für mich so ein Paradebeispiel. Ich bin überzeugt, dass in vielen Kirchen Menschen sitzen, die das Evangelium noch nie richtig verstanden haben. Weil wir das Evangelium nicht klar genug predigen, sondern nur die emotionale Botschaft rüberbringen: Gott liebt uns und hat einen wunderbaren Plan für unser Leben. Der stellvertretende Sühnetod Jesu wird hingegen an manchen Orten gar nicht mehr gepredigt.

Wir können nicht drei Viertel der Bibel streichen

ERF Online: Wenn ich an Liebe denke, fällt mir eine Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau ein. Sie treten miteinander in Beziehung, weil sie von dem anderen fasziniert sind. Kann es nicht genauso auch mit Gott passieren? Dass wir ihn toll finden, weil er soviel für unser Leben bedeutet?

Matthias Lohmann: Absolut. Gott ist die Liebe, und das war er schon immer. Aber Gott wird zu Recht auch zornig über Sünde, und er ist ein gerechter Richter. Auch das steht in der Bibel. Gott hat sich in ihren 66 Büchern offenbart. Wollen wir sagen, dass wir drei Viertel davon nicht brauchen, weil es da auch um Zorn und Gericht geht?

Ich höre gelegentlich das Argument: Wir wollen hier niemandem mit dem Teufel drohen, damit er sich bekehrt. Das ist auch nicht mein Ansatz. Aber wenn ich jemanden sehe, der auf einen Abhang zufährt, finde ich es legitim, ihn zu warnen: Wenn du weiterfährst, wirst du abstürzen und tot sein. Habe ich ihm gedroht? Nein, ich habe ihn nur davor gewarnt, was passiert, wenn er nicht umkehrt.

ERF Online: Also geht es nicht darum, mit der Hölle zu drohen, sondern vor ihr zu warnen?

Matthias Lohmann: Genau, wir brauchen den Hinweis, wo wir hin sollen und wo es gut ist. Und wir brauchen die Warnung davor, wo es schlecht ist. Ich frage mich, mit welchem Recht wir Gottes Wort redigieren und sagen: Die eine Seite, die ist akzeptabel. Die übernehmen wir. Die andere Seite, die lassen wir weg, da hat Gott ein bisschen übertrieben.

Wir sind Botschafter Gottes. Als Botschafter habe ich keine eigene Botschaft, sondern gebe das weiter, was mir aufgetragen wurde. Das betrifft sowohl die unfassbar große Liebe Gottes als auch sein gerechtes Gericht. Diese beiden Dinge gehören eng zusammen.

Man darf auch mal Angst vor Gott haben

ERF Online: Das ist richtig. Aber wenn ich an die Art der Evangelisation vor einigen Jahrzehnten denke, da wurde viel vor der Hölle gewarnt und damit bewusst Angst gemacht.

Matthias Lohmann: Das habe ich nie erlebt. Wenn man den Leuten wirklich nur droht, dann ist das natürlich problematisch und viel zu wenig. Wenn ich nur noch sage: „Pass mal auf, wenn du jetzt nicht Buße tust, dann kommt der zornige Gott und macht dich platt.“ Das ist natürlich auch verkehrt, weil ich Gott damit falsch darstelle. Aber das mache ich ebenso, wenn ich nur vom „lieben Gott“ spreche.

ERF Online: Gerade bei Kindern kommt der zweite Teil der Botschaft vielleicht nicht an. Sie hören nur, dass sie in die Hölle kommen, wenn sie sich nicht bekehren. Kann eine Entscheidung für Jesus Hand und Fuß haben, wenn sie aus Angst getroffen wird?

Matthias Lohmann: Ich finde es okay, auch mal ein bisschen Angst zu haben und sich bewusst zu werden: Ich lebe anders, als Gott es will. Daran merken wir, dass der Heilige Geist in uns arbeitet. Er hilft uns, Gottes Heiligkeit und unsere eigene Sündhaftigkeit zu erkennen. Das finde ich biblisch richtig. An diesem Punkt sollen wir ja auch nicht stehenbleiben, aber er hilft uns, die Gnade Gottes zu erkennen.

ERF Online: Als Christen glauben wir, dass Gott unser Vater ist. Mir erscheint es komisch, als Kind Angst vor dem eigenen Vater zu haben. Haben Sie schon einmal erlebt, dass Ihre Kinder Angst vor Ihnen hatten?

Matthias Lohmann: Ich habe zwei Töchter. Wenn sie Mist gebaut haben, haben sie in gewisser Weise Angst vor mir. Denn sie wissen, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat. Ich bin kein brutaler Vater, aber vielleicht schaue ich sie böse an oder streiche ihnen den Nachtisch. Aber wenn ich meine Arme ausstrecke und frage: „Gibt es etwas, worüber wir reden sollen? Ich bin gern bereit dir zu verzeihen“, dann kommen meine Kinder. Sie haben immer noch Angst, aber sie wissen: „Aus diesem Zustand will ich raus. Ich will zurück in den Zustand der Harmonie.“ Von daher finde ich es völlig legitim, dass die Liebe Gottes und sein Gericht nebeneinander existieren.

ERF Online: In unserer pluralistischen Gesellschaft stehen viele Religionen und Weltanschauungen gleichberechtigt nebeneinander. Als Christen glauben wir hingegen, dass Jesus der einzige Weg in den Himmel ist. Welche Chance haben wir, mit dieser Botschaft auf offene Ohren zu stoßen?

Matthias Lohmann: Wir haben den Heiligen Geist auf unserer Seite, der die Menschen von der Wahrheit überzeugt. Das Wort Gottes ist mächtig. Außerdem ist eine pluralistische Gesellschaft unbefriedigend, denn sie propagiert verschiedenste Wahrheiten, die sich gegenseitig widersprechen. Das hält kein Mensch auf Dauer aus. Ich glaube, Menschen haben heute Sehnsucht nach Wahrheit und Klarheit, gerade wegen dieses postmodernen Kontextes.

Von daher halte ich die pluralistische Gesellschaft für kein so großes Problem. Unsere Botschaft ist klar, und wir tun gut daran, sie in aller Klarheit zu verkündigen. Außerdem ist es eine frohe Botschaft. Darum können wir sie mit fröhlichem Herzen und froher Miene weitererzählen.

ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch.

Ihr Kommentar

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Kommentare (8)

Roland /

Ich finde die Antworten wichtig und nötig für die christliche Doppelbotschaft.Mir fällt jedoch immer wieder auf,dass mindestens zwei Szenarien für die christliche Hölle bestehen:
1.Nach dem Endsieg mehr

Magdalena /

Sehr gutes und überzeugendes Interview von dem Pastor Lohmann.
Echt stark!
Ich teile zu 100 prozent seine Einstellung.
Ich bin auch der Meinung, das wir in unserer heutigen Kuschel und mehr

Karin /

Ja, die Hoelle gehoert dazu! Der Herr Jesus kam um uns vor der Heolle zu erretten, er hat uns auch sehr oft davor gewarnt. Wenn manche Leute von Angstmacherei sprechen ist das schon richtig, Angst mehr

Karin K. /

Ja es stimmt man sollte nicht mit der Hölle
drohen. Aber man sollte die Liebe Jesu verkündigen, die uns vor der Hölle bewahrt. Die Hölle ist existent, genau wie das Gericht und die ewige Verdammnis. Das zu
verschweigen spielt dem Teufel die Seele zu.

Kurt Oskar K. /

Wieder einer , der versucht die Hölle mit dem Drohpotenzial aus der Mottenkiste der christlichen Geschichte hervorzuholen. Statt Menschen zu motivieren in der Bibel zu lesen und dazu zu bringen mit mehr

Helga L. /

Danke für die klaren Worte.Ich habe viele Jahre den strafenden Gott gelehrt bekommen,sodass meine Zuflucht nur mein Heiland Jesus Christus(Gemeindejugend Sr.Elisabeth)war.Ich hatte keinen gütigen mehr

Markus R. /

Klare Worte über die Wahrheit. Allerdings weiß ja niemand wie die Hölle in Wirklichkeit aussieht ? Daher sollte man vorsichtig mit diesen Worten umgehen,um einen Missbrauch von Angstmacherei ( wie in der Vergangenheit) zu unterbinden.

Alex van N. /

Herzlichen Dank fur was Sie hier geschrieben habe. Das erzaehlt genau warum wir angefangen haben hier in Belgien Christen zu helfen das biblischen Evangelium weiterzugeben. http://trainingevangelismeurope.blogspot.be/

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