/ Wort zum Tag
Leidvolle Erfahrungen
Michael Wehrwein über Hiob 9,4.
Gott ist weise und mächtig; wer stellte sich ihm entgegen und blieb unversehrt?
Leid und Schmerz gehören zum Leben dazu. Wahrscheinlich haben die meisten unter uns schon leidvolle Erfahrungen gemacht. Eine schwere Krankheit oder Abschied von geliebten Menschen sind solche Erfahrungen. Was hilft durch schwere Wegstrecken? Wo gibt es Trost im Leid? Wenn ich meinen eigenen Lebensweg betrachte, gibt es neben vielen schönen Abschnitten auch manche schwere Etappen. Als ich Konfirmand war, wurde einer meiner Brüder schwerkrank. Ich betete im kindlichen Vertrauen: „Lieber Gott, lass ihn wieder gesund werden“. Eine Nachbarin kam immer wieder vorbei und betete mit mir. Eines Tages wurde mir klar, dass im Vaterunser steht „Dein Wille geschehe.“ Dieser Satz hat mein Denken und Beten fortan bestimmt. Als dann mein Bruder am Tag nach meiner Konfirmation starb, war ich traurig und dennoch getröstet.
Ich denke auch an die Geburt eines unserer Söhne. Als meine Frau aus der Narkose nach einem Kaiserschnitt erwachte, waren die ersten Worte der Ärztin: „Das Kind stirbt. Seien sie froh, es ist eh behindert.“ Wir haben viel geweint und viel gebetet. Monate lang schwebte unser Sohn in der Unikinderklinik zwischen Leben und Tod. Er hat überlebt. Trotz seiner Behinderung ist er unser Wunderkind. Er ist heute trotz einiger Defizite ein fröhlicher und selbstbewusster junger Mann mit vielen Gaben. Wir haben ihn Johannes Tobias genannt. Das heißt: „Gott ist gnädig“ und „Gott ist gut.“ Gottes Wort hat getröstet.
Als ich an den Gräbern der Eltern und anderer lieben Menschen stand, waren mir Worte der Bibel und gerade das Hiob-Buch ein starker Trost. Aber auch andere Menschen, die ihre Nähe schenkten, wurden zur Hilfe und zum Trost. Ich bin kein Glaubensheld. Manchmal habe ich mit Gott gerungen. Manchmal habe ich gefragt: Gott, warum lässt du das zu? Aber immer wieder stellte das Vertrauen auf Gott meine Füße auf festen Grund. Zwischen Anfechtung und Vertrauen bedenke ich dankbar mein Leben. Oft habe ich erst im Rückblick erfahren, wie Gott aus manchen menschlich unverständlichen Ereignissen und Situationen in seiner Weisheit vorgearbeitet hat. Alles lief oft in eine ganz andere Richtung, als von mir erwartet. Ich habe gerade in schweren Zeiten die Nähe Gottes besonders erfahren. Mein Gottvertrauen ist gewachsen. Gott hat mich bisher nicht im Stich gelassen. An manche wunderbare Gotteserfahrung musste ich denken, als ich über Hiob nachdachte. Gut, dass dieses wunderbare Buch in der Bibel enthalten ist. Es zählt zu den bedeutendsten Werken der Weltliteratur. Goethe übernahm die Rahmenerzählung für seinen Faust. Vielen Menschen wurden Sätze aus diesem Buch angesichts von Leid und Not, und mancher Hiobsbotschaften zu einem starken Trost, zum starken Halt und zur Wegweisung.
Das Buch Hiob stellt die Frage nach der Grundlage unseres Lebens gerade in schweren Zeiten. Hiob erlebte in seinem Leben viel Schlimmes. Er, der Gott treu war, verzweifelt in seiner Einsamkeit, er fordert sein Recht von Gott, verflucht sogar seine Geburt und wünscht sich den Tod. Drei Freunde kommen zu Besuch. Sie verharren in siebentägiger Trauer und in Mitleid schweigend bei Hiob. Mit ihren Reden versuchen sie Hiob zu helfen. Sie forschen nach dem Grund für Hiobs Leid. Sie versuchen, ihn teils mit Allgemeinplätzen zu trösten. Sie machen ihm klar, dass kein Mensch vor Gott gerecht ist. Hiob solle keinen Nutzen aus seiner Frömmigkeit ziehen. Elihu, der vierte Freund, sieht im Leid später ein Erziehungsmittel Gottes. Auf die erste Rede seines Freundes Bildad antwortet Hiob mit dem Satz: Gott ist weise und mächtig, wer stellte sich ihm entgegen und blieb unversehrt? Hiob geht von seinem Schicksal und seiner Erfahrung aus. Er hält an Gott fest und Gott hält ihn. Am Ende steht der segnende und liebende Gott. Das ist auch für uns heute wichtig und hilfreich.
Ihr Kommentar
Kommentare (5)
Danke für die Ermutigenden worte
Danke für Ihre Ausführungen zum Losungsvers - im Besonderen für Ihre biografischen Beschreibungen zum Tod des Bruders in Ihrer Kindheit und zum Überleben des eigenen Wunderkindes. Das Gebet zu Gott … mehrstellen Sie in den Fokus - und Gottes Willen.
Hiob wusste nichts von dem übernatürlichen Ausgangspunkt seiner dramatischen Schicksalsschläge. Er anerkennt im Losungsvers das Ausmass der Kluft von Gott zum Menschen. Auch er bekennt rückblickend, dass er trotz all seiner menschlichen Weisheit von Gottes Wesen und Wirken keine Ahnung hatte.
Berührt hat mich auch die Parallele des eigenen Lebens zu Ihren Erlebnissen. Bei mir war ein an sich unbegreiflicher Velounfall Ausgangspunkt für meine 40 Jahre später ärztlich diagnostizierte Behinderung (96%ige Arbeitsunfähigkeit). Falls ich überlebe, dann mit geistiger Behinderung, sagte der zum Unfallzeitpunkt anwesende Arzt 1974 zu meiner Mutter. Heute kann ich zwar wesentlich Konsequenzen des Unfalls als Geschenk sehen - doch Gottes Absicht mit mir erfassen können: nein, bestenfalls ein wenig erahnen. Umso mehr verwundert es immer wieder, dass hunderte von zuverlässigen Aussagen in Gottes Wort ebendiese Absichten in einzigartiger Weise erläutern. Wir sollten uns - oder ich sollte mich - über diese unbegreifliche Zuverlässigkeit der heiligen Schrift freuen. Doch die herrliche Ewigkeit ist in der Diesseitigkeit dermassen bruchstückhaft - bis elendiglich - abgebildet, dass mir oft nur dann Freude aufkommt, wenn ich die Diesseitigkeit vergesse.
Vielen lieben Dank für Ihre wertvollen Worte!
Sie haben eine beeindruckende Lebensgeschichte. Chapeau!
Ich lese das gerne, wenn ich nicht schlafen kann. Es beruhigt einfach,: "Gott ist weise und mächtig" und: "Am Ende steht der segnende und liebende Gott. Das ist auch für uns heute wichtig und hilfreich."