/ Bibel heute
Die Heilung eines Gelähmten
Elisabeth Küfeldt über Matthäus 9,1–8.
Zunächst einmal bin ich enttäuscht: Matthäus ruiniert eine der schönsten Geschichten des NT! Diese Heilungsgeschichte kenne ich doch aus dem Markusevangelium viel aufregender, farbiger – ja, auch spannender! Wo sind denn die vier Freunde abgeblieben, die den Gelähmten tragen? Die haben mich immer eingeladen, über die Kraft von Freundschaft nachzudenken. Und dann, die ganze wunderbare Geschichte mit dem Dach, auf das sich bei Markus die Freunde erst mal hinaufplagen mit der Bahre des Kranken! Das decken sie dann so herrlich dramatisch auf, damit sie ihren Freund direkt vor Jesus hinunterlassen können.
Alles verschwunden, nur das schiere Gerippe der Geschichte ist übrig!
Und das ist auch gut so. Denn: so tritt viel klarer zutage, um was es wirklich geht! Um Jesus, und seine Macht, Sünden zu vergeben und Menschen an Leib und Seele zu heilen!
Matthäus hat in seinem Evangelium an die drei großen Kapitel mit der Bergpredigt zwei Kapitel angeschlossen, die von den Wundern Jesu erzählen. Man könnte denken: „Aha, erst wird der große Lehrer Jesus vorgestellt, dann der mächtige Wundertäter“, entsprechend kommt ein Kanonenschlag nach dem anderen, und den Zuhörern oder Lesern soll der Mund offen stehen vor Verwunderung wie bei einem prächtigen Feuerwerk.
Aber so ist’s nicht gemeint. Zu vergleichen sind die Wunderberichte (eigentlich ist es sachgemäßer, von „Zeichen“ zu reden) mit Scheinwerfern, die einer nach dem anderen auf Jesus gerichtet werden, so lange, bis er mit seiner Person, seiner Persönlichkeit, seiner Mission hell erleuchtet vor uns steht.
Und da ist es (wenn ich mich grad nicht auf den Kindergottesdienst vorbereite) sinnvoll, wenn ich manche liebgewordenen Details vernachlässige, mich nicht um herabfallenden Putz von der Decke schere, sondern auf den Menschen schaue, der da vom Schicksal zu Boden geworfen ist – und jetzt vor Jesus liegt.
Und vor allem: auf Jesus, zu dem er aufschaut, voll Hoffnung. Aber auch voll Unsicherheit: Was kommt jetzt? Macht er mich gesund? Kann er das?
Da plötzlich finden auch wir uns selbst wieder in der Geschichte: zu Boden geworfen von schlechten Nachrichten beim Arzt oder einem schweren Verlust, gelähmt von Angst vor Krieg oder Trauer um ein Kind; oder eben mit einem Sack voll schlechten Gewissens, schlechten Entscheidungen, schlechten Gedanken im Kopf.
Vielleicht liegen Sie ja gerade im ganz wörtlichen Sinn, noch vor dem Aufstehen oder zu schwach zum Aufstehen oder völlig erschöpft nach großer Anstrengung. Egal, ob im wörtlichen oder im übertragenen Sinn: Wir liegen vor Jesus und schauen auf zu ihm und sehnen uns nach Heilung.
Und hören dann von ihm, was Er für das wichtigste und Größte und Hilfreichste hält: Sei guten Muts, sei getrost, mein Kind. Dir sind deine Sünden vergeben.
Ein Scheinwerfer auf Jesus ist diese Geschichte. Auf das, was er kann, und auf das, was er ist.
Menschlich gesehen ist er zu der Zeit ungefähr 30 Jahre alt. Wohl kaum wesentlich älter als der Kranke, mit dem er spricht. Trotzdem sagt er „Kind“ zu ihm und spricht ihm Trost zu. Wie eine Mutter ihrem Kind Trost gibt, einfach, weil sie da ist. So, wie Gott im Alten Testament schon sagt: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“.
Ein Scheinwerfer auf Jesus – und beim folgenden Satz wird das Licht gleißend hell, es beginnt das Bild zu flirren, die Konturen lösen sich fast auf: denn es ist nicht mehr klar, wer hier eigentlich spricht: Jesus – oder Gott selbst. „Dir sind deine Sünden vergeben“, sagt er.
Darf er das? Für die Pharisäer damals die allerwichtigste Frage!
Jesus hat‘s in der Gegenwartsform formuliert: Dir werden jetzt im Moment gerade deine Sünden vergeben – also keine ungefähre Hoffnung, dass Gott in seiner Barmherzigkeit beim Gericht einstmals gnädig sein wird. Sondern die schlichte Ansage: Das passiert jetzt. Darf er das?
Ich vergleiche das mal mit folgendem: Stellen Sie sich vor, Sie haben sich auf dreißig Jahre verschuldet für Ihr Häuschen, und wissen: jeden einzelnen Monat werde ich meine Raten zahlen müssen, um am Ende schuldenfrei zu sein – und dann sagt nach ein paar Monaten ein Bankbeamter so eben mal: Der Kredit ist übrigens gelöscht, sie sind schuldenfrei! Das wäre ja obercool, aber: darf er das? Kann er das? Wie soll denn das gehen?
So stelle ich mir die Verwirrung unter den Leuten vor, damals bei Jesus. Sünden vergeben kriegen, diese ganze Menge an bösen Gedanken, schlimmen Worten, durch eigene Schuld kaputte Beziehungen, diesen ganzen Schuldberg, alles vergeben kriegen – das wäre obercool! Aber wie soll das denn gehen?
Bei dem Bankkredit geht’s unter genau zwei Bedingungen: Wenn dem so großzügig redenden Menschen die Bank gehört – oder wenn er selbst die Schulden bezahlt hat (warum auch immer).
Die Geschichte ist ein Scheinwerfer auf Jesus: Kann er, darf er Sünden vergeben? Ist Er der „Besitzer der Bank“?
Schon faszinierend, wie Jesus auf das große Fragezeichen in den Gesichtern der Umstehenden reagiert! Da kommt kein Blitz und Getöse, um seine Göttlichkeit zu demonstrieren, auch kein Engelsheer oder Engelschor, da kommt ein ganz schlichter Satz. So, wie die ganze Schöpfung damals durch schlichte Wörter Gottes aus dem Nichts gerufen wurde: „Steh auf, hebe dein Bett auf und geh heim“ Und auf diesen Satz hin fügen sich Nervenenden zusammen, Muskeln regenerieren sich, Gelenke werden geschmeidig – so, wie sich seinerzeit kosmische Staubmassen zusammengeballt haben und Sterne und Planeten geformt haben, wie aus toter Materie springende Laubfrösche und kraftstrotzende Adler wurden.
Scheinwerfer auf Jesus: Er ist der Chef der Welt, der „Besitzer der Bank“, er hat die Macht über Krankheiten – und über unseren Schuldenberg. Er kann und darf Sünden vergeben, und er will es tun, auch heute.
Das Beste wussten die Menschen damals noch gar nicht, aber wir wissen es: Seine reine Macht hätte ja gereicht, uns die Schuld zu vergeben. Aber weil bei ihm Macht, Gerechtigkeit und Liebe zusammenkommen, hat er auch das andere getan: Er hat die Schuld selber bezahlt, am Kreuz.
Darum steht’s so fest, unverrückbar. Unanzweifelbar. Sicher und gewiss: Ihnen und mir sind die Sünden vergeben, im Namen Jesu.
Ihr Kommentar
Kommentare (1)
D a n k e. für diese starke Hilfe und Mutmachung !