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Tragen und getragen werden

Jutta Schierholz über Jesaja 46,4

Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.

Jesaja 46,4

Ich gebe es zu: Ich werde langsam grau. Meine Kinder sagen es mir ganz unverblümt: Mama, du wirst echt alt. Deshalb hat mich der Vers 4 aus dem Jesaja-Buch, Kapitel 46 auch gleich angesprochen. „Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.“

Ich bin jetzt in einem Alter, in dem die Menschen, die mich bisher getragen haben, weniger werden. Mutter und Vater, die mich von Anfang an als Kind getragen haben, sind gestorben oder müssen selbst von mir getragen und gepflegt werden. Genauso ist es auch mit den anderen Leuten, die mich im Lauf meines Lebens „getragen“ haben – der Patenonkel, dem ich viel verdanke. Unsere Nachbarn. Die Lehrer von früher, die mir viel beigebracht haben. Meine Klavierlehrerin. Der erste Chef an der ersten Arbeitsstelle. Die Pastoren, die mir viel über das Leben als Christ vermittelt haben. Meine Professoren, bei denen ich studiert habe. Sie werden weniger. Sie werden alt und sterben, und sie sind dann einfach nicht mehr da.

Jetzt liegt die Aufgabe an mir, andere Menschen zu tragen: Zuerst natürlich meine Kinder, die ich trage, bis sie selbst laufen können. Und die ich weiter beim Wachsen und Lernen begleite und später helfe, auf eigenen Beinen durchs Leben zu gehen. Dann sind da die alten Eltern, die meine Hilfe brauchen, oder auch die hochbetagte Nachbarin im Erdgeschoss, bei der ich mal kurz einen Handgriff erledige. Und dann sind da vor allem noch viele, viele Jüngere, denen ich in der Gemeinde und in der Nachbarschaft eine Art Mutter bin, so wie es früher andere Menschen für mich waren. Die ich mit trage. Denen ich eine Stütze sein kann und ein Stück Lebensweisheit mitgeben kann.

Ich bin hier auf vielfältige Weise gefordert. Es ist eine gewaltige Aufgabe, so in der Mitte des Lebens zu stehen und diejenige zu sein, die am stärksten ist und andere Menschen versorgt und auf allerlei Weise trägt. Es ist eine schöne Aufgabe, aber – manchmal frage ich mich doch auch, wer eigentlich mich trägt, während ich hier alle anderen trage.

Gott spricht: „Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet.“ Zu biblischen Zeiten war es sicher eine besondere Gnade, überhaupt ein Alter zu erreichen, in dem die Haare grau wurden. Das waren damals die ganz Alten, die Großmütter und Großväter, wenn nicht sogar die Urgroßmütter und Urgroßväter. Auch diese trägt Gott, so sagt er, als ob sie kleine Kinder wären. Euch alle, sagt Gott, werde ich euer ganzes Leben lang begleiten: Von den ersten Schritten an. Wenn ihr anfangt, euer Leben selbst in die Hand zu nehmen. Wenn ihr eigenes Geld verdient und eigene Kinder habt. Wenn ihr für andere sorgt und andere anleitet. Und wenn ihr alt werdet und eure Kraft schwindet. Ich werde euch tragen, sagt Gott. Und er ist dabei absolut zuverlässig. Denn er hat es schon so oft getan. Ich sehe das, wenn ich in die Bibel schaue und von den Menschen lese, an denen Gott gehandelt hat. Und ich sehe es auch an den vielen alten Menschen in den Gemeinden, die ihr Leben mit Gott gelebt haben. Durch alle Höhen und Tiefen des Lebens hindurch hat Gott sie getragen.

Ich bin nicht allein, wenn ich andere trage. Es ist nicht allein meine Kraft, die alle anderen hält. Es bricht nicht alles zusammen, wenn meine Kraft zwischendurch versagt. Auch ich darf mich in dieser Gewissheit fallen lassen: Dass es einen gibt, der auch mich trägt. Auch mein eigenes graues Haupt: „Ich will euch tragen, bis ihr grau werdet.“

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Kommentare (2)

URö /

Zu Ihren Zeilen das nachfolgende:
- Ich träumte eines Nachts, ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn. Und es entstand vor meinen Augen, Streiflichtern gleich, mein Leben. Nachdem das letzte Bild mehr

Hedy /

Danke fuer die Auslegung. Nachdem ich jetzt 70 werde, habe ich mich in Ihre Auslegung erkannt.
Dinge ich frueher locker alleine getragen habe, brauche ich jetzt Hilfe von Anderen, Leute die mich mehr