16.08.2025 / Serviceartikel

Der Berg hat immer recht

5 Lektionen, die uns das Bergwandern über das Leben lehrt.

Ich sitze frustriert an der Talstation eines Berges. Heute wird das wohl nichts mehr. Für die geplante Tour wollten wir mit der Bergbahn abkürzen, aber diese hat ein Problem und wird seit einer Stunde ohne Erfolg repariert. Mein Blick geht hoch zum Himmel, von dem schon jetzt um 10 Uhr die Sonne brennt. Für einen Aufstieg zu Fuß hätten wir vor Stunden starten müssen, auch weil für den Nachmittag Gewitter und Regen angesagt sind. Mein Mann macht dennoch den Vorschlag, zu Fuß aufzusteigen. Ich winke ab. Zu kritisch. Sollte die Bergbahn dann noch nicht repariert sein, schaffen wir es eventuell nicht rechtzeitig zurück ins Tal.

Wir planen notgedrungen um. Mir stehen die Tränen in den Augen. Schon das zweite Jahr kann ich diese Tour nicht gehen – und diesmal wegen etwas so Banalem wie einer kaputten Bergbahn. Ich liebe die Berge, aber sie führen mir immer wieder neu meine eigene Begrenztheit vor Augen. Denn wenn nicht alles stimmt, bleibt man besser unten. Das gilt selbst für einen mit 1 700 Höhenmetern vergleichsweise niedrigen Gipfel.

Als wir uns endlich auf einer erprobten Alternativroute befinden, wird mir der Vergleich zu meinem Leben klar. Auch da muss ich mich immer wieder auf neue Umstände einrichten.

Das Wandern in den Bergen lehrt vieles, was auch im normalen Alltag wichtig ist, aber in dessen Trubel oft untergeht.

 Wollen wir zusammen auf Tour gehen und uns diese Lektionen gemeinsam anschauen? Dann schnür deine Wanderstiefel und los geht’s!

1. Umplanen gehört dazu!

Bleiben wir direkt bei der Lektion, die ich an diesem wunderschönen Sonntagmorgen erneut lernen musste: Umplanen gehört dazu.

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein sehr zielgerichteter Mensch bin. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, will ich das auch umsetzen. Ich habe mir schon Nächte um die Ohren geschlagen, um einen Computerfehler zu finden, statt nach einer gewissen Zeit aufzugeben, eine Nacht darüber zu schlafen und dann jemanden um Hilfe zu bitten.

Diese Beharrlichkeit ist in vielerlei Hinsicht eine Stärke, doch sie kann auch zur Schwäche werden. Nämlich dann, wenn ich mal wieder sprichwörtlich mit dem Kopf durch die Wand will und versuche, Umstände zu ändern, die ich nicht ändern kann.

Mein Mann ist hier flexibler: Wenn A nicht geht, wird einfach B gemacht. Ihm lag an diesem Sonntag anders als mir nicht an dieser speziellen Tour, sondern nur daran, mit mir beim Wandern eine gute Zeit zu haben. Seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht, meine hingegen schon.

Mit enttäuschten Erwartungen bin ich auch so immer wieder konfrontiert. Gerade haben sich zwei Dinge für mich zerschlagen, von denen ich mir viel erhofft habe. Natürlich könnte ich jetzt versuchen, auf anderem Weg doch noch mein Ziel zu erreichen. Aber meine Erfahrungen mit Enttäuschungen bei Bergtouren lehren mich:

Umplanen ist keine Schande, es ist bei veränderten Verhältnissen sogar geboten.

Ob nun die Bergbahn nicht funktioniert, Hindernisse den Weg blockieren, das Wetter sich ändert oder die Tour sich als zu schwer für meine Fitness erweist, die klügere Wahl ist meist umzuplanen und notfalls auch umzukehren.

In anderen Bereichen des Lebens ist das nicht immer so. Hier gilt zum Teil auch: Beharrlichkeit zahlt sich aus. Aber auch hier sollte ich abwägen, wie viel Kraft mich diese kostet und welcher Nutzen davon wirklich zu erwarten ist. Oft liegt mehr Stärke darin, einen Plan fahren zu lassen und Alternativen zu suchen, als mich an einem einmal gesetzten Ziel festzubeißen.

2. Memento mori

Obwohl mein Mann und ich nur leichte bis mittlere Bergtouren unternehmen, schlotterten uns hier und da schon mal die Knie. Ich erinnere mich noch gut daran, als wir einmal einen Alternativweg ausprobierten, der sich als Grastrampelpfad direkt am Abhang erwies. An anderen Stellen waren wir zwar auf flachen Wegen unterwegs, doch direkt neben uns ging es steil ab – mehrere hundert Meter. Jedes Stolpern über eine Wurzel konnte hier tödlich enden.

Wenn das Unterwegssein in den Bergen mir eines vor Augen führt, dann das: Angesichts der Naturgewalten sind wir Menschen schwach und oft auch machtlos. Der Berg hat immer recht. Entweder ich passe mich seinen Gegebenheiten an oder ich trage die Konsequenzen. Im schlimmsten Fall ist das ein schwerer Unfall oder der Tod. So einfach ist es oft – gerade, wenn es um Höhentouren geht.

In den letzten Wochen berichteten die deutschen Medien über den Unfalltod der deutschen Biathlon-Olympiasiegerin und Bergsteigerin Laura Dahlmeier im Laila Peak. Tief hat sich mir eingegraben, was ihre Seilpartnerin Marina Krauss im Interview gesagt hat: „Wenn wir eine halbe Stunde früher dran gewesen wären, dann wären wir auch sicher runtergekommen.“

Beim Bergsteigen kann eine halbe Stunde lebensentscheidend sein, doch ist das im normalen Alltag wirklich anders, selbst wenn es uns da nicht bewusst ist? Wenn etwa ein Reh vor mir auf die Fahrbahn springt, können Sekunden entscheiden. Gleichzeitig glaube ich anders als in den Bergen am Steuer meines Wagens meist, alles unter Kontrolle zu haben. Dem ist aber nicht so.

Die gewaltige Macht der Berge und ihre Unberechenbarkeit in puncto plötzlicher Gefahren wie Gewitter, Lawinen, Nebel oder Steinschlag macht mir neu klar: Mein Leben ist endlich.

Vor dem Hintergrund imposanter Bergspitzen erahne ich etwas, was ich sonst gerne leugne. Hier lerne ich anzunehmen, was ich doch nicht ändern kann: meine eigene Sterblichkeit.

3. Fokus ist lebensentscheidend

Wer in den Bergen unterwegs ist, dem wird nicht nur die eigene Sterblichkeit bewusst, der weiß im besten Fall auch: Jeder falsche Schritt kann der letzte sein – oder zumindest böse Unfälle nach sich ziehen. Deswegen sind Fokus und Konzentration entscheidend. Auch wenn ich mein Handy zum Navigieren nutze, kann ich durch einen Bergwald nicht wie ein Smombie wandern. Multitasking funktioniert am Berg nicht.

Nicht nur die körperliche Anstrengung fordert mich bei steilen Auf- und Abstiegen voll und ganz, auch meine anderen Sinne müssen hellwach sein. Ich muss trittsicher auf den teils engen Bergpfaden einen Fuß vor den anderen setzen und in regelmäßigen Abständen den Himmel nach möglichen Wetterumschwüngen checken. Unaufmerksamkeit gilt hier nicht.

Doch statt mich zu ermüden, tut mir diese Konzentration gut. Sie führt mich weg aus einem Alltag, in dem Fokus oft das ist, was mir am meisten fehlt. In dem ich ständig entscheiden muss, ob die E-Mail des Kollegen wichtiger ist als der Artikel, den ich noch schreiben muss.

Wer in die Berge geht, hat nur eine Aufgabe – heil hoch- und wieder herunterzukommen. Diese Konzentration auf eine entscheidende Sache fordert mich nicht nur, sie entspannt und befreit mich auch.

Am schönsten sind die Touren, in denen ich es schaffe, alle Messengerdienste komplett auszuschalten oder zu ignorieren. Dann bin ich ganz bei mir.

Auch im normalen Alltag sind Fokus und Konzentration lebenswichtig. Zwar ist die Gefahr für mein Leben hier geringer als am Berg. Doch wenn ich in Gedanken und im Tun immer zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herwechsle, beeinflusst das nicht nur, ob und wie gut ich diese erledige, sondern auch meine seelische Gesundheit.

Wir sind als Menschen nicht fürs Multitasking gemacht. Daher gönne dir auch im Alltag „Bergzeiten“, in denen du bewusst nur eine Sache tust und deine Aufmerksamkeit nicht in viele Teile zersplittern lässt.

4. Gönn dir regelmäßige Pausen!

In England gibt es das Sprichwort: „Jede Wanderung endet in einem Pub.“ Natürlich ist das nicht immer so, doch für viele Wanderer ist die Einkehr im Pub, auf einer Hütte oder Alm etwas, dem sie während des ganzen Weges entgegenfiebern. Kein Wunder, dass dort oben der Kaiserschmarrn oder das Bier viel besser als im Tal schmeckt. Und selbst wenn keine Hütte in Sicht ist: Pausen sind beim Wandern – und im Leben – Pflicht.

Manche Tour, die ich unternommen habe, wäre besser verlaufen, hätte ich mir mehr Pausen gegönnt. Wie erschöpft ich am Ende des Tages bin, hat nicht nur etwas mit der Länge der Tour, den überwundenen Höhenmetern und dem Schwierigkeitsgrad der Route zu tun, sondern vor allem auch damit, ob ich genug Pausen gemacht habe.

Auch meine Konzentration hat während des Wanderns schon einige Male bedenklich Schaden genommen, weil sich zu lange keine Möglichkeit bot, um Rast zu machen, oder der Proviant bereits verbraucht war. Wer in den Bergen wandert, sollte – gerade bei Hochtouren– genug Pausen einplanen. Und zwar sowohl zeitlich als auch in Bezug auf Proviant und Getränke. Nichts ist schlimmer, als keine Zeit für eine nötige Rast zu haben oder plötzlich ohne Wasser und Proviant dazustehen.

Gleichzeitig ist die Rast am Berg nie das Ziel, sondern immer nur ein Zwischenstopp. Genauso, wie es wichtig ist, Pausen einzuplanen, muss ich beim Wandern immer vor Augen haben, wie lange die Pause dauern darf. Wenn ich zu spät von der Hütte zurück ins Tal aufbreche, riskiere ich, dass ein Gewitter über mir hereinbricht oder dass es dunkel wird.

Was am Berg gilt, gilt auch im Leben. Auch hier sind regelmäßige, aber gut dosierte Pausen entscheidend. Doch während es bei einer Wanderung für mich normal ist, regelmäßig Rast zu machen, schiebe ich im Arbeitsalltag das Mittagessen schon mal hinaus, obwohl mein Magen längst knurrt. Und statt mir am Wochenende einen Ruhetag zu gönnen, versuche ich durchzuhalten und fiebere dem nächsten Urlaub entgegen.

Das entspricht aber nicht einem gesunden Lebensrhythmus. Wir brauchen Pausen – am besten täglich, auf jeden Fall wöchentlich und nicht nur alle paar Monate.

Regelmäßig Rast zu machen, bremst mich nicht aus, sondern ist entscheidend, um meine körperliche und seelische Fitness zu erhalten und mit neuer Kraft weiterzugehen.

Dabei ist es egal, ob ich in den Bergen oder in meinem normalen Alltag unterwegs bin.

5. Ohne Vorbereitung geht es nicht

Einen Spaziergang im Park kann ich ohne große Planungen unternehmen, doch sobald ich mich ins Gebirge wage, braucht es gute Vorbereitung. Das betrifft verschiedenste Punkte.

Zum einen muss ich mich mit der Route vertraut machen: Was erwartet mich auf dem Weg? Wo kann ich einkehren? Wie viel Zeit muss ich einplanen? Bin ich der Herausforderung körperlich gewachsen? Zum anderen muss ich mich mit meiner Ausrüstung beschäftigen: Welche Schuhe trage ich? Brauche ich Sonderausrüstung wie Steigeisen, Helm oder Seil? Was gehört in meinen Wanderrucksack und was lasse ich lieber draußen?

Wer sich diese Fragen nicht stellt, kann in sehr unangenehme Situationen geraten. Wenn ich keine Regenkleidung dabeihabe, kann das im besten Fall ungemütlich und nass werden, im schlimmsten Fall riskiere ich Tod durch Unterkühlung. Auch Kompass und Wanderkarte sind zusätzlich zu einer Navigationsapp in höheren Lagen Pflicht. Und über festes Schuhwerk in unwegsamen Gelände brauchen wir gar nicht erst diskutieren.

Trotzdem sollte ich meinen Rucksack nicht zu voll packen. Sonst trage ich unverhältnismäßig schwer und behindere mich damit bei Auf- und Abstieg. Ein zu schwerer Rucksack kann nicht nur eine Last, sondern auch eine Gefahr sein.

Nicht zuletzt bleibt auch die Frage: Gehe ich allein los oder mit anderen? Beides hat seine Vor- und Nachteile. Manche Tour unternimmt man besser mindestens zu zweit, gleichzeitig kann der falsche Weggefährte auch zur Gefahr werden. Etwa wenn er körperlich der Tour nicht gewachsen ist oder nicht auf meine Fitness Rücksicht nimmt.

Genauso wie am Berg lohnt es sich im Leben, gut vorbereitet loszuziehen. Wo will ich hin? Mit wem bin ich unterwegs?

Und was brauche ich an Equipment, um meine Kinder gut zu erziehen oder eine gelingende Partnerschaft zu führen?

Im besten Fall stelle ich mir solche Fragen, bevor ich wegweisende Entscheidungen wie Berufs- oder Partnerwahl, Hauskauf oder Umzug treffe. Dann kann ich einen Ehevorbereitungskurs mit dem Partner machen und schon im Studium ein passendes Fach für den späteren Beruf wählen.

Doch auch auf dem Lebensweg selbst lohnt es sich immer wieder, kurz innezuhalten und Bilanz zu ziehen. Bin ich noch auf der richtigen Route? Drückt irgendwo der Schuh oder ist vielleicht ein Schnürsenkel locker? Kleine Checkups am Wegesrand können das Leben retten – ganz real am Berg, aber auch im übertragenen Sinne in unserem Alltag.

Mein Wegweiser, ohne den ich keine Tour gehen will

Ein wichtiger Teil meines Lebensrucksacks ist übrigens die Bibel und mein Glaube an Jesus. Das ist mein persönlicher Kompass in unwegsamen Gelände.

In der Bibel verspricht Gott nämlich an vielen Stellen, dass er uns im Leben leiten möchte. In Sprüche 4,11 steht dazu Folgendes: „Ich will dich auf den Weg der Weisheit und Lebensklugheit bringen; es ist ein gerader Weg.“ Und in Psalm 32,8 finde ich die Zusage: „Ich sage dir, was du tun sollst, und zeige dir den richtigen Weg. Ich lasse dich nicht aus den Augen.“

Gerade dann, wenn mein Lebensweg anstrengend wird, der Pfad zu meiner Rechten und Linken steil abfällt, ich mich mal wieder im Moor meiner vielen To-Dos verlaufen habe oder Nacht und Nebel mir die Sicht erschweren, ermutigen mich diese Zusagen Gottes.

Der Gott, der meine hohen geliebten Berge geschaffen hat, sieht auch mich – in meiner ganz alltäglichen Herausforderung. Darauf darf ich vertrauen.

Das hilft mir, auch auf steinigen Wegen weiterzugehen, manchmal heulend und mit Blasen an den Füßen. Aber wenn mich Gott dann sicher auf den nächsten Gipfel geführt hat und ich dort die grandiose Aussicht genieße, wird mein Herz ruhig und dankbar.
 

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Das könnte Sie auch interessieren

12.08.2025 / Artikel

Bergsteiger und Jesusnachfolger

Was Samuel Holzhäuer beim Bergwandern über seinen Glauben gelernt hat.

mehr

02.08.2025 / Artikel

Kreativität zum Anfassen

Fünf Wege, Gott in der Natur zu begegnen und seine Schöpfung zu erleben.

mehr

24.09.2025 / Das Gespräch

Unterwegs Richtung Gipfelkreuz

Samuel Holzhäuer hat beim Bergsteigen gelernt, wie Jesusnachfolge gelingen kann.

mehr

Schöpfung

Schöpfungslust

Wie der Glaube an Gott, den Schöpfer, das eigene Leben verändert und wie wir verantwortungsvoll mit der Schöpfung umgehen können.

mehr

02.05.2018 / Calando

Miniauszeiten in der Natur

Während einer Auszeit in Kanada entdecken Beate und Olaf Hofmann die Natur als Kraftquelle.

mehr

02.08.2018 / Calando

Gott im Wald finden

Förster Michael Duhr und Anke Schüler bieten Work and Pray in der Natur.

mehr