02.12.2022 / Theologie

Chill-out! Einen Gang runterschalten (1)

Warum die Erfindung des Wochenendes das Leben menschlicher macht.

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Teil 1 und 2 zum Anhören

Für die meisten ist es vermutlich selbstverständlich: Am Samstag und Sonntag müssen sie nicht zur Arbeit. Viele haben aber auch am Wochenende Dienst – oder sollen selbst im Urlaub erreichbar sein – telefonisch, per E-Mail oder wie auch immer. Und viele Selbstständige kennen gar kein freies Wochenende.

Gott hat das Wochenende erfunden. Und das aus gutem Grund: Es macht das Leben menschlicher - und lebenswerter. Ich nehme deshalb Gottes Gebot zum Ruhetag genauer unter die Lupe. Und ich meine: Es tut jedem Menschen gut, wenn er den geschenkten Ruhetag in Anspruch nimmt.

Das Wichtigste zuerst: Du wirst geliebt!

Nachdem Gott das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat, bietet er ihnen an: Lebt mit mir. Als mein Volk (2. Mose 19,5-6). Leben mit dem Gott, der seine Macht schon gezeigt hat. Der der ganzen Welt vor Augen geführt hat, dass er stärker ist als der Pharao Ägyptens. Und mächtiger als dessen gesamte Streitmacht (2. Mose 19,4). Und Israel nimmt Gottes Angebot gerne an (2. Mose 19,8; 24,1-8).

Kein Wunder. Ein Gott der stark ist und mächtig. Und der schon bewiesen hat, wie wichtig ihm die Menschen Israels sind. Wie sehr er sie lieb hat. Die Reihenfolge spielt hier eine absolut wichtige Rolle. Denn Gott hat nicht gesagt: „Haltet erst einmal fünf Jahre lang meine Gebote. Und wenn das einigermaßen klappt, dann befreie ich Euch von Euren Unterdrückern. Von den Ägyptern – und von ihrem Pharao.“

Wohlgemerkt: Das hat Gott nicht gesagt. Sondern zuallererst – zuallererst befreit er sein Volk. Rettet es aus der Sklaverei. Und demonstriert damit, wie sehr er die Menschen dieses Volkes liebt. Und erst danach – erst danach bietet Gott den befreiten Menschen an: „Lebt mit mir! Nach meinen Anweisungen. Nach meinen Geboten. Werdet mein Volk.“

Ich meine, das ist bei Gott immer so. Im ersten Teil der Bibel. Der wird oft das „Alte Testament“ genannt. Und im zweiten Teil auch, der oft das „Neue Testament“ heißt. In dem zweiten Teil geht es vor allem um Jesus. Den Retter, den Gott für die ganze Welt zur Erde geschickt hat. In den Teil der Wirklichkeit, die für uns sichtbar ist. Denn auch beim Glauben an Jesus geht es, wie beim Volk Israel, darum, dass ein Mensch zuerst einmal von Gott gerettet wird. Israel damals aus der Gefangenschaft in Ägypten. Und jeder Mensch heute, also auch Sie und ich, aus der Macht des Todes und aus der Macht des Bösen, die in unserer Welt allgewärtig sind.

Jesus formuliert das so: „Ich bin die Auferstehung, und ich bin das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, selbst wenn er stirbt“ (Johannes 11,25). Natürlich sterben auch Menschen, die an Jesus glauben. Aber die wird Jesus nach dem Tod auferwecken. Und zwar zu einem Leben, das ewig ist. Das nie endet. Und das in einer Welt stattfindet, die nur noch gut ist. Durch und durch gut (vgl. Offenbarung 21,4). Und dabei gilt immer noch: zuerst wird ein Mensch von Gott gerettet. Weil Gott jeden von uns liebt. Und erst danach beginnt das Leben mit Gott, das sich an Gottes Ordnungen orientiert. Und Gottes Ordnungen sind gut. Immer.

Zählen ist doch ganz einfach – eigentlich

Das zeigt sich auch ganz besonders bei dem Gebot, das ich jetzt genauer untersuchen will. Gottes Gebot zum Ruhetag. Es gehört zu den Zehn Geboten, die manche von Ihnen vermutlich kennen. Dazu sagt Gott im 2. Buch Mose, im Kapitel 20, die Verse 8 bis 10: „Halte den Ruhetag in Ehren, den Sabbat, den siebten Tag der Woche! Er ist ein heiliger Tag, der Gott gehört – dem Gott Israels. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Tätigkeiten verrichten; aber der siebte Tag ist der Ruhetag des Gottes Israels, deines Gottes. An diesem Tag sollst du nicht arbeiten ….“

Als ich zuletzt eine Sendung über ein Gebot aus den Zehn Geboten gemacht habe, da gab es doch hier und da etwas Verwirrung. Denn ich zähle die Zehn Gebote in der Reihenfolge, wie sie in der Bibel aufgeschrieben sind. Daneben gibt es jedoch noch eine andere Zählweise. Und die ist sehr weit verbreitet. Das ist die Zählung nach dem kleinen Katechismus von Martin Luther. Also von Luthers inhaltlicher Zusammenfassung des Christlichen Glaubens. Und die ist für den kirchlichen Unterricht gedacht. Damit Menschen auch inhaltlich verstehen und lernen können, worum es geht beim Glauben an Jesus. Eine super Sache also.

Doch Martin Luther hat vor rund 500 Jahren ein Gebot aus seinem kleinen Katechismus gestrichen. Und zwar ganz bewusst. Das ist das Bilderverbot. Das Gebot: „Du sollst dir kein Götterbild machen …. Wirf dich nicht vor solchen Götterbildern nieder, bring ihnen keine Opfer!“ (2. Mose 20,4-5). Dieses Gebot fehlt also im kleinen Katechismus. Und das ist bis heute so. Deshalb zählen viele evangelische Christen die Gebote auch anders. Anders als sie in der Bibel aufgelistet sind. Denn wenn das zweite Gebot fehlt – nach biblischer Zählung – dann ist erst das nächste Gebot das zweite – nach der Zählweise des kleinen Katechismus. Nämlich das Gebot: „Du sollst Gottes Namen nicht missbrauchen“ (2 Mose 20,7).

Das ist also nach Luthers kleinem Katechismus das zweite Gebot. Nach der biblischen Zählung aber bereits das dritte. Und so gibt es dann doch immer wieder etwas durcheinander.

Martin Luther hat auch einen guten Grund gehabt, das Bilderverbot aus seinem kleinen Katechismus zu streichen. Seine Thesen für eine Erneuerung der Kirche haben sich nämlich verbreitet wie ein Lauffeuer. Und da fingen manche an und haben die Bilder aus den Kirchen herausgeholt. Und sie vernichtet. Sicher ein falsch verstandener Eifer. Deshalb hat Luther dann in seiner kirchlichen Lehre über den Glauben an Jesus dieses Gebot nicht aufgeführt. Und zwar ganz bewusst. In seinem großen Katechismus hat der das Bilderverbot dann aber drin gelassen.

Wenn Martin Luther das Bilderverbot gestrichen hat aus dem kleinen Katechismus, dann müsste es doch nur 9 Gebote darin geben. Das ist aber nicht der Fall. Hier ist Luther ziemlich einfallsreich gewesen. Er hat das zehnte Gebot – das im kleinen Katechismus ja das neunte ist – in zwei Gebote aufgeteilt. Nämlich: „Du sollst nicht begehren, was deinem Mitmenschen gehört: [nämlich] sein Haus.“ Das ist Gebot Nummer 9 im kleinen Katechismus. Und er zweite Teil: „Du sollst nicht begehren, was deinem Mitmenschen gehört: [nämlich] seine Frau, seinen Knecht oder seine Magd, Rinder oder Esel oder irgendetwas anderes, was ihm gehört.“ Dieser zweite Teil des gleichen Gebotes ist dann in Luthers kleinem Katechismus die Nummer 10.

3 oder 4?

Wenn jemand nach dem kleinen Katechismus zählt, dann ist das Gebot zum Ruhetag das dritte Gebot. Wenn ich mit der biblischen Reihenfolge vom Ruhetags-Gebot rede, dann spreche ich vom vierten Gebot. Das ist verwirrend. Doch mehr und mehr setzt sich wieder die biblische Zählweise durch. Deshalb verwende ich sie auch. Wenn ich jetzt also vom 4. Gebot spreche, dann meine ich damit Gottes Gebot zum Ruhetag. Und das kennen sie vielleicht als das 3. Gebot.

Chillen, relaxen und ausruhen – aber wie?

Seit Jahrhunderten diskutieren Christen darüber, wie der Ruhetag denn nun gelebt werden soll. Aber warum eigentlich? Es klingt doch ziemlich eindeutig, was Gott sagt in den 10 Geboten. Oder? „Halte den Ruhetag in Ehren, den Sabbat, den siebten Tag der Woche! Er ist ein heiliger Tag, der Gott gehört – dem Gott Israels.“

Aber vermutlich haben sich viele von Ihnen schon mit der Frage auseinandergesetzt: Was bedeutet das denn jetzt ganz praktisch? Den Ruhetag einhalten. Den „Tag des Sabbats“, wie es hier in der hebräischen Sprache heißt. Die Sprache, in der die 10 Gebote aufgeschrieben worden sind. Und wie wir diese Frage beantworten, hat sehr viel damit zu tun, wie wir geprägt worden sind bei diesem Thema. Einmal geprägt durch die christlichen Gemeinden, in denen manche von uns groß geworden sind. Und zum anderen geprägt durch unsere Eltern.

Manche haben das so erlebt: Am Sonntag – das ist ja so etwas wie der Sabbat – am Sonntag wird keine Wäsche gewaschen. Am Sonntag wird nicht Fußball gespielt. Ein Ehepaar formuliert das einmal so. Beide haben Eltern, die Christen sind. Sie berichtet: „Bei uns wurde ziemlich streng auf den Ruhetag geachtet. Ich durfte sonntags zwar meinen Ball in die Hand nehmen. Aber ich durfte ihn nicht aufspringen lassen.“ Und ihr Mann erzählt: „Da war meine Mutter viel lockerer. Sie hat oft Jesus zitiert, der zum Ruhetag ja gesagt hat: „Angenommen, euer Kind oder ein Ochse fällt in den Brunnen, was macht ihr dann? Zieht ihr sie nicht sofort heraus, auch wenn gerade Sabbat ist?“ (Lukas 14,5). Und der Mann fährt fort: „Und so bin ich mit viel Freiheit aufgewachsen im Umgang mit dem Ruhetag. Denn wir haben immer eine Menge ‚Ochsen‘ gefunden, die wir herausholen mussten.“

4 Oscars

Es gibt einen Spielfilm, der heißt auf Deutsch: „Die Stunde des Siegers“. Und er erzählt die Geschichte von Eric Liddll. Eine wahre Geschichte von zwei britischen Athleten. Beide nehmen 1924 an den Olympischen Spielen in Paris teil. Der eine, Harold Abrahams, ein jüdischer Engländer, studiert in Cambridge. Der andere, Eric Liddll, ein schottischer Christ, lebt seinen Glauben sehr bewusst und geht nach seiner Sportlerkarriere als Missionar nach China.

Beide gehören damals zur Weltspitze über die Sprintstrecken. Beide sind in Paris für die gleiche Strecke gemeldet. Ich meine für die 100 Meter. Sie kämpfen also um die gleichen Medaillen. Und der Film – der übrigens 4 Oscars bekommt – portraitiert die beiden Sportler. Und beschreibt psychologisch sehr gekonnt, was die beiden in ihrem Innersten motiviert. Was sie dazu bewegt, das zu tun, was sie tun. Und die ganze Handlung steuert auf den Gewissenskonflikt zu, den Eric Liddll erlebt.

Er ist für’s Finale qualifiziert. Und dann erfährt er: das alles entscheidende Rennen ist an einem Sonntag angesetzt. Was soll er jetzt tun? Soll er seine Überzeugungen aufgeben? Seine Überzeugungen zum Ruhetag? Die Überzeugungen, die geprägt sind vom christlichen Glauben seiner schottisch-presbyterianischen Heimat? Soll er sie verraten und am Sonntag laufen? Soll er laufen für seine eigenen Ziele? Für die Interessen seines Landes? Oder soll er auf sein Gewissen hören? Und nicht laufen.

Liddll entscheidet sich: ich laufe nicht. Und er erntet all das Unverständnis und den Druck und die Empörung der britischen Presse, des olympischen Komitees und des Prinzen von Wales.

Weltklasseathlet und starker Charakter

Liddlls Entscheidung hatte also weitreichende Folgen für ihn. Und der hervorragende Film stellt das auch so eindrücklich dar, wie es selten in einem Film gelungen ist. Ich kenne keinen Film, in dem christliche Überzeugungen so beindruckend geschildert werden. Und die Hingabe an das, was Gott sagt. Und es ist noch nicht einmal ein christlicher Film.

Doch die Frage, um die es jetzt hier in dieser Sendung geht, heißt: Hatte Liddll recht? Ist sein christlicher Standpunkt richtig? Bedeutet das Gebot vom Ruhetag, dass ich sonntags keinen Sport treiben soll? Oder dass ich nicht einkaufe oder arbeite am Sonntag?

Bei dieser Frage gibt es unter Christen keine klare Übereinstimmung. Und dabei meine ich jetzt nicht nur diejenigen, die sich einfach schnell ganz oberflächlich eine Meinung bilden. Sondern ich meine auch und gerade die, die ernsthaft über das Thema nachgedacht haben.

Was bedeutet es, den Ruhetag zu halten, den uns Gott verordnet hat? Das beantworten Christen sehr unterschiedlich. Und viele sind verunsichert. Manche von uns sagen vermutlich: Eric Liddll lag falsch. Er hätte laufen können. Auch an einem Sonntag. Und andere sagen vermutlich: es ist aber etwas an einem Sonntag, das macht ihn zu etwas besonderem. Wir wissen nicht genau, was das ist oder warum das so ist. Aber der Sonntag ist anders als die anderen Tage.

Ich finde es total schade, dass so viele Menschen verunsichert sind, wenn es um den Ruhetag geht. Denn im Grunde hat das vierte Gebot eine so große Bedeutung für unser Leben. Gott gibt es uns, damit es unserem Körper auf Dauer gut geht. Und unserem Geist, und unserer Gefühlswelt. Und diese weitreichende Bedeutung für unsere Gesundheit wird bei so viel Verwirrung oft gar nicht mehr erkannt.

Der Artikel wird im Teil 2 fortgesetzt.

Autor/-in: Steffen Brack

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