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06.11.2022 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 6 min

Autor/-in: Redaktion Family

Die Sonntagsfrage

Wie der Sonntag für alle in der Familie zu einem schönen Tag werden kann.

Endlich wieder Sonntag oder schon wieder Sonntag? Melanie Schmitt hat sich den Wochentag näher angesehen, an dem die üblichen Routinen in den meisten Familien ausgesetzt sind. Den Wochentag, auf dem vermutlich die höchsten familiären Erwartungen lasten.

„Happy Sunday!“ steht auf der Grußkarte, schwarze Buchstaben vor zart sprießenden Blüten: „Mach das Beste aus diesem Tag: Lebe, lache, liebe, lese, lerne, spiele, träume! Sei einfach in jedem Moment glücklich!“ Oha – das wird ja ein herausfordernder Sonntag. Das mit dem Leben, das kriege ich hin: einatmen, ausatmen, läuft. Aber der Rest? Welche Blüten treibt ein Sonntag in gewöhnlichen Familien?

Die zentralen Fragen

Es fängt schon beim Frühstück an: Wer liebt es nicht, an einem schön gedeckten Tisch zu sitzen, auf dem die Kerzen leuchten und ein leckeres Dies-und-Das von hübsch dekorierten Tellern lacht? Allerdings muss irgendjemand das Dies-und-Das eingekauft, arrangiert und dekoriert haben.

Und weil das vom Bett aus nicht geht, muss sich jemand ein Herz gefasst und das warme Bett verlassen haben, um in der Küche zu werkeln. Womöglich vor allen anderen Familienmitgliedern, die es genießen, länger im Bett liegen bleiben zu können als an den Wochentagen, aber nun wirklich mal langsam aus den Federn kommen müssten, wenn die Familie es rechtzeitig in den Sonntagsgottesdienst schaffen will. Da vergeht manchem Familienmitglied das Lachen und Lieben und Träumen schon vor dem Frühstück.

Ich sehe in der Sonntagsfrage mehrere besonders neuralgische Punkte:

Ruhe oder Unternehmung?

Gottesdienst oder Gammeln auf dem Sofa? Schwimmbad oder chillen? So ruhig wie möglich oder so erlebnisreich wie möglich? Wonach steht wem gerade der Sinn? Wie so oft ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse bewusst wahrzunehmen, sie zu äußern, statt zu erwarten, dass die Familienmitglieder sie erfühlen müssten.

Genauso wichtig ist es, nach den Bedürfnissen der anderen zu fragen. Auf dieser gemeinsamen Grundlage wird es leichter, eine Tagesplanung zu überlegen, in der verschiedene Bedürfnisse Platz finden. Am nächsten Sonntag kann das allerdings schon ganz anders aussehen.

Gemeinsam oder getrennt?

Eine immer wiederkehrende Sonntagsfrage ist sicherlich das Ausloten, wie viel Zeit Eltern und Kinder miteinander verbringen. Macht jeder sein Ding oder kommt ein getrenntes Programm am Sonntag nicht in Frage? Was ist mit Verabredungen? Ist der Sonntag ein reiner Familientag oder offen für Freunde?

Je älter die Kinder werden, desto komplizierter und herausfordernder wird es, alle Bedürfnisse und Befindlichkeiten unter einen Hut zu bekommen. Arbeiten Familienmitglieder im Schicht- und Wochenenddienst, dann steigt die Herausforderung, ein gemeinsames Wochenende zu gestalten, noch weiter.

Gottesdienst oder nicht?

Ein Evergreen in christlichen Familien ist sicherlich die Frage: Müssen alle mit zum Gottesdienst? Besonders, wenn nicht beide Partner gläubig sind, erfordert die Frage, wie viel vom Sonntag durch den Gottesdienst schon fest verplant ist, Verständnis und Zugeständnisse auf beiden Seiten.

Vielleicht hilft da ein Wechselmodell weiter? An einem Sonntag Ausflug, am anderen Gottesdienst? Durch die Corona-Pandemie sind die Zeit und der Ort, um einen Gottesdienst oder eine andere Form von geistlichem Impuls wahrzunehmen, weitaus flexibler geworden, weil es all das nun vielfältig in digitaler Form gibt.

Sportlicher Sonntag oder nicht?

Auch der Sport hat in vielen Familien ein unterschiedliches Gewicht. Während der eine Mensch es bei Sonnenschein kaum erwarten kann, aufs Rennrad zu springen, geht dem anderen eine sportlich-aktive Sonntagsgestaltung ab. Ist der andere derweil mit einem guten Buch auf dem Balkon glücklich, sind alle zufrieden.

Wünscht sich aber einer Gemeinschaft und der andere Zeit für sich, dann ist ein Ausloten und Aufeinanderzugehen gefragt. Dafür ist es nie zu spät. Gute Absprachen, die immer wieder neu getroffen werden müssen, können Freiräume schaffen und Frustrationen vermeiden.

Es gibt außerdem auch in diesem Punkt nicht nur ein Entweder-oder, sondern die Möglichkeit zu einem Mix. So könnte die Familie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt des Tages wieder verabreden, nachdem alle Zeit für sich hatten. Oder die Partner machen gemeinsam einen ausgedehnten Spaziergang, bevor sich jeder eine Weile zurückzieht. Und wie viele Menschen zum Abendessen da sein werden, weiß man ohnehin nie so genau.

Tradition oder Innovation?

Die gesellschaftliche Ausgestaltung des Sonntags hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. In der Kindheit vieler heutiger Eltern war der Sonntag ein Familientag, an dem es undenkbar war, sich mit Freunden zu verabreden. Das ist anders geworden. Die Traditionen und Rituale aus der eigenen Kindheit, sprich aus den Herkunftsfamilien der Eltern, spielen eine große Rolle darin, wie wir uns die Sonntagsgestaltung vorstellen – oder eben gerade nicht wünschen.

Gottesdienst, Fußballplatz, Schwiegereltern besuchen: Viele Erwartungen, die wir mit dem Sonntag verknüpfen, sind Muster, die wir übernommen haben.

Auch hier lohnt es sich, genau hinzusehen und sich auszutauschen: Wie war es früher? Wie ging es uns damit? Was wünschen wir uns für unsere Familie? Was bedeutet das für die Freundschaften unserer Kinder?

Wer sich von den Kindheitssonntagen erzählt und seine Ideale hinterfragt, kann Erwartungen besser greifen und realistischer abstecken.

Unser Sonntagsmix

Die Möglichkeiten der Sonntagsgestaltung sind so vielfältig wie die Familienmitglieder. Die Bedürfnisse sind so unterschiedlich wie das Alter und wie die Anspannung der vergangenen Woche. Wie an allen anderen Tagen in der Woche ist es auch in Sachen Sonntag hilfreich und heilsam, einmal genau hinzuschauen, welche Bedürfnisse hinter den Vorstellungen stecken, die wir uns von unserem Familienleben machen. Und diese Bedürfnisse möglichst klar und vollständig zu äußern.

Folgende Fragen sind eine Hilfe dabei, als Familie den Sonntag gemeinsam zu gestalten:

  • Was sind unsere Sonntagsideale?
  • Wie kann der Sonntag ein Tag bleiben oder werden, auf den sich alle freuen?
  • Wenn wir unsere Bedürfnisse gut kennen, wie wäre es dann, wenn alle Familienmitglieder reihum einen Sonntag planen dürfen? Mit einem abgesprochenen Budget und einem überschaubaren Zeitrahmen?
     

Oh happy Day – ein Tag ohne Optimierung!

Der Sonntag ist ein Tag, der herausstechen soll aus dem Klein-Klein der anderen Tage. Viel können wir dazu selbst beitragen, indem wir überlegen, wie wir diesen Tag gestalten, aber auch, indem wir uns bewusst dafür entscheiden, vieles nicht zu tun, was wir sonst unter der Woche tun. Als Eltern gibt es auch am Sonntag eine Menge Dinge, die sich nicht aufschieben lassen. Katze und Kinder mit Essen versorgen, trösten oder Brille suchen lassen sich nicht auf den Montag verschieben.

Doch ich kann mich grundsätzlich dafür entscheiden, am Sonntag eben nicht noch schnell eine Maschine Wäsche anzuschalten, auch wenn das in wenigen Minuten erledigt wäre. Ich kann mich dafür entscheiden, nicht den ganzen Tag für andere verfügbar zu sein. Ich kann mich entscheiden, das Handy am Sonntag auf Flugmodus zu stellen, zumindest für eine Weile. Wer dieses Vorhaben am Samstagabend in seinen Status stellt, vermeidet Irritationen bei den Mitmenschen.

Ich kann mich auch dafür entscheiden, zu akzeptieren, dass selten alle in der Familie einen super Tag haben werden, nur weil Sonntag im Kalender steht. Ich kann mich dafür entscheiden, dass es einmal in der Woche nicht um Optimierung geht.

Glanzlicht im Alltag

Ich will dem Sonntag die Chance lassen, ein Glanzlicht im Alltag zu sein. Denn ich habe längst gemerkt:

Ein bewusst erlebter Sonntag, der anders schimmert als die restlichen Wochentage, ein Sonntag, der einen gewollten Akzent setzt im Alltagstrott, gibt dem Leben Halt und Rhythmus.

Damit der Sonntag wirklich etwas glänzen kann, gebe ich mir Mühe, mir manches zu verkneifen, was noch zu erledigen wäre, und gelassen das hinzunehmen, was trotz Sonntagsheiligkeit in einer Familie dennoch ganz banal zu erledigen ist. Ich versuche, genau hinzuschauen und weder mich noch meine Familie damit zu überfordern, dass ich den Sonntag überfrachte mit überzogenen Erwartungen.

Die Sonntagsfrage stellt sich immer wieder aufs Neue und beweist, was wir schon lange ahnen: Das Beständigste an Familie ist ihre stete Veränderung. Ich streiche alles durch auf der Sonntagspostkarte, bis da steht: Happy Sunday! Sei einfach.
 

Melanie Schmitt weiß ein besonderes Frühstück am Sonntagmorgen zu schätzen. Sie liebt Mischungen aus süß und deftig auf dem Teller, Gespräche mit ihrem Mann, ihren vier Kindern und deren Gästen.

Dieser Artikel ist erstmalig erschienen in der Zeitschrift Family 04/2022. Wir danken dem Bundes-Verlag für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

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