03.08.2021 / Andacht

Aber-Glaube

Ein Wort, das Hoffnung schenkt.

Es ist kein langes, imponierendes Wort. Keines, das viele Laute benötigt. Es ist schlicht, damit es schnell über die Lippen geht. Und das tut es, jeden Tag etliche Male. Es ist so alltäglich, dass schnell übersehen wird, dass es sich dabei um eines der kraftvollsten Worte unserer Sprache handelt. Sogar aller Sprachen. Denn es dürfte kaum eine Sprache geben, in der ein entsprechender Begriff fehlt. So grundlegend und damit auch wichtig ist dieses Wort. „Aber“.

Wie oft hast du heute schon „aber“ gesagt? Wahrscheinlich kannst du dich nicht daran erinnern. Vielleicht etliche Male, ohne dir darüber bewusst gewesen zu sein. Beobachte einmal, was passiert, wenn du „aber“ sagst. Oder was passiert, wenn du es nicht sagst. Wo würdest du gerne „aber“ sagen und findest nicht den rechten Mut? In welchen Fällen sagst du es häufiger als nötig?  

Ein Wort für die Zukunft

„Aber“ leitet einen Gegensatz ein. Es deutet darauf hin, dass etwas Gegenteiliges passieren wird. „Aber“ ist kein Wort für Vergangenes. „Aber“ ist Zukunft. Wer „aber“ sagt, spricht Veränderung aus. Darin liegt die Kraft dieses kleinen Wortes. Denn es hat die Macht, selbst ausweglose Situationen zu verändern, indem es mein Denken über die Lage hinaus bewegt.

Selbst, wenn ich im mich im Hier und Jetzt in einer hoffnungslosen Lage befinde, hat das „Aber“ noch Wirkung. Ein eindrückliches Beispiel hierfür liefert Psalm 88 – auf den ersten Blick für mich einer der düstersten und hoffnungslosesten Texte der Bibel. Heman, der Verfasser des Liedes, erzählt von großem Leid, das ihm das Leben unerträglich macht:

„Denn mein Leben besteht aus Schmerzen und Leid, ich bin dem Tode nah.“ (…) „Von Jugend an war ich krank und dem Tode nah. Ratlos stehe ich vor deinem schrecklichen Handeln“ (Psalm 88,4+16).

„Aber“ ist kein Wort für Vergangenes. „Aber“ ist Zukunft.

Gefühlt steht Heman mit einem Fuß im Grab und er klagt Gott meinem Empfinde nach nicht nur an, warum dieser es so weit hat kommen lassen. Heman glaubt sogar, dass Gott ihn mit voller Absicht in diese Lage gebracht hat:

„Du hast mich in die tiefste Grube geworfen, in die finsterste Tiefe. Schwer lastet dein Zorn auf mir, Welle um Welle bricht er über mich herein.“ (…) „Dein erbitterter Zorn hat mich niedergeworfen und deine Schrecken haben mich vernichtet. Jeden Tag umgeben sie mich wie Wasserfluten und schließen mich ein. Du hast mir meine Freunde und Verwandten genommen; alles, was mir jetzt noch bleibt, ist Finsternis“ (Psalm 88,7-8 + 17-19).

Wenn die Lage aussichtslos bleibt

Finsternis. Mit diesem Wort endet dieses Lied. Es bricht dort ab, wo ich eine hoffnungsvolle Schlusskurve erwarte, und lässt mich enttäuscht zurück. So wie in meinem Leben hier und jetzt, wo manche Hoffnung erschüttert, manche Erwartung enttäuscht wird. Wenn sich eine aussichtslose Lage nicht bessert. Wenn eine Krankheit trotz intensiven Gebets nicht verschwindet. Wenn in meinem Bekanntenkreis jemand trotzdem stirbt. Hat Gott sich abgewendet, ist er vielleicht sogar zornig gewesen, wie Heman es erfährt?

Es wird nicht immer alles gut. Manchmal erfahren wir Schrecken. Manchmal bleibt die Finsternis bestehen. Wo bleibt das „Aber“ am Schluss? Die Hoffnung auf Veränderung? Es gibt kein „Aber“ am Ende. Aus einem einfachen Grund: Das „Aber“ ist längst da. Es durchwebt die gesamte Situation, Hemans Klage und seine Verzweiflung. Es ist mittendrin in all seinem Leid.

„Herr, ich aber rufe zu dir. Schon am Morgen flehe ich dich an“ (Psalm 88,14).
 

Da ist das „Aber“. Klein, fast verschämt, versteckt es sich mitten in diesem Satz. Und doch drückt es aus, dass Hemans Glaube an Gott über seine Hoffnungslosigkeit hinausgeht. Ein Aber-Glaube in einem ganz neuen Sinn. Mit „Herr, Gott, mein Retter, Tag und Nacht rufe ich zu dir“ (Psalm 88,2) beginnt Heman seine Klage. Trotz allen Leids will er den Kontakt zu Gott nicht abreißen lassen:

„Jeden Tag rufe ich dich um Hilfe, Herr, ich erhebe meine Hände im Gebet zu dir“ (Psalm 88,10).
 

Das Lied endet zwar mit Finsternis, aber nicht mit völliger Hoffnungslosigkeit. Das „Aber“ ist da und erwartet den Retter.

Autor/-in: Katrin Faludi

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