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© Quillaume Bolduc / unsplash.com

08.05.2019 / Andacht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Micaela Kassen

„Gott, warum muss ich hier durchgehen?“

Wenn Lasten und Enttäuschungen das Leben schwer machen.

Das Leben empfinde ich oft als eine Last. Es gibt Dinge, die ich loswerden will. Vor allem Erinnerungen, die mir wehtun. Das geht aber nicht. So sehr ich es mir auch wünsche. Erinnerungen lassen sich nicht löschen. Gedanken an traumatische Erlebnisse verschwinden nicht von einen Tag auf den anderen. Die daraus entstandenen Sehnsüchte, die mich zerreißen, auch nicht. Dann fehlt mir noch das Gefühl, wirklich verstanden zu werden. Meine Wünsche werden oft nicht ernstgenommen. Meine Sehnsüchte kleingeredet. Als unwichtig abgestempelt. Oder einfach als falsch bezeichnet.

Mir wird gesagt, ich soll mich auf andere Dinge konzentrieren. Wie soll das gehen? Ablenkung scheint nicht die Lösung zu sein. Manchmal frage ich mich, ob überhaupt jemand in der Lage ist, mich zu verstehen. Das wahrzunehmen, was ich fühle. Wie schwer mein Herz ist. Ich frage mich, ob ich jemals einen Moment ohne Schmerz empfinden werde. Wann ich keinen Körper mehr habe, der ständig vor Schmerz erstarren muss. Ich möchte nicht mehr das Gefühl haben, mich nur durch das Leben kämpfen zu müssen. Oft habe ich gefragt: „Gott, warum muss ich hier durchgehen?"

Auf die Frage, warum Gott bestimmte Dinge zugelassen hat, finde ich keine zufriedenstellende Antwort. Ich weiß es nicht. Noch wichtiger aber als auf diese Frage eine Antwort zu finden, ist es, zu wissen, wie ich mit meinem Leid umgehen sollte. 

Leid klagen

Die Bibel weist mich darauf hin, Gott das Leid zu klagen. Wie es z.B. David getan hat, indem er sagte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber keine Rettung ist in Sicht, ich rufe, aber jede Hilfe ist weit entfernt! Mein Gott! Ich rufe am Tag, doch du antwortest nicht, ich rufe in der Nacht und komme nicht zur Ruhe.“ (Psalm 22,2-3).

Ich klage Gott, dass ich enttäuscht bin. Wie der Verfasser des Psalms 69 sage ich: „Der Hohn hat mir das Herz gebrochen, ich verzweifle. Ich hoffte auf Mitleid – es gab keins. Ich sah mich um nach Tröstern – es waren keine zu finden.“ (Psalm 69,21). Keinen Trost zu bekommen, wenn ich ihn dringend brauche, ist eines der schlimmsten Dinge, die ich erlebe. Ich fühle mich hilflos. Ohne Hoffnung. Im Schmerz alleingelassen. Besonders schlimm ist es, wenn ich sowieso schon das Gefühl habe, am Boden zu liegen und den Lebensmut verloren habe. Ich frage mich, warum ich noch mehr verletzt werde. Wo sind die Menschen, die noch ein Herz haben? Und die Menschen, die auf ihre Worte achten? In den Zeiten, in denen ich die Todessehnsucht fühle, empfinde ich wie Hiob: „Ich bin unschuldig! Ich möchte nicht mehr leben; ich verachte mein Leben. (Hiob 9,21).

All meine Schmerzen kann ich Gott klagen. Er möchte, dass ich ihm mein Herz ausschütte (Vgl. Psalm 62,9), weil es mir gut tut. Wenn ich klage, kann ich mir sicher sein, dass er meine Gefühle vollkommen versteht. Denn Jesus Christus hat jeden Schmerz getragen. (Vgl. Jesaja 53,4).

All meine Schmerzen kann ich Gott klagen. Er möchte, dass ich ihm mein Herz ausschütte, weil es mir gut tut.

Leid als Teil göttlichen Plans sehen

Die Geschichte in der Bibel, die mich immer schon am meisten bewegt hat, ist das Leben Josefs. Seine Brüder lehnten ihn ab. Sie hassten ihn und verkauften ihn an Händler. Josef kam nach Ägypten. Er musste als Sklave arbeiten und saß unschuldig im Gefängnis. Dann kam er frei. Als er seinen Brüdern später wieder gegenüber stand, sagte er: „Ihr zwar, ihr hattet Böses gegen mich beabsichtigt; Gott aber hatte beabsichtigt, es zum Guten zu wenden, damit er tue, wie es an diesem Tag ist, ein großes Volk am Leben zu erhalten.“ (1.Mose 50,20). Durch Josef wurden viele Menschen vor dem Hungertod bewahrt.

Ich glaube, dass Gott auch das Schlimme in meinem Leben zum Guten zu wenden kann (Vgl. Römer 8,28). Ich kann mein Leid als Teil eines größeren Plans sehen. Gott möchte mein Leben nutzen, um es für andere zum Segen werden zu lassen. Das schenkt mir Trost und Hoffnung.

Ich möchte mit einem Zitat von Dietrich Bonhoeffer schließen. Ich wünsche mir, dass ich selbst in größter Not wie er sagen kann:

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. – Dietrich Bonhoeffer

 Micaela Kassen

Micaela Kassen

  |  Freie Mitarbeiterin

Theologin, studiert derzeit Psychologie und ist auf Kinder- und Jugendpsychologie spezialisiert. Sie hat als Lerntherapeutin gearbeitet und ist aktuell als Sozialarbeiterin in einer intensiv-pädagogischen Einrichtung tätig. Redaktionell setzt sie ihre Schwerpunkte auf die psychische Gesundheit und Kindererziehung. 

Ihr Kommentar

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Kommentare (4)

Matthias /

Zuerst müssen wir Gewissheit haben, durch die neue Geburt, ein Sohn oder Tochter Gottes zu sein. Wenn dies Wirklichkeit geworden ist, wir ein Sohn und Tochter Gottes sind, hilft dies uns den mehr

Mary /

vielen dank dafür, dieser Artikel ist Gold wert, ich hoffe ihn werden noch viele lesen.

Tine /

Das Schlimmste ist dass man durch schwierige Zeiten alleine durchgeht, ohne Trost, ganz allein. In schlimme Situationen gerät, für die man nichts kann. Oft denke ich wenn es eine Bestimmung ist nur mehr

W. /

Josef, David, Hanna (Samuel's Mutter) solche biblischen Beispiele ermutigen Glaubensgeduld zu üben. Auch die Natur ermahnt, mich den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Mit Begleitung von (Glaubens)-Freunden geht es leichter.
Es lohnt sich! ...Vergiss nicht, was ER Dir Gutes getan hat.

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