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© Charlie Deets / unsplash.com

27.03.2019 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 5 min

Autor/-in: Claudia Mertens

Versöhnung mit meinen Grenzen

Ein Gegenmittel gegen dieses Reiben an unserer Begrenztheit.

Unschuldig hängt er da in meiner Küche, ein Kalender. Das Bild sagt mir lange nichts und auch der Vers ist doch irgendwie abstrakt: „Er schafft Frieden in deinen Grenzen, er sättigt dich mit dem besten Weizen“ (Psalm 147, 14 ). Aber eines Tages bin ich ertappt: Ich habe Grenzen! Und noch besser: Innerhalb meiner Grenzen kann ich Frieden haben.

Klar habe ich Grenzen, so überraschend ist das jetzt nicht. Denn es gibt Grenzen, die sind ganz natürlich. Es gibt Grenzen, über die ich froh bin. Ich will ja gar nicht alles haben oder alles können. Aber es gibt Grenzen, die sind vielleicht von Gott gegeben oder zumindest von ihm zugelassen. Träume, die wir uns nicht selbst erfüllen können. Wunder, auf die wir warten. Und das bedeutet dann nicht automatisch, dass wir mit diesen Grenzen, mit diesem Ist-Zustand, auch einverstanden sind.

Gott ist nicht überrascht

Genau solch eine Grenze stand mir vor Augen. Etwas, woran ich mich reibe – und das schon lange. Wer ehrlich ist: Es gibt viele Möglichkeiten, wo man sich wundscheuern kann. Heilung, Partnerwunsch, Kinderlosigkeit, eine Freundschaft, die kaum erwidert wird, Menschen, die einfach dicht machen und sich abwenden, ja vielleicht auch Unzufriedenheit, mit dem, was ich gerade arbeiten muss, der Ehepartner, der die Krise nicht sehen will. Ach und was es alles an Widrigkeiten geben kann, bei denen wir hilflos davor stehen und sagen müssen: Hier kann ich menschlich gar nichts tun.

Was es auch ist, für mich war die Erkenntnis gut: Gott ist gar nicht überrascht. Er weiß, dass ich Grenzen habe. Und er weiß auch um meine Grenze, die mir wirklich Mühe macht. Es gibt sogar manche Grenzen, die er selbst setzt, warum auch immer. Es gibt manche Wunder, die er nicht tut, warum auch immer. Es gibt Dinge, bei denen er scheinbar schweigt und nicht eingreift, warum auch immer. Gerade da aber wird es schmerzhaft. Das ist der Punkt, an dem wir ringen. Mit dieser Grenze ist es schwer zu leben. Wir brauchen an dieser oder jener Stelle Versöhnung mit Gott und mit uns selbst.

Gott ist nicht überrascht. Er weiß, dass ich Grenzen habe. Und er weiß auch um meine Grenze, die mir wirklich Mühe macht. – Claudia Mertens

Es gibt die Möglichkeit des Friedens. Trotz der Grenze, über die wir vielleicht hinwegwollen. Frieden ist innerhalb unseres gesteckten Rahmens möglich. Wo Gott Grenzen setzt oder zulässt, ist er auch gern bereit, den nötigen Frieden zu geben. Ich bin ehrlich: Eine der ersten Reaktionen war bei mir: „Den Frieden will ich aber gar nicht. Ich will das, was ich haben will!“

Erforsche mich Gott

Und ich merkte, an dieser Stelle muss ich mich entscheiden. Wenn Gott mir diesen Frieden anbietet, muss ich ihn auch wollen. Was ich ebenfalls bemerken musste, wenn ich ehrlich war: dass ich in meiner Grenze, die ich überhaupt nicht leiden kann, die hässlichsten Formen des Neides auf andere entwickelt hatte. Auf die, die das bekamen, was ich gerne wollte. So verstand ich innerhalb dieser „Grenzerfahrung“ auch zum ersten Mal den Vers: „Erforsche mich Gott, und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne, wie ich‘s meine“ (Psalm 139, 23). Denn ich habe mich selbst manchmal nicht wiedererkannt.

Die Zusage Gottes jedenfalls steht: Ich schaffe Frieden in deinen Grenzen. Über Nacht geschieht manchmal dies nicht, jedenfalls nicht bei mir. Aber um zu einem „Ja“ zu diesem Frieden zu kommen, war für mich ein Schritt notwendig: die Besinnung darauf, dass ich es ernst meine mit dem Vers „Dein Wille geschehe“. Denn Gott ist der Herr meines Lebens.

Wenn das so ist, dann kann „Dein Wille geschehe“ nicht nur eine Floskel bleiben. Wenn ich das ernst meine, bedeutet es auch, dass ich Gott vertraue. Er meint es gut mit meinem Leben. Wenn meine Vorstellung auch eine andere ist, Gott weiß es besser. Für mich habe ich jedenfalls beschlossen: Ich will später einmal nicht wie der ältere Sohn im Gleichnis von den beiden Söhnen von Gott gefragt werden: „Sage mal, es war doch alles da?! Warum hast du denn nicht zugegriffen?“ (nach Lukas 15).

Wirksames Gegenmittel

Frieden bekommen wir da, wo wir mit Gott auch darüber im Gespräch bleiben, was uns fehlt, was wir vermissen und was wir uns wünschen. Er lässt den Frieden in uns wachsen, vielleicht überschüttet er uns plötzlich damit. Das ist seine Sache. Es ist unterschiedlich, wie wir Dinge an uns heranlassen. Dem einen hilft ein Traum, dem anderen helfen ausgedehnte Stille, dem Nächsten ein Gespräch, eine Predigt oder oder oder.

Wichtig ist, dass wir mit Gott an dieser Stelle im Gespräch bleiben, unsere Sorgen bei ihm lassen. Dass wir ihm das Vertrauen aussprechen, dass er es gut mit uns meint und dass wir ihn bitten, uns seinen Frieden zu geben. Dieser Friede leitet unseren Blick wieder weiter und lässt uns sehen, dass unsere Füße auf einem weiten Land stehen (vgl. Psalm 31,9).

Wichtig ist, dass wir mit Gott an dieser Stelle im Gespräch bleiben, unsere Sorgen bei ihm lassen. Dass wir ihm das Vertrauen aussprechen, dass er es gut mit uns meint und dass wir ihn bitten, uns seinen Frieden zu geben. – Claudia Mertens

Gott ist nicht kleinlich. Er ist allmächtig. Und er kann mit uns und trotz unserer Grenzen alles tun. Ich weiß nicht, wie meine Grenzerfahrung ausgehen wird. Ob ich meine Wünsche noch erfüllt bekomme? Aber ich weiß, dass sie mich nicht so einengen sollen, dass ich vergrämt und verbittert werde. Ich will diesen Frieden und ich will zufrieden sein. Ich will dieses Freisein von dem, was ich meine, was mein Leben sinnvoll oder erfüllt macht.

Ein weiteres wirksames Gegenmittel gegen dieses Reiben an unseren Grenzen ist etwas, was jeder direkt und auch täglich erproben kann: Dankbarkeit. Nebenbei ist sie auch ein Teil von Gottes Willen an uns (vgl. 1. Thessalonicher 5,18). Sei es Dank für erfüllte Wünsche der Vergangenheit – z. B. die Krankheit habe ich doch besiegt. Gibt es irgendjemand, der Gott nicht für irgendetwas dankbar sein könnte?

Ein wirksames Gegenmittel gegen das Reiben an unseren Grenzen ist etwas, was jeder direkt und auch täglich erproben kann: Dankbarkeit. – Claudia Mertens

Es gibt vieles, was wir haben, was wir können, Menschen, die wir mögen, die uns mögen. Hilfe, die wir erfahren. Not, die wir lindern durften oder die für uns gelindert wurde. Wunder, die wir erlebt haben. Kraft, die wir nicht erwartet hätten. Niemand hat Gott zum Gegner. Wenn Sie diese Zeilen gelesen haben, sagen Sie doch direkt Gott für irgendetwas ganz bewusst „Danke“. So kann Versöhnung mit den Grenzen geschehen, die Gott uns gesetzt hat.

 

Ihr Kommentar

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Kommentare (3)

Gertrud-Linde W. /

hervorragend.
Glaubens- und Lebenshilfe.
Danke

G.W. /

DANKE Sehr wichtig und ermutigend - hilfreich *

Magdalena M. /

Liebe Frau Mertens, vielen Dank für den tollen Artikel. Sie sprechen mir da voll aus dem Herzen! Ich empfinde Ihre Ansichten als sehr hilfreich. Leider kenne ich Menschen, die sehr mehr

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