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10.08.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Timo König

Syrien-Krieg bedroht Israel

An Israels Nordgrenze braut sich etwas zusammen. Dahinter steckt eine Strategie, sagt Israel-Kenner Johannes Gerloff.

Die Kräfteverhältnisse im Nahen Osten verschieben sich. Was bedeutet das für ein Land wie Israel, das im Nahen Osten praktisch keine Verbündeten hat? Droht es, unter die Räder zu kommen oder könnte es gestärkt aus der Situation hervorgehen? Darüber haben wir mit dem Journalisten Johannes Gerloff gesprochen. Er lebt lebt seit rund 30 Jahren unter Israelis, seit 1994 in Jerusalem. Im vorangehenden Teil des Interviews haben wir über den geistlichen Kampf um den Tempelberg gesprochen. Gerloff ist überzeugt: Die Geschichte des jüdischen Staates trägt die Handschrift Gottes.
 

ERF: Wie gefährlich ist der Syrienkrieg für Israel? Der Iran erstarkt in der Region und viele befürchten, er könnte einen Landkorridor nach Israel erobern und müsste Waffen dann nicht mehr über See nach Israel an die Hisbollah schmuggeln.

Johannes Gerloff: Das geschieht schon. Und es ist definitiv ein Problem. Der Iran sitzt bereits an der Nordgrenze Israels. Im Libanon hat die Hisbollah den Staat schon seit Jahren in der Hand. In Syrien, auf den Golanhöhen, herrschen Kämpfe zwischen der Nusra-Front und Regimetreuen. Das Regime ist wiederum mit der Hisbollah verbunden und letzten Endes mit dem Iran. Das Gespenst des schiitischen Halbmondes vom Iran bis an Israels Grenze ist mittlerweile also eine Tatsache. Der Iran baut seine Vorherrschaft im Nahen Osten aus und geht dabei sehr geschickt und langfristig vor. Ich erkläre es mal so: Die Araber spielen Backgammon, da braucht man Strategie, aber auch viel Glück. Die Amerikaner „gamblen“, betreiben also Glücksspiel wie in Las Vegas. Die Russen spielen Russisch Roulette. Aus dem Iran kommt Schach. Die Iraner spielen Schach über lange Zeiträume hinweg, weit vorausgedacht und sehr erfolgreich.
 

ERF: Wie reagiert Israel darauf?

Johannes Gerloff: Israel sucht Koalitionspartner. Der Hauptkonfliktpunkt in dieser Hegemonie des Iran ist nicht Israel, sondern die sunnitisch-arabische Welt. Fragen Sie sich mal, warum Israel jetzt Raketensysteme an Staaten in den Golf liefert, die Israel eigentlich feindlich gegenüber stehen. Oder warum Amerika Milliardengeschäfte mit Saudi-Arabien macht. Weil der viel größere Konflikt sich zwischen Sunniten und Schiiten abspielt. Und da ist Israel eigentlich nur ein Nebenspieler. Es bilden sich zur Zeit neue Koalitionen ab. Im gesamten geopolitischen Spiel im Nahen Osten verschiebt sich sehr viel. Zum Beispiel eben, dass Israel mit Jordanien, Saudi-Arabien und Ägypten zusammenarbeitet. Auf politischer Ebene spricht man zwar nicht miteinander, im militärischen und wirtschaftlichen Bereich klappt die Zusammenarbeit aber quasi reibungslos.

Israel ist rein menschlich nicht zu begreifen

ERF: Das klingt, als wäre Israel der lachende Dritte.

Johannes Gerloff: Nein, viel zu lachen hat Israel nicht. Es muss sich mit der Frage beschäftigen: Wie können wir eine Zukunft bauen, angesichts eines Umfeldes, in dem wir gehasst werden? Ich habe letztens einen Satz von einem hohen israelischen Militärvertreter gehört. Ein saudischer Partner hat ihm auf einer Sicherheitskonferenz gesagt: ‚Wir werden euch Israelis niemals lieben. Aber wir bewundern euch, weil ihr die einzige Gesellschaft im Nahen Osten seid, die stabil ist. Das wollen wir von euch lernen. Und ihr seid das einzige Land im Nahen Osten, das ohne Öl eine wirtschaftliche Erfolgsstory produziert hat.‘

Nimmt man bei der arabischen Ländern das Öl aus der Gleichung heraus, hat Israel ein größeres Bruttosozialprodukt als die gesamte arabische Welt. Das wird wahrgenommen bei den Arabern. Und sie wissen, dass angesichts der fallende Ölpreise etwas zu tun ist.

Israel wurde – außer von ein paar Christen – im Nahen Osten nie geliebt. Es hat 70 Jahre lang ständig Krieg erlebt. Trotzdem hat es eine starke Wirtschaft aufgebaut und ist ein Land mit sehr hoher Lebensqualität. Der Euro ist im Vergleich zum Schekel schwach. Die Bank von Israel kauft Milliarden von Dollar auf, um den Schekelkurs niedrig zu halten. Israel an sich ist ein Wunder, das wir mit einer rein menschlichen Analyse nicht verstehen können.
 

ERF: Vielen Dank für das Gespräch.

 Timo König

Timo König

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Kommentare (5)

Ella S. /

Danke für diese Nachrichten, die man wirklich glauben darf

Gerhard S. /

Hallo

Regina T. /

Danke Herr Gerloff für die Aufklärung. Diesen klaren Blick brauchen wir.

Ursula K. /

danke für den ausführlichen bericht,für mich sind immer wieder meine so komplizierten fragen der ganzen sache wegen aktuell,sei gesegnet in deiner arbeit und bewahrung im land Ursula K.

Gerhard K. /

Johannes Gerloff trifft wie immer den Nagel auf den Kopf! Danke.

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