Navigation überspringen
© Ayyappa Giri / unsplash.com

29.06.2017 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Simone Nickel, Sarah Melanie Garcia

NAMASTE - Du bist gesehen!

NAMASTE - Christoph Zehendner spricht über sein neues Buch.

Christoph Zehendner, Journalist, Moderator, Texter und Theologe, hat 2016 zum dritten Mal Indien bereist. Dabei lag sein Fokus auf den Menschen in dem Land. Er begleitete die Mitglieder der Nethanja- Gemeinden, die sich für die Ärmsten der Armen einsetzen. Begegnungen, die sein Leben bereichert haben und er in dem Buch „NAMASTE – Du bist gesehen!“ festgehalten hat. Wir haben ihn getroffen.

ERF: Ihr neues Buch heißt „NAMASTE“ – wie kamen Sie auf den Titel? 

Christoph Zehendner: „Namaste“ hört man in Indien von früh bis spät, begleitet von der charakteristischen Handbewegung: beide Handflächen vor der Brust aufeinanderlegen und sich verneigen. Bedeuten soll es: „Ich nehme dich wahr“ oder „Du bist gesehen“. Das ist viel schöner als unser deutsches „Hallo“.

Hoffnung im Elend

ERF: Was beschreiben Sie in Ihrem Buch? Worum geht es in „NAMASTE“?

© Brunnenverlag – Foto: Petra Hahn-Lütjen

Christoph Zehendner: Ich versuche, in 24 Kapiteln den Lesern einige Menschen vorzustellen, die mich selbst beeindruckt haben. Von Menschen in den Slums zu Menschen im Dschungel. Ein Bischof. Ein Mädchen im Kinderheim, das eine neue Heimat findet. Engagierte Mitarbeitende. Menschen, die im Elend leben und  allen Grund hätten zu heulen, aber stattdessen Hoffnung verbreiten.

ERF: Was hat Sie bei dieser Indienreise besonders beeindruckt?

Christoph Zehendner: Wie Menschen mitten im Elend noch Hoffnung haben. Natürlich wollen alle raus aus den Slums. Gerade in diesem Bereich engagiert sich die Nethanja-Gemeinde sehr. Aber dass es überhaupt möglich ist, in diese Hoffnungslosigkeit Hoffnung zu vermitteln – das hat mich umgehauen. Von diesen bitterarmen Menschen, die nicht lesen und nicht schreiben können, konnte ich so viel lernen. Es sind Menschen die allen Grund hätten zu jammern und zu klagen und doch waren es gerade sie, die mich mit ihrem Strahlen angesteckt haben. Das hat mich tief bewegt.

„Mitten in der Apostelgeschichte gelandet“

ERF: Können Sie eine Szene beschreiben, die Sie besonders berührt hat?

Christoph Zehendner: Ich glaube, die Begegnung mit Naga Lakshmi. Eine junge Frau, schön, stark und selbstsicher. Doch dann erzählte sie mir, wie sie als Kind von ihren Eltern abgelehnt wurde, weil sie nicht auf ihren Beinen stehen konnte. Sie konnte sich nur auf den Händen durch den Dreck ziehen, rund um die Hütte ihres Vaters. Das war ihr Leben. Furchtbar. Doch dann bekam sie ärztliche Hilfe und mit dieser Hilfe und ihrem Glauben kann sie heute auf ihren Beinen stehen.

ERF: Sie erwähnten vorher die Nethanja-Kirche – was ist das?

© Brunnenverlag - Foto: Michael Hahn

Christoph Zehendner: Die Nethanja-Kirche ist ein Verbund von Kirchen, die sich zum Teil nur unter einem Baum treffen oder in Garage-ähnlichen Gebäuden. Diese Gemeinden leben überwiegend unter sehr armen Menschen und ihnen ist klar: Soziales, geistliches und missionarisches Engagement lassen sich nicht trennen, sondern gehören zusammen. Das hat mich sehr bewegt. Ich hatte das Gefühl, ich sei aus meiner Überflussgesellschaft in Deutschland mitten in der Apostelgeschichte gelandet, mit allem was dazugehört.

Ein kulturelles Missverständnis: Ja statt Nein 

ERF: Bischof Singh ist Leiter der Nethanja-Kirche, wie haben Sie ihn erlebt?

Christoph Zehendner und Bischof Singh
Christoph Zehendner und Bischof Singh (Foto: ERF Medien)

Christoph Zehendner: Bischof Singh ist ein Freund von mir geworden. Ein Bischof der als ein starker Leiter seiner Kirche vorsteht und sich durch nichts von seine Weg abbringen lässt. Der aber auch sensibel und einfühlsam ist und zu seinen Fehlern steht. Das finde ich einzigartig und das hat mich selbst sehr beeindruckt.

 

ERF: Sie waren als Europäer in Indien. Dies war zwar nicht Ihre erste Reise, aber gab es nach wie vor Gewöhnungsbedürftiges?

Christoph Zehendner: Die Inder haben die Eigenschaft, dass, wenn sie „ja“ sagen, dann schütteln sie auf eigentümliche Weise den Kopf, so dass es für uns wie ein „Nein“ aussieht. Und  da ist mir folgendes passiert: Ich war in einer Bischofskirche mit über tausend Leuten und wollte bloß nichts falsch machen. Ich teilte die Hostien aus und kam zu einer jungen Frau, die strahlte mich an und schüttelte den Kopf. Und ich dachte: „Warum will sie die Hostie nicht? Sie ist doch nur deswegen hier.“ Und ging weiter. Erst Minuten später fiel mir ein: Sie hatte genickt! Sie hatte „ja“ gesagt! Ich suchte sie, doch sie war bereits gegangen. Das war vielleicht peinlich.

Der Glaube macht Arme reich

ERF: Bei Ihrem Buch hat man den Eindruck, man könne Indien riechen, schmecken, sehen. Was würden Sie sagen: Wie haben Sie Indien erlebt?

Christoph Zehendner: Zu sagen, ich hätte Indien erlebt, wäre zu weit gefasst. Das ist ja ein riesiges Land. Ich kann nur etwas zu dem Teil sagen, den ich gesehen und erlebt habe. Erstens, das Positive: tolle Farben und tolles Essen. Zweitens, das Negative: unglaubliche Gegensätze. Sehr reiche Menschen und ebenso bitterarme. Gerade deswegen bin ich so froh, dass ich sehen durfte, was die Nethanja-Kirche dort für die Armen tut und wie die armen Leute durch den Glauben letztlich vielleicht „reicher“ sind als diese Superreichen.

Eine Verantwortung gegenüber den verfolgten Christen

 

ERF: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie nach dieser Reise nach Deutschland zurückgekehrt sind?

© Brunnenverlag – Foto: Michael Hahn

Christoph Zehendner: Die kulturelle Umstellung empfand ich wie jedes Mal heftig. Für mich stellt sich immer die Frage: Welche Verpflichtung habe ich jetzt? Worüber spreche ich? Worüber berichte ich? Einigen Leuten – speziell verfolgten Christen – habe ich wirklich in die Hand versprochen: Ich werde von eurem Schicksal, von dem was ihr mir erzählt habt, berichten. Das ist meine Verpflichtung. Ich habe eine Verantwortung. Ich habe ein Geschenk bekommen, das ich mit vielen teilen möchte. 

ERF: Christoph Zehendner, vielen Dank für das Gespräch.


Christoph Zehendner und der indische Bischof, Dr. Singh Komanapalli waren auch zu Gast in der ERF Plus Sendung Calando: „Reise der Hoffnung“.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (1)

Catherine B. /

Ein beeindruckender Interview. Das poste ich auf meine eigen FB page!

Das könnte Sie auch interessieren