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19.12.2014 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Christine Keller

Weihnachten ohne dich

Wie verbringe ich die Feiertage nach einem schmerzlichen Verlust?

Weihnachtszeit ist Familienzeit. Man nimmt weite Autofahrten, Feiertags-Spritpreise und Stau auf schneebedeckten Autobahnen in Kauf, um die Festtage mit seinen Liebsten zu verbringen. Wie feiere ich allerdings das Fest der Liebe und Freude, wenn ich kürzlich jemand Geliebtes verloren habe? Wenn mir überhaupt nicht nach Freude zumute ist? Weihnachten ohne Ehepartner oder Kind: Diesem schweren Thema haben sich drei mutige Frauen für uns gestellt.

Gemeinsam trauern

Regina Regel hat im Oktober nach 35 Jahren Ehe ihren Mann verloren. Im Mai diesen Jahres erhielt er die Diagnose ALS. Bereits fünf Monate später verstarb er. Sie kann sich nicht vorstellen, wie sie ohne ihren Mann die Weihnachtszeit verbringt. Regina Regel atmet tief durch, bevor sie anfängt zu erzählen. „Ich muss gestehen, mir graut noch davor“, beginnt sie. Ob sie die gemeinsamen Traditionen alleine fortzuführen kann? Schon im Advent kämpfte sie mit ihren Gedanken: „Soll ich die Wohnung für mich alleine schmücken, soll ich es mir alleine gemütlich machen? Lohnt sich der Aufwand überhaupt noch?“ Pläne hat sich die Pfarrerin aus dem Erzgebirge für dieses Weihnachtsfest nicht gemacht. Das hat jemand anders für sie in die Hand genommen: Ihre Kinder und Enkel. Ganz alleine ist sie also nicht.

Gemeinschaft mit ihrer Familie und Gemeinde empfindet Regina Regel in dieser Situation als unersetzlich. „Ich muss meine Trauer bei ihnen nicht verbergen. Ich darf sagen, dass es mir nicht gut geht, ich darf Tränen vergießen. Sie wissen, wie mir zumute ist und das schenkt mir Geborgenheit.“ Menschen, die Zeit mit ihr verbringen, mit ihr weinen und für sie beten, sind für Regina Regel eins der größten Weihnachtsgeschenke in diesem Jahr.

Sich fallen lassen

Auch Lana Schmidt hat ihren Ehemann verloren. Am 23. Dezember 2011 stirbt ihr Mann Andreas nach einem Herzinfarkt. Ganz unvermittelt ist die damals 29-Jährige Witwe und alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Töchtern. Wenn es nach ihr ginge, würde sie ab sofort auf Weihnachtsfeiern verzichten. Alleine das Datum reißt zunächst die Wunden wieder auf. Aber sie denkt in erster Linie an ihre Kinder. Schon ein Jahr nach dem Verlust feiern Lana Schmidt und die zwei Mädchen mit ihrer und auch Andreas‘ Familie Weihnachten. Die Töchter genießen die Adventszeit mittlerweile wieder. Lana Schmidt freut sich darüber, auch wenn sie ein Stich im Herzen spürt.  

"Im Laufe der Jahre gewöhnt man sich schon immer mehr an das Leben ohne den geliebten Menschen, aber gerade an Weihnachten ist die Sehnsucht sehr groß." Deswegen achtet Lana Schmidt darauf, Heilig Abend nicht zu dritt zu verbringen. Da merke man besonders, dass jemand fehlt. In diesem Jahr feiert die kleine Familie Schmidt den Heiligabend mit Freunden und die restlichen Tage mit der Familie. Freunde und Familie waren für Lana Schmidt seither eine große Stütze. Sie rät auch anderen Betroffen, mit Menschen Weihnachten zu feiern, bei denen man sich fallen lassen kann. „Man braucht Menschen, die tragen und vor allem auch ertragen können“, fasst Lana Schmidt ihre Erfahrung zusammen.  

Dem Schmerz Ausdruck verleihen

Barbara Martin und ihr Mann Mario mussten ebenfalls kurz vor Weihnachten einen Verlust erleben. Es war allerdings nicht der einzige: Sie haben drei Kinder jeweils noch in der Schwangerschaft verloren. Das erste Weihnachten war sehr schlimm für das Ehepaar. Sie haben sich im engen Familienkreis getroffen und  ihrer Trauer Raum gegeben: Die Familie hat aus ihrem Tannenbaum einige Zweige rausgeschnitten, sie ebenfalls geschmückt und auf das Grab des Kindes gelegt.

„Dass ein Teil des Baums gefehlt hat, zeigte, dass auch uns etwas fehlt. Gleichzeitig haben wir etwas von uns genommen und es zum Grab gebracht“, beschreibt Barbara Martin. Den schmerzhaften Verlust konnte das Paar auf diese Weise symbolisch zum Ausdruck bringen. Dieses Symbol ist zu einer Weihnachtstradition für die Martins geworden: Seither bringen sie jedes Jahr einen geschmückten Tannenbaum zum Grab und legen Geschenke unter den Baum.

Ehrliche Trauer

Ob man den Ehepartner, ein Kind oder ein Elternteil verloren hat: Regina Regel, Lana Schmidt und Barbara Martin betonen, dass ein ehrlicher Umgang mit Trauer auch an Weihnachten wichtig ist. Sie machen Mut, sich nicht zu verstellen, sondern seinen Schmerz  auf eigene Weise zum Ausdruck zu bringen – so wie es jedem guttut. Dennoch ist es ratsam, sich nicht zu verkriechen. In der Familie, dem Freundeskreis oder der Gemeinde gibt es in der Regel Menschen, die mittrauern, mitweinen und mitleiden möchten.

 Christine Keller

Christine Keller

  |  Redakteurin

Hat in der Redaktion von ERF Jess gearbeitet. Ist ansonsten als freie Journalistin auch online und hinter der Kamera unterwegs. Sie hat Hummeln im Hintern, was aber nicht weh tut. Sie liebt es, To-Do-Listen zu schreiben und abzuhaken. Wenn‘s doch mal entspannt sein soll, nimmt sie gern ein gutes Buch zur Hand.

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