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© Yarenci Hdz / unsplash.com

30.08.2025 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 8 min

Autor/-in: Theresa Folger

Raus in den Sturm, rein ins Leben

Wie Eltern ihre Kinder stark machen: 8 Impulse für mehr Resilienz bei Kindern.

„Krisen müssen geübt werden (dürfen), damit man groß und stark wird.“ Das ist die zentrale Botschaft der Psychologin Cordula Zywicki in ihrem neuen Buch „Sturmerprobt und wetterfest“. Das bedeutet: Eltern sollten Kinder nicht vor jeder Schwierigkeit bewahren, sondern ihnen auch die Chance geben, eigene Erfahrungen im Umgang mit kleinen Krisen und Rückschlägen zu sammeln. Nur so könnten Kinder die seelische Widerstandskraft entwickeln, die sie im Leben brauchen.

Die folgenden 8 Impulse zur Stärkung der Resilienz bei Kindern basieren auf den Inhalten von Cordula Zywickis kleinem Ratgeber.

1. Krisen zulassen

Zywicki beobachtet, dass viele Eltern es heutzutage vermeiden, ihrem Nachwuchs etwas zuzumuten. Sie wollen es besser machen als frühere Generationen, die oft auf Abhärtung setzten und Kinder damit teilweise überforderten. Doch damit fallen sie auf der anderen Seite vom Pferd: Sie versuchen, schmerzliche Erfahrungen möglichst zu verhindern und jedes Risiko zu minimieren.

Wer sein Kind jedoch sofort rettet, wenn es unbequem wird, vermittelt ihm unbewusst: 'Du schaffst das nicht allein.' So kann beim Kind leicht ein Muster von Vermeidung und Hilflosigkeit entstehen. 

Wie in Watte gepackt wird es Kindern dadurch verwehrt, ihre Selbstwirksamkeit zu erleben – also zu spüren: Ich habe etwas Schwieriges oder Unangenehmes selbst bewältigt.

Als Orientierung empfiehlt Zywicki einen Mittelweg zwischen Überforderung und Überbehütung. Denn Resilienz bedeutet nicht, Krisen zu vermeiden, sondern Strategien im Umgang damit zu entwickeln. Kinder müssen lernen Frust, Langeweile oder kleine Niederlagen auszuhalten. Nur so entwickeln sie Strategien für größere Herausforderungen. 

Ich finde diesen Punkt sehr wichtig – stimme aber nicht allen Beispielen von Zywicki zu. Abenteuer ja, aber bitte mit überschaubarem Risiko. Wer von Astrid Lindgrens Kindheit schwärmt, die in einsturzgefährdete Höhlen kroch oder als Nichtschwimmerin allein am Fluss war, der verklärt für mich die Vergangenheit. Die Eltern ihrer Generation hatten schlichtweg oft keine Möglichkeit, die Kinder zu beaufsichtigen, und konnten nur das Beste hoffen.

Ergo: Blaue Flecken, aufgeschlagene Knie oder auch mal ein gebrochener Arm gehören für mich zu einem abenteuerlustigen Kinderleben dazu, lebensgefährliche Aktionen mit Billigung der Eltern jedoch nicht.

2. Rahmen schaffen

Der aktuelle Trend geht zur bedürfnisorientierten Erziehung, bei der die Wünsche des Kindes ständig im Mittelpunkt stehen und Eltern alle Strukturen und Zeitpläne des Familienalltags entsprechend daran anpassen.

Zum einen entsteht jedoch bei Kindern der Eindruck, dass sie der Nabel der Welt sind und den Lauf des Schicksals bestimmen dürfen. Doch, so Zywicki: „Es ist der Job der Kinder, sich an uns zu reiben, uns mit ihrem Verhalten herauszufordern und uns Nerven zu kosten. [Und] es ist unsere Aufgabe, ihnen zu zeigen und sie darin anzuleiten, mit der Nicht-Erfüllung des Bedürfnisses umzugehen und damit fertigzuwerden."

Zum anderen übertragen Eltern ihre Verantwortung auf das Kind, wenn dieses ständig entscheiden soll, was als Nächstes zu passieren hat. Doch Kinder sind nicht darauf angelegt, immer und überall diese Verantwortung zu tragen. 

Strukturen und Grenzen bedeuten also nicht, Kinder kleinzuhalten, sondern ihnen Sicherheit und Orientierung zu geben. Vertraute Routinen und Abläufe schaffen Vorhersehbarkeit für das Kind, und es lernt, sich in einen gesteckten Rahmen einzufügen. 

Das kann bedeuten, auch mal eine halbe Stunde aufs Abendessen zu warten, Kompromisse einzugehen, wenn die Lieblingswurst alle ist, und nach der Mahlzeit den Teller zur Spülmaschine zu tragen. So entwickeln Kinder Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein – wichtige Voraussetzungen für Resilienz. 

Oft sind Kinder sogar froh, wenn Erwachsene einen Rahmen vorgeben: Als ich meine Tochter mehrmals fragte, welche Kleidungsstücke sie im Urlaub anziehen wollte, reagierte sie genervt: „Ich will das nicht alles entscheiden, Mama. Pack einfach etwas ein.“ Für mich ein starkes Signal: Kinder wollen nicht immer gefragt werden, sondern sind oft mit dem zufrieden, was die Eltern entscheiden.

3. Vertrauen schenken

„Muten wir nicht zu, zeigen wir kein Zutrauen“, formuliert Zywicki. In Krisenzeiten meint sie damit: „Ich traue dir zu, dass du stark genug bist, das auszuhalten.“ 

Um dieses Zutrauen zu üben, lautet ihre Empfehlung: Eltern sollten Kindern bewusst Verantwortung übertragen und ihnen zutrauen, diese Aufgaben allein zu schaffen. Dazu gehört aber auch, dass Eltern die Erledigung dieser Aufgabe nicht unmittelbar überwachen – selbst wenn sie es könnten. Denn Kinder wollen dem in sie gesetzten Vertrauen meist gerecht werden und erleben so auch: „Wenn ich mich an Regeln halte, habe ich künftig mehr Freiheiten.“ 

Gute Erfahrungen hat Zywicki damit gemacht, Kindern bestimmte Rollen zu übertragen und sie offiziell zu einem „Beauftragen“ für eine bestimmte Aufgabe zu ernennen: Sei es der Fütterungsbeauftragte für die Haustiere oder der Blumenbeauftragte für die Pflanze im Kinderzimmer – die Kinder fühlen sich geadelt, wenn man ihnen die Erledigung dieser Aufgabe zutraut.

4. Die eigene Prägung hinterfragen

Als Eltern geben wir automatisch unsere Sicht auf die Welt an die Kinder weiter. Fällt ein Kleinkind hin, wartet es oft einen Moment die Reaktion der Mutter ab, bevor es anfängt zu brüllen. Wenn wir die Situation als schlimm bewerten, wird unser Kind das von uns übernehmen. Das lässt sich auf unsere gesamte Weltsicht übertragen.

Zywicki schreibt: „Wir sehen in der Regel die Welt so, wie wir es von unseren Eltern gelernt haben, die es wiederum von ihren Eltern mit auf den Lebensweg bekommen haben. Es handelt sich um eine lange Lerngeschichte über Generationen hinweg.“

Damit geben wir jedoch auch automatisch bestimmte Ängste oder Glaubenssätze weiter, die wir zwar subjektiv für richtig halten, die aber einer näheren objektiven Betrachtung nicht unbedingt standhalten. Ein paar Beispiele: „Die Welt ist ungerecht.“ „Du musst es nur wollen.“ „Nur die Harten kommen in den Garten.“ „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ 

Daher: Es ist sinnvoll, die eigenen Glaubenssätze zu hinterfragen: Wie viel Wahrheit steckt in ihnen? Was davon möchte ich wirklich an meine Kinder weitergeben? Welche Überzeugungen stärken sie – und welche verunsichern eher?  

Ich halte diesen Punkt für zentral. Indem wir eigene Muster kritisch überdenken, geben wir unseren Kindern nicht unbewusst eine Lebenseinstellung weiter, die wir auch selbst lieber durchbrechen wollen. 

5. Mentoren hinzuziehen

Nicht jeder kann alles gleich gut. Doch Dinge, mit denen wir selbst große Schwierigkeiten haben, können wir nicht überzeugend und positiv an unsere Kinder weitergeben. Wer nicht schwimmen kann, kann es seinen Kindern nicht beibringen. Wer Angst im Dunkeln hat, kann mit seinen Kindern keine Nachtwanderung machen. Die Bewertung von Ereignissen und möglichen Krisen hängt entscheidend mit unserer eigenen Vergangenheit zusammen.

An dieser Stelle sollten Eltern bereit sein, bestimmte Lebensbereiche der Kinder an andere Mentoren abzugeben – auch wenn dies bedeutet, dass sie bewusst darauf verzichten, ihre Kinder in diesem Bereich zu prägen. Früher war es normal, dass das ganze Dorf miterzogen hat, heute stehen wir mit der Aufgabe oft allein da. Wer könnte meinem Kind in Bereichen helfen, in denen ich selbst nicht weiterkomme? 

6. Selbstregulation fördern

Ein zentrales Element von Resilienz ist die Fähigkeit, sich selbst in Krisensituationen beruhigen und ein Gefühl der Sicherheit wiederherstellen zu können – die sogenannte Selbstregulation. Anfangs sind Eltern vollumfänglich dafür verantwortlich, ihren Kindern Nähe und Schutz zu gewährleisten. Für einen Säugling ist das überlebenswichtig. Er baut dadurch sein Urvertrauen auf.

Doch mit zunehmendem Alter sollten Kinder schrittweise lernen, sich selbst zu regulieren: „Wenn wir unseren Kindern zeigen, wie sie sich selbst in Stresssituationen beruhigen können, dann werden sie diese Strategien verinnerlichen und sich so in den alltäglichen Krisen stabilisieren können.“ Zywicki sieht darin auch eine Art Suchtprävention, wenn Kinder in der Lage sind, Stresssituationen aus sich selbst heraus zu überwinden – und dafür keine Hilfe von außen durch Drogen, Alkohol, Konsum, Medien oder anderem brauchen. 

Zywicki empfiehlt hier beispielsweise stärkende Rituale, die das Kind in einer betreffenden Situation automatisch abrufen kann. So lernte sie selbst als Kind, dass das Vaterunser ein wirksamen Mittel gegen Monster in der Dunkelheit ist. Außerdem half ihr vor einer Prüfung oder einem schwierigen Termin der Satz ihrer Oma: „Morgen um diese Zeit ist es schon vorbei.“

7. Loslassen – aber begleiten

Kinder müssen irgendwann die Steuerung ihres Lebens selbst übernehmen. Zywicki vergleicht dies mit einer Rallyefahrt – die Eltern sitzen zwar als Copilot noch daneben, unterstützen und geben Tipps. Aber fahren muss das Kind selbst. Nach Zywickis Erfahrung fällt es vielen Eltern oft am schwersten, diesen Schritt zu gehen und die Kontrolle bewusst an das Kind zu übergeben.

Zugleich müssen Kinder auch lernen, dass sie nicht immer alles im Leben in der Hand haben und dass manchmal auch schlimme Dinge passieren können. Auch dies gilt es ins Leben zu integrieren: „Ich wünsche allen unseren Kindern ganz viel Glauben in ihre Kompetenz, das Leben meistern zu können, aber ich wünsche ihnen auch ein klein wenig Platz für Pech, Zufall und Schicksal und der Bewertung von Niederlagen.“ Nur so können Kinder erfahren, wer sie sind und wer nicht, was sie ausmacht und was nicht, was ihnen liegt und was eben auch nicht – und können aus diesen Situationen etwas für die Zukunft lernen.

Ein großes Problem hierbei: Aus Angst davor, dass wir uns als Eltern später etwas vorwerfen müssen, tendieren wir dazu, unsere Kinder überzubehüten. „Müssen wir alles absichern, damit wir nicht schuldig werden?“, fragt Zywicki. Wen diese Sorge über Gebühr umtreibt, der solle sich „den vertraulichen Rahmen einer psychotherapeutischen Beratung gönnen“. 

Für mich persönlich wirkt der Verweis auf eine Psychotherapie in diesem Zusammenhang für ein singuläres Unbehagen etwas zu hoch gegriffen. Praxisnäher finde ich niedrigschwellige Beratungsangebote zum Beispiel vom Jugendamt oder von Erziehungsberatungsstellen, die Eltern zeitnah unterstützen.

8. Glaube – ein Anker 

Auch Spiritualität ist ein wesentlicher Resilienzfaktor: Der Glaube kann helfen, an Krisen nicht zu verzweifeln und sich selbst verzeihen zu können. Im besten Fall ist sich ein Mensch bewusst, dass es einen Dreiklang gibt aus eigener Verantwortlichkeit, dem Bewusstsein der eigenen Begrenztheit und der Hoffnung auf göttliche Hilfe im Krisenfall. 

Ich kann diesem Gedanken viel abgewinnen, doch bietet Zywicki leider keinen einzigen Tipp, wie Eltern ihren Glauben im Alltag als Ressource weitergeben können. 

Deshalb füge ich hier meine eigenen Gedanken hinzu:

Wir können mit unseren Kindern beten – am Tisch, beim Einschlafen und auch in konkreten Krisensituationen. Dadurch vermitteln wir ihnen das Bewusstsein, dass Gott immer da ist und auf sie aufpasst. Zudem können wir sie ermutigen, sich auch selbstständig mit ihren Sorgen und Gedanken an Gott zu wenden. 

Außerdem können wir mit ihnen das Thema Schuld und Vergebung besprechen, das im christlichen Glauben eine zentrale Rolle spielt. Wir können ihnen erklären, dass Gott uns unsere Fehler vergibt – und dass wir daher sowohl uns selbst als auch anderen Menschen verzeihen sollten. Das hilft besonders in Krisenzeiten, die durch uns selbst oder andere verursacht wurden.

Weder überbehüten noch überfordern

Zusammengefasst ermutigt Cordula Zywicki Eltern, einen guten Mittelweg zwischen Überbehüten und Überforderung zu finden. Indem wir Krisen zulassen, einen Rahmen vorgeben und loslassen lernen, können wir unsere Kinder stark und widerstandsfähig für das Leben machen. 

Was hat dir geholfen, deine Kinder stark fürs Leben zu machen? Schreib es gerne in die Kommentare.

Autor/-in

Theresa Folger

  |  Produkt- & Social-Media-Managerin

Theresa Folger ist Diplomkulturwirtin und Redakteurin mit Schwerpunkt mentale Gesundheit. Sie schreibt über Glaube, Psychologie und Alltag – und darüber, wie Leben leichter werden kann.

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Unbekannt /

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