Bist du ein Macher? Hast du Macht? Die erste Frage beantwortest du vielleicht gerne mit „Ja“, bei der zweiten bin ich mir da nicht so sicher. Wer gibt schon gerne zu, dass er Macht hat?
Wenn wir das Wort „Macht“ hören, denken wir oft an große Politiker oder einflussreiche Menschen, die ihre Macht leider nicht immer zum Wohle anderer einsetzen.
Doch eigentlich steckt in dem Wort „Macht“ etwas ganz Alltägliches: Macht kommt von „machen“. Und ich behaupte: Wir alle haben viel mehr Macht, als wir denken – wenn wir einfach mal machen würden.
Doch was hindert uns daran? Ist es überhaupt biblisch begründbar, wenn wir unser Leben selbst in die Hand nehmen? Und wie kann das konkret aussehen? Darum geht es in diesem Artikel.
Warum ist es so schwer, „einfach mal zu machen“?
Es sollte selbstverständlich sein, dass jeder von uns das Recht hat, sein Leben aktiv zu gestalten und für das einzustehen, was ihm wichtig ist. Sozialwissenschaftler nennen dies „Selbstwirksamkeit“. Wenn es darum geht, sich seinen Handlungsspielraum zurückzuholen – auch auf gesellschaftlicher oder politischer Ebene – werden auch die Begriffe „Selbstermächtigung“ beziehungsweise „Empowerment“ verwendet.
Wesentliche Veränderungen in der Geschichte begannen mit Menschen, die sich nicht länger als Spielball der Umstände sahen. Sie haben erkannt: Ich habe eine Stimme. Ich kann etwas bewegen – für mich und für andere.
Doch viele von uns haben von klein auf gelernt, sich anzupassen: Sei höflich, sei vernünftig, sei nicht zu laut, nicht zu ehrgeizig, nicht zu fordernd. Das macht es schwer, eigene Wege zu gehen, wenn sie den Erwartungen anderer widersprechen.
Auch bremsen uns oft unsere eigenen Zweifel aus. „Was, wenn es nicht klappt?“ „Was, wenn ich es nicht kann?“ „Was, wenn ich mehr verliere, als ich gewinne?“ Hier spielt auch die eigene Komfortzone eine Rolle.
Denn Selbstermächtigung bedeutet Veränderung – und Veränderung ist oft unbequem: Wenn ich an einer Stellschraube drehe, bewegen sich auch andere.
Da kann es verlockend sein, in alten Mustern zu bleiben und Herausforderungen zu vermeiden – selbst wenn wir mit dem Status quo unzufrieden sind.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht mir nicht um halsbrecherische Schnellschüsse. Selbstermächtigung bedeutet nicht, dass wir übereilt die Wohnung kündigen, aus einer Laune heraus heiraten oder den Job hinschmeißen.
Ich spreche vielmehr von mutigen Alltagsentscheidungen. Von dem Moment, an dem wir aufhören zu warten – auf den perfekten Zeitpunkt, den letzten Rest Sicherheit oder ein unmissverständliches Zeichen vom Himmel. Doch Letzteres ist manchmal das größte Problem.
Selbstermächtigung versus „Gottes Plan“
„Darf ich mein Leben überhaupt selbst in die Hand nehmen?“ – Gerade im christlichen Kontext wird diese Frage manchmal zu einem großen Hindernis. Schließlich höre ich immer wieder, „dass Gott einen Plan für mein Leben hat“.
Um den nicht zu gefährden, tun sich etliche Christen mit Veränderung schwer. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber auch in meinem Umfeld habe ich schon folgende Sätze gehört: „Ich habe eine neue Arbeitsstelle recht weit weg, aber ich kann nicht umziehen, weil Gott mich damals hierhergeführt hat.“ Oder: „Wir wollen Gott nicht vorgreifen und tun nichts, bis er uns zeigt, was sein Plan ist.“
Doch kann ich nur dann Gottes Willen für mein Leben erfüllen, wenn jeder meiner Entscheidungen ein langer geistlicher Prozess vorausgeht?
Meiner Erfahrung nach wird dieses Warten auf den „göttlichen Plan“ leicht zu einem massiven Hemmschuh, um mutig Schritte nach vorne gehen. Ich könnte Gott ja vorgreifen. Doch im schlimmsten Fall passiert dann gar nichts.
Dein Leben ist nicht vorherbestimmt
Zudem vergessen wir hierbei etwas Entscheidendes: Gott hat uns als sein Abbild geschaffen – mit Verstand, Kreativität und einem eigenen Willen. Deshalb bin ich überzeugt, dass er unser Leben nicht komplett von außen vorherbestimmt hat.
Das schließt nicht aus, dass Gott Menschen für bestimmte Aufgaben beruft, wie vielfach in der Bibel berichtet. Aber auch das waren in der Regel Berufungen für einen gewissen Zeitraum.
Wie diese Menschen vorher und nachher ihr Leben gestaltet haben, wird in der Bibel meist nur mit einem Satz erwähnt – so wie bei Noah. In 1. Mose 6,9 lesen wir: „Noah war ein gerechter Mann, untadelig unter den Menschen seiner Zeit, und Noah wandelte mit Gott.“ Von einem exakten Plan für diese etwa 500 Jahre Lebenszeit steht dort nichts.
Selbst Jesu Leben war von Gott nicht minutiös durchgeplant. Das sehen wir daran, dass Jesus sein erstes Wunder bei der Hochzeit von Kana ursprünglich nicht vollbringen wollte, mit der Begründung: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ (Johannes 2,4).
Doch dann gab er dem Bitten seiner Mutter nach und verwandelte Wasser in Wein, um das Brautpaar vor einer gesellschaftlichen Blamage zu bewahren.
Eigenverantwortlich handeln – mit Gott an deiner Seite
Ich selbst spreche daher nicht gerne von „Gottes Plan“, sondern lieber von „Gottes Gedanken“ über unser Leben, so wie es in Jeremia 29,11 formuliert ist: „Denn ich weiß wohl, welche Gedanken ich über euch habe, Gedanken des Friedens und nicht des Leids.“
Selbstermächtigung im biblischen Sinne bedeutet für mich, ein Leben zu führen, das Gottes Prinzipien entspricht. Das heißt nicht, Gott aus dem Entscheidungsprozess auszuklammern, sondern mit ihm gemeinsam aktiv zu werden.
Auf ein lautes ,Ja‘ vom Himmel zu warten ist allein keine Lösung. Manchmal ist Handeln der nächste Schritt des Vertrauens.
In 2. Petrus 1,3 steht dazu: „Alles, was wir zum Leben und zur Frömmigkeit brauchen, hat uns seine göttliche Macht geschenkt.“
Der Nachteil eigener Entscheidungen ist: Wenn sie sich als unbequem erweisen, habe ich niemanden mehr, den ich dafür anklagen kann: „Aber Gott wollte das doch so…“
Von einem Motivationscoach habe ich vor einigen Jahren folgenden Satz mitgenommen: „Hör auf zu jammern und übernimm Verantwortung für dein Leben.“ Und ich könnte mir vorstellen, dass Gott uns diesen Satz auch gerne ab und zu zuflüstert – wenn wir denn genau hinhören.
Entscheide dich, aktiv zu werden
Wie kann diese Selbstermächtigung konkret aussehen? Für mich beginnt sie mit einer inneren Entscheidung: Ich darf handeln. Ich darf Verantwortung übernehmen – nicht irgendwann, sondern jetzt.
Doch das geht nur, wenn ich es will. Wenn ich mir selbst die Erlaubnis gebe, loszugehen. Nicht, weil ich sicher bin, dass alles gelingt. Sondern weil ich mir zugestehe, es zu versuchen – und im Zweifel auch zu scheitern.
Selbstermächtigung heißt: Ich übernehme Verantwortung – für meine Gedanken, meine Gefühle und mein Handeln. Ich treffe Entscheidungen, die mir entsprechen, statt nur zu funktionieren.
Vielleicht hast du das Gefühl, in einem Korsett aus Traditionen oder Erwartungen zu leben. Dann schau bewusst hin: Was davon ist gut – und was nicht mehr? Welchen Einfluss sollen diese Dinge künftig auf dein Leben haben?
Blicke auf deine Erfolge zurück
Wenn du dir nicht sicher bist, wo du anfangen sollst, blicke zunächst zurück: Wo hast du in der Vergangenheit mutig gehandelt? Was hat dir damals geholfen? Und was sagen andere über deine Stärken?
Vielleicht bist du so geprägt, dass du dich nicht mit eigenen Erfolgen brüstest. Doch der Grat zwischen falschem Stolz und ehrlicher Anerkennung von Leistung ist breit.
Falls dir dazu wenig einfällt, lass dich von Menschen inspirieren, die dir in bestimmten Lebensbereichen ein Vorbild sein können: Das können historische Personen sein, deren Biografie dich beeindruckt. Oder Menschen aus deinem Umfeld, die dich mit ihrer Tatkraft inspirieren.
Selbstermächtigung könnte bedeuten, dich ehrenamtlich zu engagieren – obwohl du glaubst, dafür nicht qualifiziert genug zu sein. Oder im Job nicht länger nur zu grübeln, was sich ändern müsste, sondern selbst einen ersten Vorschlag einzubringen. Es kann auch heißen, endlich ein klärendes Gespräch mit einer bestimmten Person zu führen, das du schon lange vor dir herschiebst.
Wage den ersten Schritt
Loszugehen bedeutet nicht, über jeden Zweifel erhaben zu sein oder den perfekten Plan zu haben.
Es geht darum, nicht länger nur Zuschauer im eigenen Leben zu sein. Selbstermächtigung bedeutet, die ersten Schritte zu wagen – in dem Vertrauen, dass Gott mitgeht.
Und dass er auch dann mitgeht, wenn wir noch nicht genau wissen, wohin der Weg führt. Denke an den Bibelvers aus dem Buch Josua: „Sei mutig und entschlossen! Lass dich nicht einschüchtern und hab keine Angst! Denn ich, der HERR, dein Gott, stehe dir bei, wohin du auch gehst“ (Josua 1,8 HFA).
Vielleicht reicht es für heute, eine kleine Sache zu entscheiden. Etwas zu wagen. Etwas zu machen. Denn: Macht kommt von Machen. Und wer macht, verändert – sich selbst und manchmal auch die Welt.
Also: Was wirst du heute machen?
Ihr Kommentar
Kommentare (2)
Dieser Artikel ist zufällig sehr zutreffend für mich. Der Begriff der Sozialwissenschaftler bereitet mir allerdings etwas Bauchschmerzen. Ich habe schon einige Menschen aus diesem Arbeitsbereich … mehrkennengelernt und mir viel immer wieder auf, wie manipulativ, unehrlich und übergriffig diese Menschen waren. Wahrheiten werden verdreht, es wird viel um den heißen Brei geredet... Komplexe und konkrete Dinge haben bei dieser Gattung Mensch allerdings schnell zur Überforderung geführt. Damit hatten sie große Probleme. Ich meine damit natürlich nicht jeden einzelnen Sozialwissenschaftler. Es gibt sicherlich auch eine handvoll guter Sozialwissenschaftler. Allerdings habe ich leider oftmals schlechte Erfahrungen mit Menschen aus diesem Umfeld gemacht.
Ein sehr guter und hilfreicher Artikel, Frau Folger! Vielen Dank!
Ich habe erst kürzlich folgenden Satz gelesen, den ich ergänzend zitieren möchte: "Wir können uns selbst und unser ganzes Leben … mehrlähmen, wenn wir uns in einem Dickicht an Fragen und Hinterfragen, Sorgen, Zweifeln und Einwänden verlieren." Leider ist "einfach machen" aber oft gar nicht so einfach, oft hindert versteckte Angst vor mutigen Schritten.