Kinder zu schützen und zu stärken ist eine der wichtigsten Aufgaben von Eltern und Erziehungsberechtigten. Kinder müssen ganz praktisch in ihrem Alltag erfahren, dass sie gesehen und mit ihren Bedürfnissen ernst genommen werden. Der Weltkindertag erinnert jedes Jahr am 20. September daran.
Die Kleinen im stressigen Familienalltag nicht zu übergehen, ist jedoch nicht immer leicht. Wie kann es trotzdem gelingen, deine Kinder im Alltag zu stärken? Hier kommen drei praxisnahe Tipps.
1. Gönne deinem Kind „Me-Time“
Nicht nur wir Erwachsenen haben in der Regel einen durchgetakteten Terminkalender. Auch der Alltag unserer Kinder ist oft bis zur letzten Minute terminiert: Nach einem langen Kita- oder Schultag stehen am Nachmittag noch Turnen, Tanzen, Schwimmen, Musikunterricht oder die Kinderstunde in der Gemeinde an. Und am Wochenende sind Ausflüge und Besuche geplant oder es müssen Einkäufe erledigt werden. In der Summe ziemlich viel Programm.
Wir verplanen die Kinder jedoch nur in bester Absicht: Wir haben das Gefühl, ihnen viel zu ermöglichen und sie optimal zu fördern. Durch den Freizeitstress verhindern wir jedoch auch vieles.
Denn genau wie wir – und noch viel mehr – brauchen Kinder „Me-Time“. Frei verfügbare, nicht verplante Zeit, um einfach nur Kind zu sein. Um selbstvergessen im Spiel zu versinken, zum Malen, Basteln, Puzzeln, Buden bauen und Herumstrolchen im Garten.
Solche Zeiten zum freien Spielen sind enorm wichtig für Kinder, weil es ihre Kreativität und Selbstentfaltung fördert. In einer kinderfreundlichen Umgebung ohne Vorgaben von Erwachsenen (und ohne Bildschirme!) werden Kinder erfinderisch und finden schnell heraus, was ihnen Spaß macht. Sie lernen, sich selbst zu beschäftigen, und können außerdem ihren Gedanken nachhängen und die Ereignisse des Tages verarbeiten.
Beim freien Spielen machen Kinder ihre ganz eigenen Erfahrungen, das stärkt ihr Selbstvertrauen und führt zu mehr Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit meint: Auch schwierige Momente und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Daher ist Selbstwirksamkeit eine wichtige Voraussetzung, damit Kinder auch im Erwachsenenalter eine gewisse Stressresistenz besitzen.
Dieses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten muss erlernt werden. Und das geht am besten übers Spielen, raten Experten. Übers Spielen werden auch zahlreiche Fähigkeiten erlernt, die in der Schule notwendig sind, wie beispielsweise Frustrationstoleranz, Planungsgeschick, Kommunikationsregeln und so weiter.
Das freie Spiel ist die beste Art der Frühförderung und der beste Entwicklungsmotor für das Aufwachsen eines Kindes, betonen Erziehungsratgeber.
Anregungen und Tipps, wie du deine Kinder zum freien Spielen ermutigen kannst, findest du zum Beispiel hier.
Doch wer kennt es nicht: Der Terminkalender füllt sich scheinbar wie von selbst. Daher plane für dein Kind bewusst mehrmals pro Woche solche freien Zeiten ein! Zögere nicht, in einer vollen Woche optionale Termine abzusagen und überlege einmal gemeinsam mit deinem Kind: Welche Freizeitangebote machen ihm wirklich Spaß – und welche sind vielleicht zu viel?
Das Schöne ist, ganz nebenbei entzerrt sich auch dein elterlicher Terminkalender und dein Stresslevel reduziert sich, wenn das Kind nicht mehr jeden Nachmittag durch die Stadt chauffiert werden muss.
2. Gib deinem Kind Freiräume, damit es wachsen kann
Kinder wollen sich selbst und ihre Fähigkeiten ausprobieren. Dabei dürfen sie auch Fehler machen, denn daraus lernen sie. Doch schnell neigen wir Erwachsenen dazu, Kindern Aufgaben abzunehmen oder sie gar nicht erst damit zu betrauen. Wir können es schließlich besser und vor allem dann, wenn wir es eilig haben, erledigen wir die Aufgabe lieber schnell selbst. Aber Kinder sollten immer wieder die Möglichkeit haben, Dinge selbst auszuprobieren.
Du könntest deinem Kind zum Beispiel eine Ecke im Beet überlassen, wo es selbstständig Blumen aussäen oder sein eigenes Gemüse ziehen kann. Wenn ihr keinen eigenen Garten habt, tut es auch ein extra Blumenkasten auf dem Balkon. Übertrage ihm auch hin und wieder verantwortungsvollere Aufgaben, wie zum Beispiel einen kleinen Einkauf zu machen, eine Stunde auf das jüngere Geschwisterkind aufzupassen oder die Muffins für das Kaffeetrinken am Sonntag zu backen.
Bemühe dich, geduldig zu sein und auch mal ein unperfektes Ergebnis stehen zu lassen. Selbst, wenn es mal gründlich schiefgeht und die Muffins (beinahe) für die Tonne sind und die Hälfte der Einkäufe fehlen oder falsch sind.
Wenn du mit seinen Fehlern und Misserfolgen gelassen umgehst, gibst du deinem Kind einen wichtigen Freiraum, sich zu entwickeln.
Indem du deinem Kind seinem Alter entsprechende Aufgaben überträgst, lernt es außerdem Verantwortung zu übernehmen. Und du gibst deinem Kind Gelegenheit, sich nützlich zu fühlen und zu spüren: Ich bin wichtig, auch ich kann meinen Teil beitragen.
Widerstehe dem Drang, deinem Kind alle Schwierigkeiten abzunehmen, sondern mute ihm auch mal die eine oder andere Herausforderung zu. Vermeide es, in jeder Situation direkt einzugreifen und lass dein Kind – so hart es klingt – auch mal scheitern.
Es ist wie beim Radfahren lernen: Du kannst nicht die ganze Zeit neben dem Rad herlaufen und das Kind im Gleichgewicht halten. Du musst irgendwann loslassen, damit ihr beide seht, ob es schon funktioniert. Damit gibst du deinem Kind Gelegenheit, eine Herausforderung selbst zu meistern. Wie großartig ist der Moment, in dem das Kind strahlend begreift: Ich fahre ganz allein Fahrrad! Stehe aber bereit, um ihm den Rücken zu stärken, wenn es Unterstützung braucht und greife natürlich ein, wenn es notwendig ist!
Wenn das Kind doch einmal stürzt und an seinem Vorhaben oder einer Aufgabe scheitert, tröste und ermutige es, es noch einmal zu probieren. Denn dein Vertrauen in seine Fähigkeiten stärkt sein Selbstbewusstsein. Damit signalisierst du deinem Kind: Ich glaube an dich und traue dir zu, dass du das schaffst!
Mit diesem Rückenwind kann es innere Sicherheit und Stärke gewinnen, um sich später im Erwachsenenalter den Herausforderungen des Lebens zu stellen und auch nach einer Niederlage wieder mutig aufzustehen.
3. Lass dein Kind eigene Entscheidungen treffen
Ähnlich wie bei den Aufgaben, neigen wir auch dazu, Kindern ihre Entscheidungen abzunehmen. Denn wir wissen natürlich, was gut und richtig für sie ist. Doch es kann leicht passieren, dass wir ihnen alles vorgeben und ihre eigenen Wünsche dabei ständig übergehen. Jedoch betonen Erziehungsexperten, dass Kinder lernen müssen, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und zu formulieren.
Und wir Erwachsenen müssen lernen, diese anzuhören und ernst zu nehmen. Daher gib deinem Kind immer wieder die Freiheit, Entscheidungen selbst zu treffen. Das bedeutet, ihm zuzutrauen, dass es selbst weiß, was es in einer bestimmten Situation braucht oder möchte.
Aber Achtung: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! Zu viel Entscheidungsfreiheit und Eigenverantwortung können Kinder leicht überfordern. Ein Fünfjähriger kann die Konsequenzen für seine Entscheidungen und Handlungen natürlich noch nicht in der Weise absehen, wie es ein zwölfjähriges Kind kann. Daher ist es die Verantwortung von Eltern und Erziehungsberechtigten, klare Rahmenbedingungen zu schaffen, entsprechend dem Alter und Persönlichkeitstyp der Kinder, innerhalb derer sie sich sicher bewegen können.
Ein praktisches Beispiel: Frage dein Kindergartenkind, was es heute anziehen möchte oder was es gerne zum Abendessen hätte. Damit es keinen Schokoaufstrich zum Abendbrot gibt und das Kind bei fünfzehn Grad nicht im T-Shirt und kurzen Hosen aus dem Haus geht, kannst du ihm zwei Optionen zur Auswahl anbieten. Belegte Brote oder lieber Rührei mit Gemüse? Den bunten Pullover mit der Latzhose oder das Ringelshirt mit einer Jeans?
Das Grundschulkind kann hingegen schon selbstständiger entscheiden. Es weiß, dass Schokoaufstrich in eurer Familie abends tabu ist, würde statt Brot aber lieber die Reste vom Mittagessen essen. Genauso kann es das Wetter draußen besser einschätzen und möchte statt dem bereitgelegten Wollkleid lieber die Strickjacke mit der Glitzerleggins anziehen.
Wie mit dem Alter des Kindes die Zahl der Optionen ansteigt, wachsen auch dessen Kompetenzen zur Entscheidungsfindung.
Wenn wir nicht bei allem einfach über die Köpfe der Kinder hinweg entscheiden, sondern sie immer wieder mit einbeziehen und ihnen Möglichkeiten und Optionen aufzeigen, aus denen sie frei wählen können, spüren Kinder: Ich werde wahrgenommen, mit meinen Wünschen und Bedürfnissen ernstgenommen und ich habe Einfluss auf mein eigenes Leben. Und das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer selbstbewussten, mündigen Persönlichkeit.
Vermeintlich kleine Schritte mit großer Wirkung
Du kannst deine Kinder im Alltag stärken: Schenke ihnen Zeit für sich selbst! Gib ihnen die Möglichkeit, sich selbst und ihre Fähigkeiten auszuprobieren! Und lass sie eigene Entscheidungen treffen! Damit legst du wichtige Grundsteine, damit sie sich zu verantwortungsbewussten und selbstsicheren Menschen entfalten können.
„Mit dir, mein Gott, kann ich über Mauern springen“ (Psalm 18,30b) – eine wunderbare, plastische Zusage, die deine Kinder in ihrem Alltag ermutigen kann. Aber auch dich. Sei gewiss: Mit Gott hast du einen starken Partner an deiner Seite, der dir hilft, die Hürden der Erziehung deiner Kinder zu meistern und sie in ein selbstständiges Leben zu begleiten.
Wie sind deine Erfahrungen mit diesem Thema? Schreibe es uns gerne in die Kommentare.
Ihr Kommentar