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© Amy Hirschi / unsplash.com

03.11.2022 / Serviceartikel / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Katrin Faludi

Taktisches Lob

Warum Sie lieber im Rückwärtsgang loben sollten.

Als Schülerin machte ich einen Vorbereitungslehrgang für mein Austauschjahr in den USA. Dabei gab es eine komplette Unterrichtseinheit zum Thema „Loben und Komplimente“. Das fand ich merkwürdig. Für den Amerikaner, der das Thema hielt, war das jedoch essenziell. Loben und Komplimente gehören unbedingt zum amerikanischen Alltag dazu, erklärte er.

Was dann kam, war für uns Jugendliche ausgesprochen peinlich. Wir wurden durch den Raum geschickt und mussten uns gegenseitig Komplimente machen. Es gab eine Menge Herumdrucksen („Äh … du hast ein … äh … schönes Hemd an.“). Wir waren darin einfach nicht geübt. In der deutschen Kultur werden Komplimente und Lob nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern eher mühevoll aus der Tube gedrückt.

Das muss man nicht bewerten. Ich schätze zwar die sprichwörtlich schwäbische Variante („Ned gschimpfd isch gnug globd“) nicht, aber Gießkannen-Lob hat für mich im Gegenzug etwas Oberflächliches. Nett, muss man aber nicht weiter ernstnehmen. Dann mag ich so ein Lob aus der Tube lieber, zumindest, wenn es danach auch gründlich eingerieben wird.

Haben Sie sich schon mal über das Loben Gedanken gemacht?

Viele Jahre nach diesem Seminar und dem Auslandsaufenthalt brachte mich ein Vorgesetzter wieder auf das Thema – und zwar, indem er mich lobte. Irgendetwas an diesem Lob ließ mich stutzen und ich hatte Schwierigkeiten, es anzunehmen. Nicht, weil ich nicht der Meinung gewesen wäre, gute Arbeit geleistet zu haben, sondern weil in diesem Lob etwas mitschwang: Ich erwarte noch mehr Leistung von dir! Das kitzelte meine Antennen. Bei diesem Lob ging es nicht um die bereits erreichte Sache. Es ging um zu Erreichendes. Darum, noch mehr aus mir aus mir herauszupressen.

Ich nenne solch spezielles Lob inzwischen „taktisches“ oder auch „strategisches“ Lob. Es ist zielorientiert. Im Gegensatz zur Motivation wird die Erwartung jedoch nicht offen geäußert, sondern weich verpackt, damit sie unterschwellig ihre Wirkung entfaltet. Solch zweckgebundenes Lob ist Manipulation. Die finden Sie in der Arbeitswelt, aber auch in Gemeinden wieder.

Aber ist nicht jedes Lob Manipulation?

Nein. Echtes Lob fährt im Rückwärtsgang, statt vorwärtszupreschen. Es würdigt den Menschen und das Geleistete, statt noch mehr Leistung von ihm abschöpfen zu wollen.

Es gibt eine kurze Geschichte aus der Bibel, die eindrücklich zeigt, wie ein Lob nicht nur echt ist, sondern zugleich motiviert. Diese Geschichte erzählt Jesus im Matthäusevangelium (Matthäus 25,14 ff.). Sie handelt von einem reichen Mann, der auf Reisen gehen will. Während seiner Abwesenheit vertraut er seinen drei Dienern sein Vermögen an und fordert sie auf, das Geld zu vermehren. Als er zurückkehrt, haben zwei der drei Diener ihren Auftrag erfüllt und das Geld verdoppelt. Zu jedem dieser beiden sagt der Mann:

Gut gemacht, mein guter und treuer Diener. Du bist mit diesem kleinen Betrag zuverlässig umgegangen, deshalb will ich dir größere Verantwortung übertragen. 
Matthäus 25,21

Was tut der Mann genau?

1. Nachdem die Diener ihre Aufgabe erfüllt haben, lobt er sie für ihre guten Eigenschaften.

2. Nachdem die Diener ihre Aufgabe erfüllt haben, lobt er sie für das Geleistete.

3. Erst nachdem das Zurückliegende gewürdigt wurde, nimmt der Mann die Zukunftsperspektive auf. Die Übertragung größerer Verantwortung ist nicht die Karotte, die er den Eseln vor die Nase hält, damit sie ihr nachlaufen, sondern die Belohnung, die sie sich für ihre Arbeit verdient haben.

Echtes Lob schaut also zurück und würdigt das Geleistete.

Daran kann dann die Motivation geknüpft werden („Deshalb will ich dir größere Verantwortung übertragen.“). Taktisches Lob hingegen bezieht sich nur auf die Erwartung: Ich lobe dich, weil ich eine Leistung von dir erwarte! In diesem Fall hätte der Mann aus der Geschichte bereits bei seiner Abreise gesagt: „Ihr seid doch tüchtige Leute, ihr werdet das bestimmt ganz großartig machen, und dann habe ich noch viel mit euch vor!“ Das tut er aber nicht. Er lobt erst, als sich die Mitarbeiter das auch wirklich verdient haben, statt Vorschusslorbeeren zu verteilen, die einer der drei gar nicht verdient, sondern am Ende enttäuscht.

Wenn Ihr Vorgesetzter oder ein leitendes Gemeindemitglied Sie das nächste Mal lobt, hören Sie genau hin. Schwingt darin eine Erwartung mit? Dann wissen Sie, woran Sie sind. Und sind Sie selbst in der Position, Menschen zu mehr Leistung anzuspornen, dann seien Sie offen und nicht manipulativ. Denn wer die Gefühle seiner Mitarbeiter auf solche Weise nutzt, nimmt sie als Menschen nicht für voll.

Es ist sicher legitim, schwierige Gesprächssituationen mit einem Lob zunächst aufzulockern. Lob ist ein soziales Schmiermittel, das Beziehungen geschmeidig hält. Umso wichtiger ist es aber auch hier, im Rückwärtsgang zu loben, damit die Beziehung nicht in eine ungewollte Schieflage gerät.

Deshalb halte ich es mit dem Loben lieber wie der Mann aus dem Gleichnis von Jesus: Abwarten und loben, wenn es verdient wurde. Aber dann: kräftig einreiben!

 Katrin Faludi

Katrin Faludi

  |  Redakteurin

Katrin Faludi hat Medienwissenschaft und Amerikanistik studiert. Hauptberuflich arbeitet sie seit vielen Jahren als Radioredakteurin, nebenberuflich ist sie Buchautorin. Zu ihren Themen gehören Lebenshilfe und seelische Gesundheit, denen sie mit einer Prise Humor sehr gerne die Schwere nimmt. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und mag alles, was mit Sprache(n) zu tun hat.

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Kommentare (1)

Udo /

„Abwarten und loben, wenn es verdient wurde“?? Sehe ich etwas anders. Abwartendes Lob führt schnell dazu, dass ich „die Latte immer höher hänge“. Das Lob in der Tube wird immer zäher. Wenn jemand mehr

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