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© Cathal Mac an Bheatha / unsplash.com

04.08.2025 / Andacht / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Katrin Faludi

Meine Eltern ehren? Bloß nicht!

Wie halte ich das vierte Gebot ein, wenn das Verhältnis zu meinen Eltern schwierig ist? Eine Andacht.

Die meisten der Zehn Gebote leuchten mir sofort ein: Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch gegen einen anderen aussagen – das versteht sich von selbst. Doch es gibt in dieser Reihe auch Gebote, die manche Menschen in echte Gewissensnöte bringen. Zum Beispiel dieses hier:

„Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. Dann wirst du lange in dem Land leben, das dir der HERR, dein Gott, gibt“ (2. Mose 20,12).

Für Menschen, die in liebevollen Elternhäusern aufgewachsen sind und dort viel Gutes erfahren haben, erscheint auch dieses Gebot ganz leicht und selbstverständlich. Doch was ist mit all den anderen, die – oft aus guten Gründen – kein inniges Verhältnis zu ihren Eltern pflegen? Die mit den Folgen von Verletzungen, Enttäuschungen oder gar Gewalt durch ihre Eltern kämpfen? Für sie klingt die Aufforderung, Vater und Mutter zu ehren, wie blanker Hohn. Soll man sich bei den Eltern am Ende etwa noch für ihr Fehlverhalten bedanken? Verlangt Gott das wirklich?

Auch ich habe mir diese Frage lange gestellt und spürte stets einen gewissen Trotz, wenn ich auf dieses bekannte Gebot stieß. Ich hatte große Wut auf einen Elternteil, der sich mir gegenüber oft rücksichtslos und respektlos verhalten hatte. Dafür gebührt ihm doch keine Ehre! Zugleich hatte ich ein schlechtes Gewissen gegenüber Gott, denn offenbar ist es ihm wichtig, dass wir unsere Eltern ehren. Sonst wäre dieses Gebot wohl kaum eines der zehn bekanntesten.

Was bedeutet „ehren“ überhaupt?

Mein Denkfehler bestand darin, „ehren“ mit „gutheißen“ gleichzusetzen. Doch jemanden zu ehren bedeutet, den Menschen als Geschöpf Gottes zu begreifen – unabhängig von seinen Taten. Ich glaube, darin liegt der eigentliche Kern dieses Gebots: Wenn wir unsere Eltern ehren – ganz gleich, ob wir gut oder schlecht mit ihnen auskommen – erkennen wir sie als geliebte Geschöpfe Gottes an, genau wie wir selbst es sind.

Ich glaube, darin liegt der eigentliche Kern dieses Gebots: Wenn wir unsere Eltern ehren, erkennen wir sie als geliebte Geschöpfe Gottes an.

Gott als Schöpfer gebührt alle Ehre. Seinen Geschöpfen gilt sie ebenfalls – weil sie seine Werke sind. Einem Menschen Ehre zu erweisen bedeutet indirekt also auch, Gott zu ehren. 

Eltern sind ein Spiegelbild Gottes

Dieses Gebot macht deutlich, wie wichtig Gott das Konzept „Familie“ ist. Sie bildet das Fundament der menschlichen Gemeinschaft. Eltern sind dafür verantwortlich, das Überleben, das Wachstum und die Beziehungsfähigkeit ihrer Kinder zu sichern. Nichts anderes tut Gott als Schöpfer für uns, seine Kinder. Eltern sind im übertragenen Sinne so etwas wie ein Spiegelbild Gottes. Jesus greift diesen Gedanken in der Bibel auf: 

„So schlecht ihr auch seid, ihr wisst doch, was euren Kindern guttut, und gebt es ihnen. Wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn darum bitten“ (Matthäus 7,11).

Nur Gott ist perfekt. Kein Mensch kann diesem Standard gerecht werden, wie Jesus es in dem Vers sehr unverblümt beschreibt. Jeder Mensch macht Fehler – unsere Eltern und auch wir selbst. Wer sich seiner Verantwortung als Elternteil bewusst ist und versucht, dieser gerecht zu werden, verdient dafür bereits Ehre – unabhängig vom Ergebnis.

Was „ehren“ nicht bedeutet

„Ehren“ bedeutet im biblischen Sinn, gehorsam und dankbar zu sein und im Bedarfsfall Unterstützung zu leisten. Dabei ist kein blinder Gehorsam gemeint: Verhalten sich Eltern entgegen Gottes Willen, sind weder Gehorsam noch Dankbarkeit angebracht! 

Wer seine Eltern ehrt, muss nicht alles gutheißen oder sich alles gefallen lassen. 

Grenzen zu ziehen ist erlaubt – und notwendig, um die eigene Würde zu schützen. Denn nur, wer sich seiner eigenen Würde bewusst ist, kann anderen überhaupt Ehre erweisen. Manchmal braucht es dazu den liebevollen Kontakt mit Gott, der unsere (von den Eltern) verletzte Würde wiederherstellt. 

Mir hilft die Vorstellung, dass ich letztlich Gott die Ehre gebe, wenn ich mich meinen Eltern gegenüber respektvoll und würdevoll verhalte. Wenn ich sie zuerst als Geschöpfe Gottes betrachte, kann ich den Menschen leichter von seinen Taten trennen. 

Ich muss nicht gutheißen, was ein anderer getan hat oder noch tut. Ich muss Respektlosigkeit und Fehlverhalten nicht schlucken. Stattdessen darf ich mir meines eigenen Wertes und meiner Würde bewusst sein – und diese auch gegenüber einem schwierigen Elternteil ausstrahlen. 

Mir hilft es außerdem, anzuerkennen, dass auch ein schwieriger Elternteil – bei aller Schuld – manches Gute getan hat, etwa durch Treue oder Pflichtgefühl. Meist war nicht alles schlecht. Wobei betont werden muss: Es gibt Eltern, die ihren Kindern Schlimmes antun, und in solchen Fällen kann zum Selbstschutz ein Kontaktabbruch notwendig sein.

Vergeben und befreien

Ein schwieriges Verhältnis zu den eigenen Eltern steht nicht im Widerspruch zum Gebot, sie zu ehren. Vielleicht ist es sogar eine Einladung, sich gerade dann damit auseinanderzusetzen. Die Verarbeitung eigener Verletzungen muss nicht im Groll stecken bleiben: Sie kann in Vergebung münden. 

Wo Eltern versagt haben, kann Gott immer noch Heilung schenken. 

Vergebung dient dabei nicht nur dem anderen, sondern in erster Linie uns selbst. Seit ich lerne, dem schwierigen Elternteil zu vergeben – ohne zu beschönigen oder zu verdrängen – fällt mir auch das Ehren leichter. 

Fordert dich dieses Gebot ebenfalls heraus? Vielleicht hilft dir der Gedanke, mit deiner verletzten Würde zu Gott zu gehen und sie von ihm, dem Vorbild aller Eltern, wiederherstellen zu lassen. Er kennt deine Geschichte, versteht deinen Schmerz und verurteilt dich nicht für deine Schwierigkeiten. Du darfst dich ihm anvertrauen. Lass dich in belasteten Beziehungen von ihm begleiten – damit du befreit und in Würde leben kannst.

Autor/-in

Katrin Faludi

  |  Redakteurin

Katrin Faludi hat Medienwissenschaft und Amerikanistik studiert. Hauptberuflich arbeitet sie seit vielen Jahren als Radioredakteurin, nebenberuflich ist sie Buchautorin. Zu ihren Themen gehören Lebenshilfe und seelische Gesundheit, denen sie mit einer Prise Humor sehr gerne die Schwere nimmt. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und mag alles, was mit Sprache(n) zu tun hat.

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