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© Jeanie de Klerk / unsplash.com

15.10.2018 / Andacht / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Michael vom Ende

Wohin geht die Liebe, wenn sie geht?

Eine ungewöhnliche Frage braucht eine ungewöhnliche Antwort.

Kürzlich nahm ich an einer Trauerfeier teil, bei der für mich drei Dinge erstmalig in meinem Leben waren: Die Veranstaltung fand zum einen nicht in der Friedhofskappelle oder in einer Kirche statt, sondern im Beerdigungsinstitut. Zum anderen fiel in der gesamten Feier nicht einmal das Wort „Gott“, kein Bibelvers wurde zitiert. Zuletzt endete die Feier mit tiefen und wohlformulierten Gedanken und Bitte an die „Mächte der Hoffnung und des Trostes“. Wie ein Gebet – nur ohne Gott. Wir haben in dieser Trauerfeier Udo Jürgens zugehört, vom Band selbstverständlich. Er hat uns singend gefragt – und ich gebe die Frage weiter: „Wohin geht die Liebe, wenn sie geht?“ Eine gute Frage. Haben sie schon einmal drüber nachgedacht?

„Wohin geht die Liebe, wenn sie geht?“

Wir kennen es alle, dass immer wieder Liebe verschwindet. Und immer schmerzt es. Vorübergehend, wenn es Streit gibt. Andauernd, wenn sich in der Familie in der Ehe, in dicken Freundschaften das Miss- und Unverständnis, veränderte Gefühle oder Enttäuschungen zwischen Menschen schieben. Und für immer, wenn ein geliebter Mensch stirbt. „Wohin geht die Liebe, wenn sie geht?“

Die erste Antwort gibt Udo Jürgens sofort nach dieser Auftaktfrage.

Sie wird zu Blüten an den Bäumen,
wird zu Licht in dunklen Räumen.
Lässt uns lächeln, wenn wir träumen.
Dahin geht die Liebe, wenn sie geht.

 

Blüten an den Bäumen, Licht in dunklen Räumen, schöne Träume, die uns bleiben. Das sind wunderschöne Bilder. Was aber, wenn die Blüten fallen, das Licht erlischt, die Träume wehtun?

Deswegen beendet Udo Jürgens mit einer zweiten Antwort das Lied so:

Wohin geht die Liebe, wenn sie geht?
Sie ist nie ganz und gar verschwunden.
Langsam heilt die Zeit die Wunden,
denn Du hast herausgefunden,
dass für dich die Liebe neu entsteht.

 

Die Liebe geht nie ganz. Das ist so überraschend wie richtig. Die Liebe geht nie ganz. Ja, es stimmt, wenn wir an Situationen denken, in denen die Liebe gegangen ist – vorübergehend, andauernd oder für immer. Denn etwas ist geblieben, etwas bleibt: Erinnerungen, Gefühle, Träume und Schmerzen. Bestandteile dessen, was zur Liebe gehört. All das war zu sehen, zu hören, zu fühlen bei der Trauerfeier, von der ich berichtet habe.

Die Liebe kommt – und bleibt

Das alles stimmt. Ist richtig. Mehr können wir Menschen uns nicht geben. Am Ende liegt alles in der Hand von Mächten, auf die wir hoffen, die wir aber auch fürchten. Oft nennen wir es „das Schicksal“.

Und was sagen Christinnen und Christen mit ihrem Glauben dazu? Dies alles achtet der christliche Glaube nicht klein, sondern nimmt es ernst. Sie trauern und leiden auch. Sie erleben auch, dass die Liebe niemals ganz geht. Sie kennen auch die Sprachlosigkeit und das bohrende „Warum“. Aber sie haben „eine Adresse“ für all das: Gott! Er will unsere menschlichen Erfahrungen, alle Bruchstücke, unsere Träume und Schmerzen und das Fragen nach dem „Warum“ einbetten in ein größeres Ganzes:

Gott kommt zu uns – Gott ist die Liebe – Gott bleibt bei uns. Mit diesem Dreiklang wird die große und großartige Dimension unserer menschlichen Liebe, den tiefen Gefühlen und dem Wunder und der Verletzbarkeit unserer zwischenmenschlichen Beziehungen eingebunden in eine andere Dimension. Und eben das gibt allem einen Sinn. Es klingt philosophisch, was in der Bibel steht:

Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. (1. Johannes 4,16).

Es ist aber zutiefst echt, wirklich, greifbar.
 

Michael vom Ende
Generalsekretär von „Christen in der Wirtschaft“ (www.ciw.de)

Ihr Kommentar

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Kommentare (1)

Bernhard J. /

Ich finden diesen Text besonders gut, weil vieles davon erlebbar war; er könnte gut weiter empfohlen, oder weiter gegeben werden

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