
26.03.2019 / Interview / Lesezeit: ~ 4 min
Autor/-in: Regina KönigWo Feindbilder geschürt werden, beginnt Populismus
Regina König über einen Vortrag von Liane Bednarz, über Angstprediger und rechte Christen.
Die Frage, welchen Einfluss rechtes Gedankengut auf die Christen in Deutschland hat, und welche Christen sogar Teil der rechten Szene sind, spielt in der medialen Berichterstattung der letzen Zeit immer wieder eine Rolle. Die Journalistin Liane Bednarz hat darüber im vorigen Jahr ein Buch geschrieben: „Die Angstprediger, wie rechte Christen die Gesellschaft unterwandern“. Mit diesem Buch ist sie aktuell auch auf Vortragsreise. In der vergangenen Woche hat Bednarz auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung und der Evangelische Kirche in Gera einen Vortrag auf Grundlage ihres Buches gehalten. ERF Reporterin Regina König hat den Vortrag besucht. ERF Medien hat mit ihr über ihre Eindrücke gesprochen.
ERF: Regina, wie bist du aufmerksam geworden auf diesen Termin?
Regina König: In diesem Fall nicht über Pressedienste oder Presseverteiler, sondern ein ERF-Hörer aus Gotha hat mich darauf aufmerksam gemacht. Dieser Hörer, ein ehemaliger SPD-Landtagsabgeordneter aus Thüringen, war schockiert über den Aufmacher zum Vortrag. Auf den Flyern war zu lesen, dass rechte Christen seit Jahren auf dem Vormarsch sind und mehr und mehr Einfluss gewinnen. Da habe ich mir gedacht: das höre ich mir persönlich an und will Liane Bednarz kennen lernen.
ERF: Christen, die sich selbst als konservativ bezeichnen, werden bei einem solchen Thema hellhörig. Der Eindruck drängt sich auf: jetzt sollen bibeltreue Christen sozusagen „in die Pfanne gehauen werden“. War das so?
Regina König: Der Titel klingt aggressiver als der Inhalt letztendlich rüberkommt. Mein Eindruck ist: die Publizistin Liane Bednarz blickt recht sachlich auf die Szene und hat versucht, stark zu differenzieren. Was sehr wichtig ist: sie zieht eine Trennlinie zwischen konservativen Christen und den sogenannten „rechten Christen“. Sie selbst bezeichnet sich als konservative Christin, und ich glaube, das macht den Unterschied: anders als andere Journalisten, die das „fromme Milieu“ überhaupt nicht kennen und nur auf der Suche nach einer packenden Story Kontakt aufnehmen mit Christen, kennt Liane Bednarz Gemeinden aus eigenem Erleben. So hat sie mir z.B. im persönlichen Gespräch erzählt, dass sie selbst als junge Frau ein halbes Jahr lang unterwegs gewesen ist mit „Jugend mit einer Mission“ auf Hawaii. Sie wirft also nicht alle Frommen in einen Topf! Macht aber deutlich, dass es Christen gibt, die solchen Männern nachlaufen wie dem Verleger Götz Kubitschek, einem der wichtigsten Intellektuellen in der neuen rechten Bewegung. Er vertritt z.B. den „Ethnopluralismus“, will heißen: die Völker sollen nebeneinander existieren, sich aber nicht vermischen.
ERF: Wie erklärt Liane Bednarz denn, dass konservative Christen offenbar anfällig sind für rechtspopulistisches Gedankengut?
Regina König: Die „Neue Rechte“ selbst gibt sich in Deutschland christlich, Jörg Kubitschek z.B. spricht offen über seinen katholischen Glauben. Und bei den Themen Lebensschutz, Gendermainstreaming oder Migration fühlen sich manche Christen in diesem Milieu besser verstanden mit ihrer eigenen Überzeugungen, weil sie enttäuscht sind von der aktuellen Politik in diesen Punkten. Aber sie hat betont: die Mehrheit der konservativen Christen lehnt den Rechtspopulismus ab!
ERF: Mitorganisiert hat den Vortrag u.a. die Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahe steht; wie würdest du die Referentin denn demnach einordnen?
Regina König: Sie hat ihr eigenes Profil! Mehrfach hat sie sich hinter die Politik der Bundeskanzlerin gestellt. Außerdem setzt sie sich selbst ein z.B. für den Schutz des ungeborenen Lebens und wünscht sich mehr Medienberichte über caritative Lebensschutzorganisationen. Sie lehnt außerdem das gemeinsame Gebet zwischen Muslimen, Christen und anderen Religionen ab. Sympathisch fand ich es, dass sie selbst als Frau die Gendersprache nicht benutzt, weil ihr das zu albern ist.
ERF: Was ist dein persönliches Résumé dieses Abends?
Regina König: Es hat sich gelohnt, hinzufahren. Zum einen war es interessant zu sehen, wie groß das Publikumsinteresse war: der Saal musste noch erweitert werden, etwa 100 Leute wollten den Vortrag hören. Und zum anderen denke ich: wir als konservative Christen müssen uns tatsächlich hinterfragen, wem wir vertrauen und wem wir nachlaufen. Skeptisch bin ich, ob sie mit ihrer Einstellung zu Gendermainstreaming recht hat: sie ist überzeugt, dass das alles nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird, also dass die radikalen Kräfte, die tatsächlich eine Nivellierung der Geschlechterrollen vorantreiben wollen, in Deutschland nur in der Minderheit sind.
ERF: Schürt sie in ihrem Vortrag nicht selbst Angst, indem sie vor Angstpredigern warnt?
Regina König: In gewisser Weise kann man ihr das vorwerfen, aber Aufklärung tut ja auch not. Allerdings: Rundumschläge helfen auch nicht weiter und mindern eher die Qualität eines Vortrags. Das mache ich an einem Beispiel fest: so rückt sie den ehemaligen Leiter der evangelischen Nachrichtenagentur idea, Helmut Matthies, in die Nähe von rechten Angstpredigern, weil er die Pegida-Kritiker kritisiert. Das ist dann doch am Ziel vorbei. Schlussendlich finde ich aber, dass sie mit ihrer Diagnose recht hat: die Trennlinie zwischen konservativen und rechten Christen verläuft dort, wo Menschen, die anders leben oder denken, verächtlich gemacht werden. Da, wo Feindbilder geschürt werden, beginnt der Rechtspopulismus.
Ihr Kommentar
Kommentare (5)
Die Überschrift ist wahr "Wo Feindbilder geschürt werden, beginnt Populismus". Das ist aber in der linken Szene noch viele brutaler, dort werden Feindbilder geschürt, mit angsteinflößendem Hass, … mehrgegen Konservative, Bürgerliche, Christen. Auch bis zu Gewalt. Mit Unterwanderung in vielen Bereichen. Das ist der Links-Populismus, der auch noch richtig undemokratisch wird.
Zitat: "Da, wo Feindbilder geschürt werden, beginnt der Rechtspopulismus."
Die Bibel enthält, mit Verlaub gesagt, reichlich Feindbilder und ist, entsprechend dieser Definition, rechtspopulistisch. Wolltet Ihr das wirklich so zum Ausdruck bringen???
Der Begriff Populismus muss positiv besetzt werden, und er wird es auch. Ähnlich wie das ursprüngliche Negativ-Label "Made in Germany", das zum Gügesiegel wurde. Der Populist sieht sich in enger … mehrVerbindung mit dem Volk, dem Populus. So wie es die Grundzüge des Staatswesens und des Römischen Rechts abbildet, auf dessen Tradition sich die Anti-Populisten zu Unrecht bei jeder Gelegenheit berufen. Dieses Prinzip der Gemeinschaft ist heute noch veranschaulicht auf jedem Kanaldeckel der ewigen Stadt zu finden - SPQR - Senatus Populusque Romanus. Senat UND Volk von Rom. Und es findet sich immer noch im Stadtwappen vieler Deutscher Städte. Die Verachtung des Populus durch die aktuellen Eliten ist eher ein Zeichen eines Neo-Feudalismus und erinnert an die Verachtung des Populus durch frühere Vertreter Feudaler Herrschaftssysteme wie den Sonnenkönig.
Der Frage "wer schürt hier Feindbilder?" möchte ich mich anschließen. Zur "Diagnose" wie sie im oben zu lesenden Interview genannt wird: "die Trennlinie zwischen konservativen und rechten Christen … mehrverläuft dort, wo Menschen, die anders leben oder denken verächtlich gemacht werden" . Verächtlich gemacht werden doch seit geraumer Zeit Menschen, die konservative Ansichten und Werte vertreten, auch im Rahmen politischer Richtungen wie der AfD, so als gehöre das schon zum guten Ton. Wo kann man denn dieses Verächtlichmachen verorten, da ja der Ort "rechtspopulistisch" schon besetzt ist? Man sollte es schon auch benennen. Weshalb werden in Nachrichten, Kommentarsendungen etc. rechtskonservative Parteien ständig mit einem vorangestellten Adjektiv genannt, während das bei anderen nie der Fall ist? Soll der Nachrichtenkonsument da einer Art Gehirnwäsche unterzogen werden? Wer das verächtlich machen von Andersdenkenden hier als Trennlinie nennt sollte über das Diffamieren und Ausgrenzen Andersdenkender auf der anderen Seite nicht hinwegwegsehen.
Schon heute morgen beim Hören des Beitrages von der Veranstaltung in Gera habe ich geglaubt, den falschen Sender eingestellt zu haben. Im hier zu lesenden Interview klingt es wieder etwas … mehrdifferenzierter, aber was ich heute morgen direkt von Fr. Bednarz hören mußte, verschlug mir die Sprache. Da werden Götz Kubitschek und Gabriely Kuby in einem Atemzug genannt, da wurden "rechte" Christen, die die Kirche unterwandern oder die auf dem Vormarsch sind, ausgemacht. Zu einer Demokratie gehört Rechts und Links, kritisch wird es, wenn es -radikal oder -extrem wird. Alles andere muß eine Gesellschaft und auch die Kirche aushalten, so denn sie eine Volkskirche sein will (so nannte man das doch bisher).
Und das alles unter der Überschrift "Wo Feindbilder geschürt werden, beginnt Populismus". Ich frage mich, wer hier Feindbilder schürt.