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© H. Flad

16.09.2018 / Interview / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Sophie Steinfeld

„Jeder Christ hat die Aufgabe Rassismus zu widersprechen!“

Ein Interview mit Henning Flad, Projektleiter der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus

Die Vorfälle in Chemnitz gehen um die Welt. Am Rande des dortigen Stadtfestes kam es am 26. August 2018 zu einer Messerattacke, bei der ein 35-jähriger getötet und zwei weitere Beteiligte zum Teil schwer verletzt werden. Das Stadtfest endete vorzeitig, zwei Verdächtige wurden festgenommen und die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Totschlag. Neben der Trauer und dem Entsetzen, kam es auf Chemnitz Straßen zu Protesten und Ausschreitungen, vor allem durch rechte Gruppen. Eine herbe Diskussion über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland entbrennt. Die Frage steht im Raum: Was ist die Antwort der Christen darauf?

Eine Frage, die sich auch Henning Flad stellt. Er ist Politikwissenschaftler, Extremismus-Experte und Projektleiter der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R).

Diese ist ein 2009 gegründetes Projekt der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF). Es stellt ein Netzwerk verschiedener Initiativen, Organisationen und Arbeitsgruppen dar. Die BAG K+R setzt sich zum Ziel gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in-und außerhalb der Kirchen entgegenzutreten und ist der festen Überzeugung, dass Kirche einen Beitrag zur lebendigen Demokratie und zur Einhaltung der Menschenrechte leisten muss.

In diesem Interview teilt Henning Flad seine Einschätzungen zum Thema Kirche und Rassismus mit.
 

ERF: Herr Flad, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Deutschland bezogen auf Fremdenfeindlichkeit und Rassismus?

Henning Flad:  Aktuell wird nochmal sichtbarer, dass es eigentlich immer schon einen Teil der Bevölkerung gab, der rassistisch denkt und zum Teil das auch ausagiert. Was wir jetzt in Sachsen sehen ist der sichtbare Ausdruck von dem Aufstieg einer neuen rechten Bewegung in Deutschland, die verschiedene Komponenten hat. Dies sind  sowohl Bewegungen auf der Straße, wie vor allem am Anfang Pegida, als auch die AfD sowie auch eine ganze Reihe von Medien, die sich rechts positionieren. Alle drei haben – oft als Gemeinsamkeit eine gewisse Abgrenzung zur herkömmlichen extremen Rechten, wie die NPD. In Bezug auf Chemnitz muss ich dies relativieren, denn dort haben solche Akteure gemeinsam mit Neonazis agiert, zusammen mit vorher politisch nicht eingebundenen Bürgerinnen und Bürgern.

Jeder Christ hat zunächst die Aufgabe Rassismus zu widersprechen. – Henning Flad

ERF: Sie schreiben auf Ihrer Homepage „Kirche lebt und verkündigt die Verheißung von Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit“. Wo sehen Sie die Aufgabe  der Christen angesichts aktueller Vorfälle?

Henning Flad: Jede Christin und jeder Christ hat zunächst die Aufgabe Rassismus zu widersprechen. Rassismus ist mit dem christlichen Glauben unvereinbar und das muss auch zum Ausdruck gebracht werden. Allerdings in einer Form, die seriös bleibt und den Frieden fördert. Man kann sowohl in der Sache sehr klar sein als auch gleichzeitig in der Form höflich und verbindlich bleiben. Dies ist eine Frage der Haltung. Es geht nicht darum, bei einem „Wir sind die Guten. Das sind die Bösen“ Denken stehen zu bleiben, sondern darum, immer erst kritisch auf sich selbst zu schauen. Man ist eben nur Teil der Lösung, wenn man sich auch als Teil des Problems begreift. Das heißt,  jede Kritik an Rassismus und Antisemitismus beginnt damit, dass man sich mit seinen eigenen dunklen Seiten auch befasst – sowohl persönlich als auch in der Geschichte der Kirche.

Man ist eben nur Teil der Lösung, wenn man sich auch als Teil des Problems begreift. – Henning Flad

ERF: Gibt es ihrer Meinung nach auch in kirchlichen Kreisen Ressentiments gegen Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchtete?

Henning Flad: Zunächst einmal würde ich sagen, dass Rassismus in allen Teilen der Gesellschaft vorhanden ist, in manchen vielleicht ein bisschen mehr als in anderen. Es gibt im Moment eine etwas aufgeregte Diskussion darüber, dass diese Parole von Pegida von der „Rettung des christlichen Abendlandes“ auch bedeute, dass Rassismus in den Kirchen besonders stark ist. Dem kann ich so nicht zustimmen. Ich finde, wenn man sich die Arbeit der Kirchen für die letzten Jahre anschaut, dann hat die Unterstützung von geflüchteten Menschen viel mehr das Gemeindeleben ausgemacht, als irgendetwas anderes. Das heißt aber trotzdem nicht, dass es keinen Rassismus in Kirchen gibt. Es gibt ihn immer wieder mal, aber das tatsächliche kirchliche Leben ist in den letzten Jahren ganz stark von zum Teil bemerkenswerter Unterstützung von Geflüchteten geprägt gewesen.

ERF: Danke für das Gespräch.

 


Hier finden Sie aktuelle Termine der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus

 Sophie Steinfeld

Sophie Steinfeld

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Kommentare (1)

Jörg S. /

Umgekehrt gefragt: Gibt es in kirchlichen Kreisen Ressentiments gegenüber Menschen ohne Migrationshintergrund, die auf bestialische Art und Weise ermordet wurden? Ist es jetzt schon rassistisch, von mehr

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