Navigation überspringen
© Bernardo Ramonfaur / unsplash.com

09.08.2022 / Kommentar / Lesezeit: ~ 3 min

Autor/-in: Andreas Odrich

Profitgier statt Menschlichkeit

Warum ein Tag der Indigenen allein bei weitem nicht reicht.

 

Am 9. August ist Welttag der indigenen Völker. Die Vereinten Nationen wollen an diesem Tag daran erinnern, dass Menschen, die zu dieser Gruppe der Weltbevölkerung gehören, nicht selten benachteiligt und unterdrückt werden. So gut das Anliegen auch sein mag: allein schon in der Bezeichnung „indigen“ liegt ein Fehler, meint Andreas Odrich von der ERF Aktuell-Redaktion in seinem Kommentar.
 

Sie tragen Baströckchen und singen „Huga-Huga“. Mal werden sie als Naturvölker bezeichnet und mal auch als Eingeborene. Abschätzig und klischeehaft ist dieses Bild allemal – aber es hält sich hartnäckig, geprägt durch die permanente Wiederholung alter Hollywood-Schinken, durch Folkloreveranstaltungen für Touristen, oder auch, wenn man in einschlägigen Webportalen nach Abbildungen von sogenannten indigenen Menschen sucht. Wertschätzend ist dies alles nicht.

Fast eine halbe Milliarde Menschen (456 Millionen) gehören weltweit zu den sogenannten indigenen Völker. Sie stellen somit eine respektable Größe dar. Doch leider hat dies nichts mit ihrer rechtlichen und sozialen Situation zu tun. Obwohl sie in der Regel die eigentlichen Ureinwohner einer Region oder eines Kontinents verkörpern, und somit die rechtmäßigen Besitzer ihres Landes wären, wurden sie im Zuge der Kolonialisierung durch die weißen Europäer unterdrückt uns ausgebeutet, wie z.B. die Einwohner Nord- und Lateinamerikas oder Australiens.

Beschämende Entschmenschlichung

Infolgedessen gehören die sogenannt Indigenen oftmals zu den Armen und Benachteiligten auf diesem Globus. Oftmals sollte ihre Kultur ganz bewusst zurückgedrängt und ausgelöscht werden, wie zum Beispiel in Kanada, wo jetzt noch einmal ans Licht kam, wie die weiße Regierung im Schulterschluss mit der katholischen Kirche die indigenen Menschen des Landes noch bis tief hinein ins 20. Jahrhundert in Umerziehungsinternaten auf brutale und beschämende Weise einpassen und mundtot machen wollte.

Finstere Gegenwart

Das Erschütternde: wir sprechen hier nicht vom finsteren Mittelalter, sondern von aktueller Geschichte, und das in einem Land, das sich bislang durch sein unaufgeregtes, humanes Auftreten profilierte, und sich selbst gerne auch einmal als die „besseren“, weil vielfältigeren und sozialeren USA, verstand. Beschämend, wie hier die Nachfahren weißer Auswanderer und Vertreter und Vertreterinnen einer christlichen Kirche in menschenverachtender Weise agiert haben. Eine Papstreise allein reicht da nicht aus, um dies alles wieder gut zu machen.

Vielfalt zerstört

Denn genau durch solche Handlungen werden wesentliche Teile menschlicher Geschichte und menschlichen Reichtums zerstört. In den sogenannten indigenen Völkern vereinen sich laut Zählung der Vereinten Nationen 5.000 Kulturen und 7.000 Sprachen. In Wahrheit geht es aber nicht nur um das kulturelle Erbe. Dessen Zerstörung ist nichts weiter als ein Kollateralschaden auf dem Weg zu ganz anderen Zielen. Im Vordergrund stehen handfeste wirtschaftliche Interessen.

Würde man das Recht der Erstgeborenen ernst nehmen, müsste man ihnen auch das Recht an Land und Bodenschätzen zusprechen – doch das lässt die Gier nach Profit und Gewinnmaximierung nicht zu, wie etwa in Brasilien, wo täglich viele Hektar Regenwald fallen, die eigentlich den Menschen gehören, die dort von Anfang an gelebt haben. Würden hier die Rechte der sogenannten Indigenen ernst genommen werden, sähe die Landkarte der Wohlstandsverteilung auf dieser Welt wohl ganz anders aus.

Statt „Indigene“ Gottes Geschöpfe

Immerhin – diese Erkenntnis ist seit 40 Jahren den Vereinten Nationen bekannt. Viel geändert hat sich trotz Existenz der einschlägigen Arbeitsgruppe nichts. Und auch die Bezeichnung „indigen“ ist für meinen Geschmack nicht zielführend, sondern könnte die Situation gar noch zementieren. Letztlich kommt der Begriff aus dem Lateinischen, er heißt nichts weiter als „Eingeborene“.

Auch ich bin mir im Klaren, dass man einen Begriff braucht, der das Problem einkreist und beschreibt. Aber letztlich geschieht auch dies von oben herab – ausgesprochen von denen, die sich kulturell höher wähnen und auf der Seite derer sitzen, die die Geschicke der Menschheit zu steuern glauben.

Und deshalb sollte man am „Tag der indigenen Bevölkerung“ vor allem eines ausdrücklich festhalten: Wir sprechen hier von Menschen, und nicht wie Wissenschaftler von einer ausgefallenen, merkwürdigen Spezies, die es zu begutachten gilt. Viel mehr sprechen wir von Menschen, die auf Augenhöhe mit allen anderen stehen sollten, und die in ihrer Würde und in ihrem Dasein von Gott geschaffen wurden wie alle anderen Menschen auch – und daran gilt es weiter hart zu arbeiten.

 Andreas Odrich

Andreas Odrich

  |  Redakteur

Er verantwortet die ERF Plus-Sendereihe „Das Gespräch“. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und ist begeisterter Opa von drei Enkeln. Der Glaube ist für ihn festes Fundament und weiter Horizont zugleich.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Das könnte Sie auch interessieren