Der Kurfürstendamm gilt zu Mauer-Zeiten als die Flaniermeile im freien Westteil Berlins. Dann kommt die Wende. Die Mauer fällt. Der Kurfürstendamm bleibt eine Vorzeigeadresse. Doch in der City-Station der Berliner Stadtmission, einer Anlaufstelle für Menschen in Not, ändert sich das Publikum. Diakon Ulrich Neugebauer erinnert sich: „In unsere Einrichtung kamen Menschen aus der DDR, die von heute auf morgen arbeitslos geworden waren.“
Ulrich Neugebauer hat es auf einmal mit den sogenannten Verlierern der Deutschen Einheit zu tun. „Mir war es vorher nicht bewusst, was es bedeutet, wenn Menschen sagen: Ich hatte ein Diplom in Landwirtschaft, und das ist auf einmal nichts mehr wert.“
Der Oberstleutnant in der Notübernachtung
Im Jahr 1994, also fünf Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, startet die Berliner Stadtmission mit der Kältehilfe. Ulrich Neugebauer und seine Kollegen bringen Obdachlose in ein warmes Übernachtungsquartier. Auch hier begegnet der Diakon Menschen, die nach der Wende gescheitert sind. „Ich erinnere mich an einen Oberstleutnant, der nach der Wende arbeitslos geworden und auf der Straße gelandet ist.“
Ulrich Neugebauer hilft den Menschen unabhängig von ihrer Geschichte. Egal, ob sie im System der DDR Täter oder Opfer waren. Jeder Mensch hat eine Würde, die ihm von Gott verliehen ist. Und die ihm keiner nehmen kann. In diesem Bewusstsein schafft die Berliner Stadtmission Arbeitsmöglichkeiten für Menschen, die mit dem Ende der DDR arbeitslos geworden sind. Neugebauer spürt den Wunsch, „wieder Teil dieser Gesellschaft sein zu können. Vieles was wir heute mitbekommen, sind Wunden, die nicht geheilt sind.“
Erfolgsgeschichte nicht kleinreden
Zur Tatsache gehört auch: Die Berliner Stadtmission kann nicht jeden auffangen. Manche Lebensbiografie hat ihrer Knick behalten, so drückt es Ulrich Neugebauer aus. Trotzdem ist er auch heute noch Gott dankbar für den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung. „Ich finde es schade, dass diese Erfolgsgeschichte kleingeredet wird.“ Trotz aller Probleme sagt der Diakon: „Im Großen und Ganzen können wir dankbar sein, was mit uns in den letzten 28 Jahren passiert ist.“
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