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© Katharina Wieland Müller / pixelio.de

04.12.2013 / Kommentar / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Rebecca Schneebeli

Das Geschäft mit dem Sex

Warum wir wieder schärfere Prostitutionsgesetze brauchen. Ein Kommentar.


Prostitution ist ein Übel. Das ist uns allen klar. Kein Vater möchte, dass seine Tochter auf den Strich geht; dennoch wächst in unserer Gesellschaft die Toleranz Prostitution gegenüber immer mehr. In Frankreich wurde zwar am Freitag der erste Teil eines neuen Gesetzesvorschlags beschlossen, der vorsieht, Freier mit einer Geldstrafe zu belegen. Doch während Frauenrechtler die Gesetzesänderung begrüßen, wenden sich Freier und Prostituierte gegen den Vorschlag und formulieren „Sexarbeit ist Arbeit". Gleichzeitig formierten sich deutsche Prostituiertenverbände gegen das neue Buch von Alice Schwarzer „Prostitution – ein deutscher Skandal“ mit Parolen wie „Wir sind keine Opfer!“.

Doch es stellt sich die Frage, auf wen sich dieses „wir“ bezieht. Denn das eigentliche Problem beim Thema Prostitution ist, dass es „die Prostituierte“ nicht gibt. Eine Frau, die auf dem Straßenstrich in Sankt Pauli arbeitet, erlebt ihr Leben ganz anders als eine Frau, die in einem Nachtclub in Köln ihre Hüllen fallen lässt. Wer kann schon entscheiden, welche von diesen Frauen ihren Beruf freiwillig ausübt? Alice Schwarzer ist überzeugt, dass keine Frau so etwas freiwillig tut; die Vertreterinnen der Prostituiertenverbände sehen das anders: Sie wollen die normale Prostitution nicht mit Zwangsprostitution vermischt sehen.

Arbeitsschutz unzureichend!

Doch es ist kein Geheimnis, dass sich seit der Legalisierung der Prostitution die Fälle von Zwangsprostitution häufen, gleichzeitig aber immer weniger Zuhälter dingfest gemacht werden. Erst in diesem Sommer hat eine Reportage des Bayerischen Rundfunks offengelegt, wie viele Minderjährige in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden. Demgegenüber steht der Fakt, dass manche minderjährige Mädchen sich wie bei diesem Fall in Italien freiwillig prostituieren.

Wo beginnt Freiwilligkeit und wo endet sie? Bei Minderjährigen ist klar: Man muss sie vor der Erfahrung der Prostitution und damit notfalls vor sich selbst schützen. Hier greift der Jugendschutz. Aber für erwachsene Prostituierte gibt es keine verpflichtenden Schutzmaßnahmen, obwohl in anderen Berufen Arbeitsschutzmaßnahmen durchaus üblich sind. Auf Baustellen gilt oft Helmpflicht, aber ob eine Prostituierte es mit oder ohne Kondom macht, ist ihre Privatentscheidung. Viele von ihnen sind nicht einmal beim Finanzamt gemeldet, in Hamburg sind dies laut Spiegel TV nur 153 Frauen. Dass die Zahl immens viel höher ist, weiß jeder, der bereits in Sankt Pauli war.

Kein Beruf wie jeder andere

Prostitution ist und bleibt ein Problem, aber es gilt als intolerant dies anzusprechen. Schließlich kann man nicht einer ganzen Sparte den Beruf verbieten. Zudem: Ist die Frage, ob eine Frau Sex für Geld anbieten darf, nicht vor allem eine moralische? Schon über die Frage, ob eine Frau damit ihren Körper verkauft oder nur eine Dienstleistung anbietet, lässt sich vortrefflich streiten. Doch es gibt nachvollziehbare Punkte, die für eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes sprechen.

Laut Kriminalhauptkommissar Helmut Sporer üben 90 Prozent der Sexarbeiterinnen ihren Beruf nicht freiwillig, sondern aus Armut oder Zwang aus. Diese Einschätzung wurde in der Talkshow „Menschen bei Maischberger“ von der Ex-Prostituierten Jana Koch-Krawczak gestützt. Auch kommen durch die neuen Gesetze immer mehr Menschen in Kontakt mit Prostitution. Ein gutes Beispiel ist hier das „Pascha“ in Köln. Das Bordell betreibt einen eigenen Nachtclub mit Tabledance und Striptease, in dem auch Bands auftreten. Alice Schwarzer machte bei Maischberger darauf aufmerksam, dass dadurch eventuell auch Männer Prostitution in Anspruch nehmen, die das sonst nicht in Erwägung gezogen hätten. Denn Prostitution findet nicht mehr an zwielichten Ecken außerhalb der Stadt statt, sondern dort, wo junge Menschen sich am Wochenende amüsieren. Dadurch wird sie normal.

Das ist das Problem. Prostitution wird in unserer Gesellschaft als ein Beruf unter vielen gesehen und die Professionalität moderner Bordelle untermauert diesen Glauben nur. Dass aber immer noch viele Frauen nicht freiwillig anschaffen gehen, wird vergessen. In Deutschland ist schließlich jeder frei zu tun, was er möchte. Aber wie frei ist eine Prostituierte tatsächlich, die pro Tag 160 Euro nur für die Miete des Zimmers zahlt? Wie viele Freier muss sie täglich bei einem Lohn von 30 bis 50 Euro bedienen?

I have a dream

Es mag sie geben, die freiwilligen Prostituierten, die ihren Beruf gern ausüben. Doch sie sind in ihrer Branche die Minderheit. Mit Rufen wie „Wir sind keine Opfer!“ erweisen sie Kolleginnen, die sich nicht freiwillig prostituieren, einen Bärendienst. Aber auch die platte Forderung nach einem Verbot greift zu kurz. Denn wer glaubt, dass allein wegen einer Gesetzesänderung Zwangsprostitution und Menschenhandel passe sind, irrt. Dafür ist ein radikales Umdenken notwendig. Es muss endlich in die Köpfe rein, dass die meisten Frauen sich nicht aus Freude an ihrem Beruf prostituieren.

Alice Schwarzer hat zu Beginn der Sendung „Menschen bei Maischberger“ formuliert, dass ihr Traum eine Welt ohne Prostitution ist. Dies ist ein großer Traum, der nicht von heute auf morgen umzusetzen ist. Aber je mehr Menschen sich diesem Traum anschließen, desto eher wird sich etwas verändern. Doch dafür müssen endlich Gesetze geschaffen werden, die Zwangsprostitution deutlicher einen Riegel vorschieben.

Laut Sporer könnten drei Regelungen hier schon eine entscheidende Hilfe sein: Erstens eine verpflichtende jährliche Gesundheitsuntersuchung für Prostituierte, zweitens die Anhebung des Mindestalters auf 21 Jahre, drittens die verpflichtende Registrierung aller Prostituierter. Wenn es so einfach ist, Zwangsprostitution einzudämmen, sollten wir es endlich angehen. Zumindest einige Verbesserungen strebt die große Koalition laut FAZ an. Es bleibt zu hoffen, dass diese Pläne auch tatsächlich umgesetzt werden.

 Rebecca Schneebeli

Rebecca Schneebeli

  |  Redakteurin

Sie schätzt an ihrem Job, mit verschiedenen Menschen und Themen in Kontakt zu kommen. Sie ist verheiratet und mag Krimis und englische Serien.

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Kommentare (2)

Ola K. /

Wir werden nur ein Bruchteil der Wahrheit über die Freiwilligkeit der Prostituierten erfahren. Wer redet frei und offen über sein Leid. Wieviel Zeit braucht man, um das Leid überarbeiten zu können? mehr

Jaques L. /

Es hat was Heuchlerisches, wenn die Politik sich über das Problem Prostitution auslässt, und gleichzeitig ein unterleibsorientiertes Bildungssystem forciert. Die Sexualisierung von Kindern und Jugendlichen wie Sie von der Bildungspolitik angestrebt hat, ist das beste Förderprogramm für Prostitution.

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