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20.05.2022 / Wochenrückblick / Lesezeit: ~ 7 min

Autor/-in: Katja Völkl

Freispruch für Olaf Latzel ...

Der Freitagstalk des ERF Aktuell-Teams.

 

Bundestag debattiert über neue Sterbehilfe-Regelung - EKD und Diakonie legen Positionspapier vor, World Vision ruft höchsten Katastrophenfall wegen weltweiter Hungerkrise aus, NABU beklagt Wildbienensterben, von der Berliner Gethsemanekirche wurde ein Banner gestohlen, eine Kirche ist umgezogen und Pastor Olaf Latzel wurde freigesprochen – darum geht es heute im Freitagstalk der ERF-Aktuell-Redaktion mit Oliver Jeske und Katja Völkl.
 

ERF: Katja, am Mittwoch hat der Bundestag über eine mögliche neue Sterbehilfe-Regelung in Deutschland debattiert. Es geht um die Frage, ob und wie die Hilfe beim Suizid als spezielle Form der Sterbehilfe Regeln unterworfen werden soll. Dabei werden einem Sterbewilligen tödlich wirkende Mittel überlassen. Er muss sie aber selbst einnehmen.

Katja Völkl: Kurz zum Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 geurteilt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, hierbei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Organisierte Suizidassistenz von Sterbehilfeorganisationen zu verbieten war laut Gericht nicht zulässig.
 

ERF: Und jetzt geht es um eine mögliche Folgeregelung. Gibt es denn schon ein Ergebnis?

Katja Völkl: Nein, bis jetzt ist noch völlig offen, welche Regelung der Gesetzgeber am Ende beschließen könnte. Ein Teil der Abgeordneten betont das Recht auf Selbstbestimmung, die anderen befürchten eine Normalisierung von Suiziden. Und diese erste Debatte sollte auch zunächst der Orientierung der Abgeordneten bei der Gewissensentscheidung dienen.

Jetzt können im Parlament auch noch weitere Anträge dazukommen. Nach bisheriger Planung soll es im Sommer eine erste Lesung der Gesetzentwürfe geben und im Herbst die Abstimmung. Dabei ist der sogenannte Fraktionszwang aufgehoben. Das heißt: Jeder Abgeordnete soll hier seinem Gewissen folgen. Welcher Vorschlag am Ende die größte Unterstützung erhält, ist auch deswegen noch schwer absehbar.
 

ERF: Auch die Evangelische Kirche und die Diakonie haben sich zu dem Thema geäußert und eine gemeinsame Pressemitteilung rausgebracht. Worum geht’s denn da?

Katja Völkl: EKD und Diakonie fordern: Bevor es eine gesetzliche Neuregelung des assistierten Suizids gibt, muss es erst einmal ein Gesetz zur Stärkung der Suizidprävention geben.
 

ERF: Und wie könnte dieser Schutz vor Selbsttötung ihrer Meinung nach aussehen?

Katja Völkl: Da schlägt die Diakonie Folgendes vor: Sterbenskranke Menschen sollten auf ihrem letzten Lebensweg besser begleitet werden – auch durch Psychologen und Seelsorger. Die Gesundheitsvorsorge für das Lebensende kann ausgebaut werden. Und es sollte mehr Angebote für ältere Menschen geben, noch am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Das soll der sozialen Isolation und Einsamkeit dieser Menschen entgegenwirken.

Außerdem fordert die Diakonie einen bundesweiten Aktionsplan. Der soll die Sensibilität für Menschen in Krisen fördern. Geschulte Mitarbeiter sollen besonders gefährdete Personengruppen ansprechen. Es sollte demzufolge z.B. auch einen Suizidpräventionsdienst geben mit altersspezifischen Angeboten.
 

ERF: Wie will denn die Evangelische Diakonie in ihrem eigenen Haus mit dem Thema umgehen?

Katja Völkl: Dazu gibt es von der Diakonie jetzt eine Orientierungshilfe. Diese besagt, dass Hilfe beim Suizid nur in Ausnahmen in eigenen Häusern möglich ist. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie schreibt darin: „Der assistierte Suizid kann und darf - über den besonderen Ausnahmefall hinaus - nicht zur Regel werden. Der assistierte Suizid ist keine allgemeine Dienstleistung und gehört nicht zum Leistungsspektrum diakonischer Dienste und Einrichtungen.“

Allerdings ist es denkbar, dass Mitarbeiterinnen und Betreuer diesen Weg eines Sterbewilligen begleiten, wenn der Suizid nicht abzuwenden ist. Damit schließt die Diakonie die Form der Sterbehilfe anders als die katholische Caritas nicht komplett aus. Diesen Kompromiss trägt die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus offenbar mit. Sie hat für das Papier ein Vorwort geschrieben.

45 Millionen Menschen akut von Hungertod bedroht

ERF: Ein anderes Thema: World Vision ruft den höchsten Katastrophenfall aufgrund einer weltweiten Hungerkrise aus.

Katja Völkl: Fünfundvierzig Millionen Menschen in 43 Ländern leiden aktuell unter akuter Mangelernährung. Sie könnten in den nächsten Wochen und Monaten sterben. Besonders betroffen sind viele Kinder unter 5 Jahren. Steigende Kosten für z.B. Treibstoff, Dünger und Weizen, die durch Engpässe und Sanktionen sowie Exportstopps infolge des Krieges in der Ukraine verursacht werden, verschärfen die Hungerkrise.

In vielen Ländern wächst die Zahl der Menschen, die in Gefahr sind zu verhungern. World Vision konzentriert seine Hilfsmaßnahmen auf 24 Länder, in denen die Situation am schlimmsten ist, darunter Afghanistan, Äthiopien, Burkina Faso, Mali, Kenia, Niger, Somalia und Südsudan.
 

ERF: World Vision ruft die internationale Gemeinschaft auf, umgehend und schnell Gelder für die betroffenen Länder bereit zu stellen. „Die Welt kann nicht länger einfach zuschauen wie Millionen Kinder krank werden oder sterben, weil sie nicht ausreichend oder nur nährstoffarmes Essen haben“, betont Fiona Uellendahl, World Vision Expertin für Ernährung und Klimawandel. Enttäuscht zeigt sie sich auch von den Ergebnissen des G7 Minister- und Ministerinnentreffens für Entwicklung und Gesundheit. Denn da fehle eine Konkretisierung, etwa über die Finanzierung, die beteiligten Staaten und den zeitlichen Ablauf. Eine besondere Schwäche der Erklärung liegt auch darin, dass das drängende Problem von Kindern auf der Flucht komplett außen vorgelassen wurde. Sie müssen vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden.

Katja Völkl: Natürlich engagiert sich die Hilfsorganisation weiter. Gemeinsam mit „Aktion Deutschland hilft“ erreichen die aktuellen Nothilfeprogramme von World Vision bereits mehrere Millionen Menschen in Ostafrika.

NABU erinnert am Weltbienentag an Artensterben

ERF: Ein weiterer Grund, weshalb es vermehrt zu Hunger kommt, ist der Klimawandel. Und den spürt man auch bei uns. Laut Naturschutzbund gibt es einen starken Rückgang von Wildbienen und anderen Insektenarten, wofür auch der Klimawandel verantwortlich ist.

Katja Völkl: Heute ist Weltbienentag. Aus diesem Anlass teilte der NABU mit, dass knapp die Hälfte aller Bienenarten auf der Roten Liste bestandsgefährdet oder ausgestorben sind. Nur etwa 37 Prozent gelten als ungefährdet.

Dazu sagte Nabu-Geschäftsführer Leif Miller: „Der dramatische Rückgang unserer Wildbienen steht exemplarisch für das voranschreitende Insektensterben in Deutschland und weltweit.“

Aber für Mensch und Natur ist die Insektenvielfalt überlebenswichtig. Insekten sind für die Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen zuständig, verbessern die Fruchtbarkeit des Bodens und bilden eine wichtige Nahrungsquelle für eine Vielzahl weiterer Tiergruppen.
 

ERF: Welche Ursachen gibt es für das Insektensterben – abgesehen vom Klimawandel?

Katja Völkl: Vor allem die Kombination aus intensiver und strukturarmer Landwirtschaft, Flächenversiegelung und Lichtverschmutzung trägt zum Insektensterben und damit zum Artenverlust bei.

Um dem entgegenzuwirken, fordert der Nabu einen Anteil nicht-bewirtschafteter Flächen von mindestens zehn Prozent. Brachflächen bieten Wildbienen einen wichtigen Lebens- und Rückzugsraum und damit die Chance zu überleben.

Banner von Berliner Gethsemanekirche gestohlen

ERF: Die Gethsemanekirche in Berlin meldet, dass Unbekannte an der Berliner Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg ein Banner gestohlen haben. Darauf stand: „22 ist nicht 89. Wir leben in keiner Diktatur!“

Katja Völkl: Gemeindepfarrerin Aljona Hofmann weiß nicht, wer es gestohlen haben könnte. Aus der Gemeinde hat es niemand abgenommen. Mit dem Banner wollte die Gemeinde nach Hofmanns Worten „klar Position beziehen gegen diejenigen, die sagen: 2022 ist 1989.“  An der Kirche finden seit Monaten immer montags Querdenker-Aufzüge statt.
 

ERF: Man muss bedenken: Neben der Leipziger Nikolaikirche ist die Gethsemanekirche ein Symbol der friedlichen Revolution in der DDR vor 33 Jahren. Sie spielte beim Sturz der SED-Diktatur im Herbst 1989 eine bedeutende Rolle.

Katja Völkl: Und seit Januar protestiert deshalb eine Initiative Gethsemanekiez aus Anwohnerinnen und Anwohnern gegen die wöchentlichen Aufzüge. Aber die Gemeinde hat schon ein neues Banner in Auftrag gegeben mit der gleichen Botschaft, sagt Pfarrerin Hoffmann.

Eine Kirche ist umgezogen

ERF: So eine Nachricht können wir nicht oft verkünden: Eine Kirche ist erfolgreich umgezogen.

Katja Völkl: Und das wird ab heute drei Tage lang gefeiert. Die Stabkirche Stiege wurde im Stil einer skandinavischen Stabkirche auf dem Gelände des früheren Lungensanatoriums „Albrechtshaus“ im Oberharz errichtet. 1905 wurde sie im Beisein von Albrecht von Preußen, Prinzregent des Herzogtums Braunschweig, eingeweiht.

Zimmermeister Wilhelm Witte aus Osterwieck am Harz hat die Kapelle im norwegischen Drachenstil erbaut. Sie ist zwar keine echte Stabkirche, sondern in einer Blockbohlenbauweise errichtet und lediglich einer skandinavischen Stabkirche nachempfunden, aber trotzdem sehenswert. 1993 wurde das Lungensanatorium geschlossen und die Kirche verfiel langsam. Deshalb wurde sie im Frühjahr und Sommer 2021 Bohle für Bohle abgebaut und im Ortskern von Stiege wieder aufgebaut.
 

ERF: Und das Dank des Engagements zahlreicher Bürgerinnen und Bürger von Stiege.

Katja Völkl: Auf Sommerfesten und Weihnachtsmärkten haben die Bürger gesammelt und etliche Lesungen, Konzerte sowie Ausstellungen zugunsten der norwegischen Drachenkirche organisiert. Außerdem gab es eine Förderzusage des Bundes über 300.000 Euro. Bei der Feier werden Politiker, Stiftungsvertreter und die am Bau beteiligten Handwerker und Planer erwartet. Dann nehmen die Bürger ihre Kirche in Besitz. Es gibt eine Tombola, Führungen, Kaffee und Kuchen, und morgen feiert Pfarrer Karsten Höpting, die erste Andacht am neuen Standort. Ein Besuch dieser Kirche lohnt sich bestimmt.

Olaf Latzel wurde freigesprochen

ERF: Abschließend hat uns heute Morgen noch eine aktuelle Meldung erreicht:

Der Bremer Pastor Olaf Latzel ist in zweiter Instanz vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden.

Katja Völkl: Genau, und zwar war Olaf Latzel im November 2020 wegen homosexuellen-feindlicher Äußerungen zu 3 Monaten Haft verurteilt worden. De waren dann in gut 8.000 Euro Geldstrafe umgewandelt worden. Jetzt kann Latzel als juristisch unbescholtener Mann wieder auf die Kanzel steigen.

Wir sind gespannt auf die Reaktionen aus der Öffentlichkeit und werden Sie am Montagnachmittag im Programm von ERF Plus darüber informieren.


ERF: Und das war’s mit dem Blick auf die Woche Team ERF Aktuell. Ein schönes Wochenende wünschen Katja Völkl und Oliver Jeske.
 

 Katja Völkl

Katja Völkl

  |  Moderatorin und Redakteurin

Die gebürtige Münsteranerin ist Live-Moderatorin in „Aufgeweckt“ und für aktuelle Berichterstattung zuständig. Von Hause aus ist sie Lehrerin für Deutsch und Philosophie und Sprecherzieherin. Sie liebt Hunde, geht gerne ins Kino und gestaltet Landschaftsdioramen.

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