Ein Brot kann ich nicht ohne Maske kaufen und eine Hose nicht ohne Terminvereinbarung. Und macht es überhaupt Sinn, den Sommerurlaub zu buchen? Noch mehr Eingriffe in unser Privatleben sieht das neue Infektionsschutzgesetz vor, das heute vom Bundestag verabschiedet worden ist. Morgen wird sich der Bundesrat mit dem Gesetz befassen. Dieses Gesetz vereinheitlicht die Anti-Corona-Maßnahmen bundesweit. Was das für Kirchen und Gemeinden bedeutet und ob das Gesetz das Ende unserer freiheitlichen Demokratie einläutet, darüber hat Saskia Klingelhöfer mit Regina König gesprochen.
ERF: Regina, in aller Kürze, was ändert sich?
egina König: Wenn der Inzidenzwert in deinem Landkreis drei Tage lang über 100 liegt, gibt es eine Ausgangssperre von 22h bis 5h. Allerdings: Spaziergänger und Jogger dürfen allein bis Mitternacht unterwegs sein. Einkaufen ist möglich über „Click & Meet“. Schulen und Kitas müssen schließen bei einer Inzidenz über 165. Und ich darf mich bei einer Inzidenzwert über 100 nur noch mit einer haushaltsfremden Person treffen.
ERF: Haben die neuen Regelungen Auswirkungen auf Kirchen und Religionsgemeinschaften?
Regina König: Nein, auch das neue Infektionsschutzgesetz schränkt die Ausübung der Religionsfreiheit nicht ein. Kirchen und Gemeinden können weiterhin Präsenzgottesdienste anbieten, auch bei einer Inzidenz über 100. Schließlich: der Besuch eines Gottesdienstes hat einen anderen Wert als ein netter Abend beim Italiener. Und es hat sich ja auch bewährt, die Religionsfreiheit unangetastet zu lassen. Denn Kirchen und Gemeinden sind nicht zu Corona-Hotspots geworden, die Hygienekonzepte werden mit großer Sorgfalt gelebt.
Religionsfreiheit bleibt unangetastet
ERF: Nun wird kritisiert, dass das Infektionsschutzgesetz als einzige Richtlinie den Inzidenzwert nimmt.
Regina König: Ja, nicht wenige Politiker und Wissenschaftler plädierten dafür, z.B. auch die Zahl der freien Intensivbetten mit einzuberechnen. Eine weitere Variante wäre, das Alter der Infizierten zu bedenken, auch die Zahl der Testungen könnte man in Vergleich setzen mit der Zahl der Infizierten. Viele kluge Gedanken - also, dieses Gesetz muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
ERF: Und es gibt verfassungsrechtliche Bedenken.
Regina König: Ja, insbesondere gegen die Ausgangssperre, die ja unser Grundrecht auf Bewegungsfreiheit einschränkt. Und so sind einige Staats- und Verfassungsrechtler der Meinung, dass die Ausgangssperre gegen das Grundgesetz verstoße. Die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ kündigte bereits eine Klage an.
Doch auch das muss gesagt werden: dieses neue Gesetz bringt auch mehr Rechtssicherheit. Denn im bisherigen Infektionsschutzgesetz gab es vage Formulierungen, z.B. ab wann Grundrechte eingeschränkt werden dürfen. Jetzt gilt der Inzidenzwert als Richtschnur. Damit wird einer möglichen Willkür Einhalt geboten.
ERF: Ganz abgesehen von fachlicher und auch verfassungsrechtlicher Kritik – manche sehen in dem neuen Gesetz den Versuch, unsere freiheitliche Demokratie abzuschaffen und eine Diktatur einzuläuten. Schließlich greift das Gesetz drastisch in unser Privatleben ein.
Regina König: Und das sind wir glücklicherweise nicht gewohnt! Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen, kein Shoppen und keine Restaurantbesuche - das klingt nach einer völlig fremden Welt. Die Maßnahmen beziehen sich aber ganz klar auf die jetzige Pandemielage und der Blick ins Ausland zeigt: Wir stehen mit solchen Maßnahmen ja nicht allein. Inzwischen gibt es auch Bewegungen wie Covid-Zero, denen die Einschränkungen nicht weit genug gehen.
Infektionsschutzgesetz – Türöffner für Diktatur?
ERF: Sollte man sich deiner Meinung mit Kritik doch zurückhalten?
Regina König: Nein, Kritik und Debatte müssen möglich sein. Der Widerstand gegen Einschränkungen unserer Grundrechte ist verständlich und wir müssen diese Einschränkungen auch weiterhin kritisch begleiten. Und sie müssen eine Ausnahme bleiben, weil wir jetzt in einer ernsten Lage sind. Doch wer das neue Infektionsschutzgesetz interpretiert als Türöffner für eine Diktatur, der sät selbst Unfrieden, Angst und Misstrauen und bereitet womöglich erst den Boden für Bewegungen, die tatsächlich antidemokratisch sind und unserem Land nicht gut tun werden.
ERF: Gibt es so etwas wie einen geistlichen Kompass im Umgang mit der Pandemie und der Debatte um das Infektionsschutzgesetz?
Regina König: Ich kann nur von meiner persönlichen Haltung sprechen und die sieht so aus: ich halte mich an den Rat, den der Apostel Paulus im Neuen Testament seinem Freund Timotheus schreibt: „Du aber sei nüchtern in allem.“ Das bedeutet für mich in dieser Situation: Das Virus ernst nehmen und die Lage, in die es uns gebracht hat. Und deshalb Schluss machen mit Larmoyanz und ab 22h Platz nehmen zu Hause auf dem Sofa.
ERF: Vielen Dank für das Gespräch.
Ihr Kommentar
Kommentare (10)
Interessant, dass gesagt wird, dass Präsenz Gottesdienste stattfinden könnten! Wo, bitte, finden diese statt? Wo findet eine offene Diskussion über alle wissenschaftlichen Standpunkte statt? Der … mehroffene Austausch findet nach meiner Wahrnehmung gerade nicht statt.
Erkenntnisse die den öffentlichen Protagonisten nicht genehm sind, werden diskreditiert und unter gepflügt! Das ist gegen jede Form von intellektueller Redlichkeit, der man sich als Christ verpflichtet fühlen muss, da nur die Wahrheit frei macht.
Hallo zusammen,
also, was mich gerade aufregt und wütend macht ist folgendes: Bisher haben sich ja die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin ca. alle 4 Wochen zusammengesetzt, um über evt. … mehrÄnderungen der Corona-Verordnung zu beraten und auch zu entscheiden. Das neue Infektionsschutzgesetz gilt aber, wenn ich es richtig weiß, bis zum 30.6. Das sind etwa 9-10 Wochen. Da können sich die Politiker erstmal zurücklehnen und abwarten. Aber ich denke, das Infektionsschutzgesetz müsste in kurzen Abständen (z.B. 2-3 mal pro Woche) auf seine Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Solch ein Infektionsgeschehen kann sich so schnell ändern. Deshalb ist die Laufzeit des neuen Infektionsschutzgesetzes meines Erachtens viel zu lang.
Auf die Frage, wie die Chancen seien, dass das Parlament dem Gesetz zustimmen würde, antwortete Frau Merkel: "Die Regierung stimmt zu und damit auch das Parlament". Das ist äußerst bemerkenswert. Er … mehrbeweist, dass sie keinen Unterschied zwischen Regierung und Parlament macht. Zwischen Exekutive und Legislative. Nach 16 Jahren an der Regierung. Mit dem Prinzip der Gewaltenteilung kann sie nichts anfangen. Dabei handelt es sich um das oberste Prinzip des Rechtsstaats.
Der eigentliche Punkt scheint am ERF völlig vorbeigegangen zu sein: Die Aufhebung des föderalen Systems. Nicht umsonst wurde es von den Vätern des Grundgesetzes in dieser Form eingeführt. Unter … mehrMaßgabe der Siegermächte. Darum ist dieser entscheidende fatale Eingriff ein großes Thema in den englischen Medien. Die Aufhebung des föderalen Systems durch den sogenannten Preußenschlag ebnete den Weg in die Diktatur damals. Die Umstände sind zweitrangig. Wenn man dasselbe macht, kommt zum gleichen Ergebnis.
Vielen Dank für das Interview, was mich allerdings in manchen Punkten aufhorchen lässt. Zu der Passage: "Doch ..... dieses neue Gesetz bringt auch mehr Rechtssicherheit. Denn im bisherigen … mehrInfektionsschutzgesetz gab es vage Formulierungen, z.B. ab wann Grundrechte eingeschränkt werden dürfen. Jetzt gilt der Inzidenzwert als Richtschnur. Damit wird einer möglichen Willkür Einhalt geboten." kann ich nur sagen, dass dem nicht ganz so ist. Man kann nicht alle und alles über den gleichen Kamm scheren und daher sind in diesem speziellen Fall Gesetze schwierig. Wer sich mit Inzidenz befasst, dem wird klar, dass durch diese neue Teststrategie sehr wohl der Willkür alle Türen geöffnet wurden, denn damit kann man die Inzidenz nach Wunsch beeinflussen. Solange der Gedanke besteht, dass ein Test (zu dem immer mehr GESUNDE ! Menschen genötigt werden) eine Aussage über eine mögliche Infektion zulässt, werden wir in diesem unsäglichen Kreislauf bleiben. Ich kann nur empfehlen, sich mit dem Beipackzettel zu den Tests zu befassen und dann mal zu überlegen, was genau der (Un)Sinn davon ist. Ein Geschäft mit der Angst vor einer imaginären Gefahr ist immer mit Vorsicht zu betrachten. Je länger wir in dieser Angst leben (sollen) desto größer die Gefahr, die Grundrechte auf unbestimmte Zeit außer Kraft zu setzen und dieses Gesetz, vor dem nicht wenige Verfassungsrechtler und Richter (u.anderen) warnen, birgt mehr an Brisanz, als uns weisgemacht wird. Wer gebannt auf nur einen Punkt schaut, ..
Sehr geehrte Frau König! Das ist mal eine sehr kluge, weise und vernünftige Sicht der sehr gefährlichen Pandemie, in der wir weltweit stecken
Sehr geehrte Frau König,
Danke für ihr ehrliches Interview. Ich muss ehrlich sagen mir macht die ganze Situation Angst. Mir ist schon bewusst das die Notbremse von der Regierung eingeläutet werden … mehrmuss. Aber wieso können die Autoindustrie munter weiter arbeiten und die kleinen Läden müssen schließen . Ich verstehe den Sinn nicht. Und das man niemanden mehr in Arm nehmen darf. Wie es scheint funktionieren die ganzen Maßnahmen sowieso nicht, wie man an den izidenzwerten sieht. Ich gehe da mit gesunden Menschenverstand ran. In meiner Arbeit mit kognitiv beeinträchtigten Kindern nehme ich diese wenn sie es brauchen in den Arm. Weil in diesem Bereich vollkommen auf körperliche Nähe zu verzichten geht gar nicht. Zum einen ist die Berührung was diese Menschen erleben,enorm wichtig um Beziehungen zu ihnen aufzubauen.Zum anderen in der Pflege kommt man ja sehr näher ran.Das berücksichtigt keiner in der Politik. Für mich war es von der Psyche her wichtig ,das ich das ihnen mal schreibe.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela D.
Glaubt jemand, Wir bekämen im Herbst Unsere alten Rechte zurück? Oder im Herbst nächsten Jahres? Hier spielt der Teufel Pink-Pong. Es geht um den "Great Reset", den Umbau der Gesellschaft.
Ich hab damit kein Problem daß eine nächtliche Ausgangssperre besteht-!-Aber dieses "Notbremsegesetz" hört sich doch an wie "Notstandsgesetz " und das hört sich nicht mehr nach Freiheit an...!!!
Ich bin dankbar, dass wir weiterhin Präsenzgottesdienste abhalten dürfen. Und gerade in diesen Gottesdiensten wird auch für Menschen gebetet, die an dem Virus erkrankt sind, für Ärzte und … mehrKrankenhauspersonal für Angehörige und für Menschen, die besonders hart von dieser Krise getroffen sind. Wir brauchen diese Möglichkeit gemeinsam vor Gott zu stehen und um sein Eingreifen zu bitten und auch um das Ende der Pandemie zu bitten. Gott ist immer noch größer und kann eingreifen und eine Wende herbeiführen, so dass diese Krise abklingt.