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© fergregory / istockphoto.com

20.01.2016 / Service Artikel / Lesezeit: ~ 4 min

Autor/-in: Martin Mandt

Warum TV-Serien dem Kino den Rang ablaufen

Im Kino werden Geschichten erzählt. Punkt. Doch das ändert sich zunehmend durch moderne TV-Serien. Inzwischen geht der Trend zu „Game of Thrones“ und Co..

Filme erzählen bebilderte Geschichten mit Tiefgang und gesellschaftlichen Werten. Zuerst im Kino, später auch im Fernsehen. Doch die Fernsehlandschaft hat sich gravierend verändert und macht dem Kino gehörige Konkurrenz. Moderne TV-Serien sind in, weil dem Kino seine Erzähltiefe flöten geht. Private Kabelsender und Internetanbieter sind inzwischen mindestens genauso erfolgreich, wie Hollywood. Durch Flachbildschirme und BluRay-Player wird das Wohnzimmer zum Privatkino. Niemand muss noch neben fremden Menschen sitzen, die während des Films mit dem Handy spielen.

Unrentable Remakes:
Verblendung“ aus Schweden kostete
  • 13 Mio US$. Er spielte aber allein im Produktionsland Schweden über
  • 16 Mio US$ ein. In den USA waren es mehr als
  • 12 Mio US$ und in Deutschland über
  • 5 Mio Euro am Box Office.
Das US-Remake spielte bei rund
  • 100 Mio US$ Produktionskosten nur rund
  • 102 Mio US$ in den USA ein, plus rund
  • 7 Mio Euro in Deutschland
Zum Vergleich: „Avatar“ kostete
  • 237 Mio US$, spielte aber allein in den USA
  • 760 Mio US$ ein.

Gründe für „schlechtes“ Kino

Dazu kommt, dass Kinoproduktionen heute hauptsächlich Remakes oder Franchise-Produktionen sind. Blockbuster werden heute buchstäblich generiert, weil ihnen aggressives Marketing auf die Sprünge hilft. Kleine bzw. relativ günstige Produktionen gehen in diesem Gerangel gnadenlos unter, da sie neben den „Großen Filmen“  nicht genügend Geld einspielen (rühmliche Ausnahmen bestätigen die Regel eigentlich nur: Siehe Kasten rechts). So macht sich das Kino selbst kaputt. Die Entwicklung der 3D-Technik spielt dieser Verkaufspolitik in die Hände, weil die Ticketpreise nach oben schnellen. Dadurch entscheiden sich Viele für die Heimalternative, zumal es dort inzwischen ein ebenso breites Angebot gibt. 

Das Franchise – eine Kuh, die unendlich viel Milch gibt

Hat ein Film einen wohlkalkulierten Erfolg, kommt schnell eine Fortsetzung, ein so genanntes „Sequel“. Oder die Studios entscheiden sich für die Vorgeschichte , ein „Prequel“. Beispiele dazu gibt es aus jedem Genre:

  • Rocky - Boxerdrama (6 Sequels),
  • In einem Land vor unserer Zeit – Dino-Animation (12 Sequels)
  • Saw - Horror (6 Sequels)
  • 007 James Bond – Agenten-Action
    [23 (!) Sequels, je nach Zählweise 19 Sequels, 4 Prequels]

Abgeschlossene Romanverfilmungen gehören auch dazu. Die meisten haben gemein, dass sie sich eher auf einen bzw. mehrere Charaktere konzentrieren, als einem klassischen Spannungsbogen zu folgen. Den Figuren passiert dann immer wieder etwas Kurioses. Das funktioniert, so lange das Publikum bei der Stange bleibt. Langeweile und Verdruss sind also vorprogrammiert.

Andere Länder, andere Freigaben
 
Die FSK hat recht große Sprünge in ihren Altersfreigaben; das ist in anderen Europäischen Ländern besser differenziert:
 
Deutschland: 0 6 12 16 18
Österreich: 6 10 12 14 16 18
Schweiz: 0 6 8 10 12 14 16 18
Quelle der Freigabedaten: wikipedia

Keine deutlich definierte Zielgruppe

Dazu kommt eine zunehmende Trivialisierung der Filme. Die Zielgruppe wird immer jünger. Um mehr Geld einzuspielen streben die Verleihe eine Freigabe ab 12 bei der FSK an. Dazu wird in der Regel auf eine drastische Bebilderung verzichtet. Gut so, könnte man meinen. Tatsächlich sind die Geschichten weder auf ein jugendliches noch auf ein erwachsenes Publikum zugeschnitten. Erwachsene fühlen sich oft zu Recht veräppelt, Jugendlichen wird aber immer mehr zugemutet – so findet eine immer frühere Abstumpfung statt (Beispiel „Panem“-Reihe). Echte Jugendfilme gibt es daher kaum noch. 

Früher sah man den Unterschied zwischen Kino- und TV-Produktion. Das änderte sich erst in den 1990er Jahren. Einige US-Privatsender liefern Kino-Qualität – allen voran der Sender HBO. Spätestens mit der Serie „Die Sopranos“ (1999, in D März 2000) ging der Angriff auf das Kinopublikum los. Es gibt keine abgeschlossenen Episoden, sondern einen durchgehenden Erzählstrang über die gesamte Staffel.

Phänomen „Game of Thrones“

Mit dem Fantasy-Epos „Game of Thrones“ wurde dies perfektioniert: Jetzt haben auch die Trailer Kino-Qualität – alles sieht aus, wie für die große Leinwand gemacht. Mit 50 Millionen Dollar Produktionskosten war die erste Staffel sogar teurer als ein Hollywood-Film im mittleren Segment (Vgl.: „Silver Linings“ mit Jennifer Lawrence kostete 21 Mio US$). Die Serie setzte auch in den Genres neue Maßstäbe. Das Kino reagierte mit umso mehr Fantasy und Action in den Filmen, gern auch gepaart. „Avengers“ oder die „X-Men“ beweisen das. Eine Genremischung aus dem Jahr 1990 mit Filmen wie „Der mit dem Wolf tanzt“, „Pretty Woman“, „Jagd auf Roter Oktober“ oder „Total Recall“ gibt es nicht mehr.

© PublicDomainPictures / pixabay

Kino – Quo Vadis?

Wenn nun Erzählumfang und Qualität der Filme leidet und zugunsten der Effekte aus dem Kinofilm verschwinden, ist es klar, dass Serien auf dem Vormarsch sind. Sie lassen die Story in 13 Episoden einer Staffel aufgehen, gewinnen viel mehr Tiefe, als ein durchschnittlicher Film. Mit DVDs, BluRays und On-Demand-Angeboten im Internet sind zudem die Kosten für den Konsumenten überschaubarer. Ob es an den Drehbuchautoren liegt, die zu den TV-Sendern abwandern, bleibt Spekulation. Fakt ist, dass HBO und Netflix inzwischen Marktführer ihrer Klasse sind. Das Kino sucht derzeit das Heil in neuen Soundanlagen (Atmos), in immer besserem 3D und in noch größeren Budgets für Blockbuster und Franchises. Doch vermutlich begibt sich das Kino damit selbst in einen Teufelskreis.

Einen einzigen Vorteil hat das Kino jedoch für mich, den das Fernsehen nie erreichen wird: Einen großen, dunklen Saal in dem ein Vorhang aufgeht, bevor der Film startet, dazu meinen Blick auf der übergroßen Leinwand, mit dem ich das Geschehen verfolge… 

 Martin Mandt

Martin Mandt

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